Wir versuchten schon 1982 deutschen Wein zu verkaufen. Das war ein hartes Geschäft, denn damals konnte man damit keinen ernsthaften Weintrinker hinter dem Ofen vorlocken. Heute langweilt er uns zumeist, der deutsche Wein, von ein paar Ausnahmen abgesehen. Bräsig hat er sich an seinen Erfolg der letzten Jahre gewöhnt, bejubelt sich selbst und merkt so nicht, wie uniform er geworden ist. Frühe Lese und zu viel Schwefel prägen Weine, die uns zu sauer und stilistisch zu ähnlich geworden sind. Zudem sind viele hochgejubelte Betriebe so gewachsen, daß sie zu groß sind, um den Herausforderungen des Klimawandels individuell begegnen zu können, Mechanisierung und Technisierung dominieren Stil und Charakter ihrer Weine.
Wir konzentrieren uns in Deutschland ab sofort vornehmlich auf kleine Familienbetriebe, die engagiertes Winzerhandwerk mit Leidenschaft und eigener Hände Arbeit betreiben. Ihre Weine sollen kein stilistisches Klischee widergeben, sondern ungeschminkt die Individualität ihrer Herkunft und die Handschrift ihrer Winzerinnen und Winzer reflektieren.
Stefanie und Fabian Lassak sind ein solch kleiner Familienbetrieb. Sie bewirtschaften etwas über 2 Hektar im württembergischen Hessigheim. Das sagt von sich selbst, daß »der Neckar und die Felsengärten Hessigheims die Goldene Mitte des Württembergischen Weinanbaus» seien. Die Realität sieht anders aus. Die Trockenmauerterrassen der Hessigheimer Steillagen entlang der Neckar-Schleife gehören zu den eindrucksvollen Weinlagen Deutschlands. Sie erinnern an das Douro-Tal, die Terrassenmosel oder die nördliche Rhône. Ihre Existenz aber ist nachhaltig bedroht. Es ist vor allem Genossenschaftsland, das dort bewirtschaftet wird. Die Erlöse für die mittels harter Handarbeit in den schmalen und im Sommer extrem heißen Terrassen produzierten Trauben sind deshalb so gering, daß dort Herbizide die Handarbeit ersetzen müssen und es Jung und Alt an Motivation fehlt, über den Weinbau die uralte Kulturlandschaft zu erhalten. Ein typisch deutsches Phänomen, das den Preis über alles stellt und den Wert dahinter finanziell wie kulturell nicht in Betracht zu ziehen bereit ist.
Stefanie und Fabian Lassak aber haben sich auf das Abenteuer eingelassen, obwohl sie von ihren wenigen Parzellen noch nicht leben können. Sie müssen ihren Lebensunterhalt vorläufig noch bei Winzern in der Umgebung verdienen. Trotzdem senden sie bereits wichtige Signale, denn sie sind schon heute in der Lage, für ihre Arbeit Preise zu verlangen, die ihnen in Zukunft ein Auskommen ermöglichen können. Sie werden ohne mit der Wimper zu zucken gezahlt, weil ihre Weine mutige Originalität und inspirierende Eigenart beweisen und damit Aufmerksamkeit weit über Württemberg hinaus erregen.
Erst 2016 haben die beiden ihr Weingut gegründet. Seit 2019 ist ihr kleiner Betrieb biozertifiziert. Die Räumlichkeiten sind bescheiden, passen aber zum eigenen Anspruch wie zur Größe der bewirtschafteten Parzellen. Wagemutig und voller Leidenschaft produzieren Lassaks überraschend eigenständige Charakterweine, die spürbar geprägt sind von den Muschelkalkböden ihrer Lagen hoch über dem Neckar. Nur ein Teil ihrer Reben steht in den steilen Terrassen, all ihre Weine überzeugen aber durch originäre Ausstrahlung, mutige Natürlichkeit und selbstbewußte Persönlichkeit. Obwohl noch jung im Winzerdasein, beweisen Lassaks profunde Kompetenz, die sie sich während ihrer Ausbildung in Geisenheim in Weinbaubetrieben in Burgund, Österreich, Neuseeland und hierzulande angeeignet haben. Die beiden wissen, was sie tun.
Qualität, wie wir sie verstehen, muß den Wert hinter ihrem Preis nachvollziehbar machen. Dazu gehört für uns auch jene Leidenschaft, mit der Stefanie und Fabian Lassak für den Erhalt ihrer einmaligen Kulturlandschaft kämpfen. Ein Argument für uns, die Weine der beiden ins Programm zu nehmen. Als wir hören, wie schlecht es um den Weinbau in der Region und damit um die Zukunft dieser wunderbaren Kulturlandschaft steht, kommt ein anderes Argument ins Spiel. Diese einmalige Terrassenlandschaft wird nur überleben können, wenn es gelingt, sie und Hessenheim so bekannt zu machen, daß sich wieder engagierte Winzer finden, die bereit sind, sie - frei von Glyphosat und Preisdruck - qualitativ anspruchsvoll und engagiert zu bewirtschaften. Mit ihrem hochqualitativen Weinbau setzen Lassaks derweil die Maßstäbe in der Region. Sie zeigen, was hier möglich ist. Erst kürzlich bepflanzten sie ihre beste und steilste Parzelle mit Riesling in der alten römischen Einzelstockerziehung, die auf den Terrassen durch Dichtpflanzung und gegenseitige Beschattung maximal Sinn macht. Für ihren Spätburgunder wählten sie eine Selection massale aus Burgund, besonders dicht gepflanzt. Ihre Lemberger stammen, wie ihre Rieslinge auch, von Reben, die 30 und 55 Jahre alt sind. Sie haben sie mit hochwertigem Blaufränkisch aus dem Burgenland umveredelt. Und gerade erst konnten Lassaks eine fast schon magisch schöne Parzelle pachten, deren alten Rebbestand sie ebenfalls umveredeln werden, um dort Spätburgunder und Chardonnay anzubauen. Die Zukunft als Vollerwerbswinzer rückt langsam näher ...
Im Keller setzen Stefanie und Fabian Lassak auf minimale Eingriffe: Ihre Moste vergären spontan ohne Vorklärung in großen und kleinen Holzfässern; geschwefelt wird nur nach Bedarf und dann nur minimal, meist erst bei der Abfüllung; um die natürliche Reduktivität ihrer Weine zu bewahren, liegen diese so lange auf der Vollhefe, bis sie füllfertig sind, und ihre Rieslinge absolvieren ganz entspannt den natürlichen biologischen Säureabbau, wodurch sie sich aromatisch wie im Mundgefühl ziemlich drastisch vom deutschen Riesling-Mainstream absetzen.
Lassaks verstehen sich als Naturwein-Winzer. Ihre Weine sind aber weder wild noch störrisch, sondern komplex und doch reintönig, tiefgründig und vielschichtig, bemerkenswert fein und frisch und sie verströmen in Mundgefühl und Trunk kühlen Charakter, der sich aufregend würzig in Duft und Geschmack präsentiert.
Lassaks Rieslinge finden wir besonders beeindruckend. Sie sind eigenwillig, sind straff und präzise vom Muschelkalk geprägt, den man im Duft an rauchigen Komponenten erkennt, sie sind aber weder sauer noch mager, sondern wagen aufregend eigene Handschrift, sind unfiltriert, wirken dicht in der Physis auf der Zunge, zeigen sich scheu und leise würzig (alles aandere als »fruchtig«) und die absolvierte Malolaktik verleiht ihnen ungemein animierenden Trinkfluß.
Lassaks Lemberger wirkt so kompakt und dicht, daß er uns spontan an Cabernet Franc von der Loire erinnert; kühl im Charakter, schlank und filigran agierend, sich dann aber saftig und raumgreifend mundfüllend öffnend, um mit Potenz und Nachdruck den engagiert regenerativen Weinbau draußen unter Beweis zu stellen.
Lassaks Spätburgunder schließlich beweist, was sich in den letzten Jahren in Weinbau und Kellerwirtschaft in Württemberg getan hat. Er präsentiert sich aufregend hochwertig als feinfühlig dicht gepackter, wunderbar trockener, von tiefgründig dunkelwürziger Fruchtintensität durchzogener Burgunder, dem jene undefiniert kitschige Süße im Nachklang abgeht, die so viele Pinots aus deutscher Produktion egalisiert und verunstaltet.
Klein aber fein stehen Lassaks in angenehmer Bescheidenheit dafür, daß man auch bedacht ans Ziel kommen kann. Ohne Wachstumswahn und aufgeregtes Social-Media-Geplappere.
Weingut Lassak GbR | Steffi & Fabian Lassak | Besigheimer Str. 23 | 74394 Hessigheim