

Zweckmäßig und wohl bedacht
Man ist bei Weingutsbesuchen geneigt, sich von Größe, Technik und Architektur beeindrucken zu lassen. Darauf setzen vor allem jene Betriebe, deren Weine die Größe ihres Betriebs nicht verhehlen können. Als geübter Verkoster kann man ihn fühlen und schmecken, den Unterschied zwischen einem Betrieb, der seine Größe oder Kleinheit in allen Belangen beherrscht, und einem, der sie hinter oft aufwendiger Kellertechnik zu verstecken versucht. Solche Weine besitzen stets eine gewisse Uniformität, so hochwertig und aufwendig sie auch produziert werden.
Auf Montesecondo geht es archaisch zweckmäßig zu. Warum teure Kellergebäude bauen für Gärtanks, die nur ein paar Tage im Herbst gebraucht werden? Hier stehen sie deshalb draußen, weil es im September und Oktober bereits kühl ist, zumindest in den Nächten. Sollten die Außen- und Gärtemperaturen zu hoch werden, lassen sich die Tanks kühlen. Wichtiges Detail: Ihre Größe ist so konzipiert, daß ihr Volumen jeweils der Erntemenge einer Parzelle entspricht und ihr Most während der Gärung nicht zu warm wird. Der Verzicht auf eine Temperaturregelung der spontanen Gärung gehört zu Silvio Messanas Ansatz einer natürlichen, die Bedingungen des Jahrgangs möglichst unverfälscht abbildenden Weinbereitung.
Anders als im Studium gelernt
Silvio Messana lebt als Musikproduzent in New York. Dann stirbt sein Vater und plötzlich steht die Frage im Raum, was aus dessen Haus und seinen 5 Hektar alten Reben in San Casciano Val di Pesa im Chianti werden soll. Silvio trinkt gerne Wein, hat vom Weinmachen aber keine Ahnung. Er fliegt nach Hause - und beschließt prompt, sein Leben zu verändern. Mit der Familie zieht er um in die Toskana, beginnt Kurse zu besuchen und absolviert das Studium der Önologe. Währenddessen beginnt er die Rebflächen des Vaters zu regenerieren und auf biologischen Anbau umzustellen. Für Silvio steht fest: Wenn, dann möchte er natürlichen Wein machen, ohne die Technik, die Zusatzstoffe und die Manipulationen, die er im Studium gezwungen war zu praktizieren. Er spricht fließend französisch und kennt deshalb auch die in Frankreich in der Zeit gerade aufkeimende Bewegung der Naturweine. Er verfolgt sie aufmerksam. Als er 2004 beginnt, die eigene Weinproduktion auf »Montesecondo« aufzubauen, gehört er zu den ersten in der Toskana, die sich mit biodynamischen Präparaten und dem schwefelfreien Ausbau in Amphoren beschäftigen. Ihm geht es dabei nicht um Ideologie, sondern um die Chemie und Physik dahinter: Die Weine, die von tiefgründigen Böden stammen, baut er in Betontanks oder im großen Holzfaß aus; jene, die von kargen Kalkböden aus der Höhe kommen und straffe Säure aufweisen, baut er in Amphoren aus, wo sie durch die dort stattfindende natürliche Entsäuerung milder und harmonischer werden. Die Natur als Konzept für eine andere Weinqualität.


Der Unterschied im Weinberg
Gemeinhin wird im Weinhandel und in der über Wein schreibenden Zunft nicht über den Weinberg gesprochen. Schon gar nicht über Reb-Genetik oder Boden. »Bloß die Kunden und Leser nicht überfordern«, heißt die Devise. Deshalb spielen Reb-Qualität und Zustand und Funktion der Böden weder in der Sommelier-Ausbildung, noch im Weinhandel, noch in der Weinkommunikation eine Rolle. Hauptsache die Brüh´ schmeckt. Deshalb sind Weinguts-Besuche meist nur Führungen durch den Keller ...
Silvio Messana wird damals eine Parzelle in der unmittelbaren Nachbarschaft mit alter traditioneller Einzelstock-Buscherziehung in Dichtpflanzung angeboten, wie sie lange im Chianti üblich war. Sie ist preiswert zu haben, weil sie als unwirtschaftlich gilt; ihre Reben sind nur von Hand zu bearbeiten, weshalb die alte Reberziehung weitgehend der Rodung zum Opfer gefallen ist. Silvio kauft die Parzelle und stellt schon im ersten Jahr staunend fest, daß deren Rebstöcke einer gänzlich anderen Physiologie folgen. Sie sind weniger krankheitsanfällig, scheinen sich im Ertrag selbst zu regulieren und weisen bei identischer physiologischer und aromatischer Reife niedrigere Oechslegrade auf, setzen also weniger Alkohol um. Zudem stellt er in ihren Weinen eine spürbar frischere, weniger »gekocht« wirkende Aromatik fest. Der Unterschied fällt so eklatant aus, daß er beschließt, auch seine Neupflanzungen entsprechend anzulegen (siehe Bild). Reberziehung und Rebgenetik - zwei brennende Themen im Weinbau der Klimakrise, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten.
Pures Handwerk. Aus erster Hand
Unsere Tochter Niña hat ihre Weinausbildung in Frankreich erhalten. Eines Tages beschließt sie, ihre vierte Sprache zu lernen, packt ihr Auto und verschwindet gen Italien. Sie nimmt Kontakt zu Silvio Messana auf, er sagt ihr einen Platz in der Kellerwirtschaft zu. In der Realität wird sie in dem Zwei-Männer-und-eine-Frau-Betrieb zum Mädchen für alles. Vom Rebschnitt bis zur Weinbereitung, von der Probenanalyse bis zur Präparation von Verkostungen für Importeure aus aller Welt ist sie zuständig.
Den Jahrgang 2022 verantwortet sie als Weinmacherin maßgeblich. Aus erster Hand erfahren wir, wie dort Stil und Qualität im Weinberg beeinflusst werden, und wie hygienisch sauber im Keller gearbeitet werden muß, um maximal natürliche Weine ohne mikrobiologische Probleme und die Eingriffe und Zusatzstoffe der Önologie produzieren zu können. Als Importeur der Weine erhalten wir von ihr Einblicke, die uns normalerweise verborgen bleiben. Den Spagat zwischen Theorie und Praxis im harten Alltag der Weingüter hat unsere Niña auf all ihren Stationen in Frankreich und Italien hautnah miterlebt. Hier erfährt sie, warum Montesecondos Sangiovese glaubhaft authentisch ist, der mutig ungeschminkte Chianti Classico sich als stilistisch wegweisend erweist und der aus oft mißbrauchter und deshalb verkannter Rebsorte gekelterte Weißwein durch den Ausbau in Amphoren neues Leben erhält. Niña staunt, mit welch einfachen Mitteln auf »Montesecondo« gearbeitet wird. Sauberkeit, Präzision und Zeit seien die wesentlichen Qualitätsparameter in der Verarbeitung der Trauben zu Wein. Sie muß keine Rezepte befolgen, sondern kann und darf individuell und spontan aus der Situation heraus entscheiden, was sie für richtig hält. Wegen dieser Freiheiten, meint sie, seien die Weine von »Montesecondo« so aufregend frei und anders im Charakter, so ehrlich und natürlich wild, aber auch so entspannt edel und aristokratisch in ihrer ursprünglichen Ausstrahlung. Glaubwürdigkeit aus erster Hand.


Silvio Messana ist eher Denker als Macher. Er fühlt sich für Konzept und Stilistik zuständig, die tägliche Arbeit in Weinberg und Keller überläßt er anderen. Er ist aber präsent, wenn es um Entscheidungen geht. Mit gut 20 ha Rebfläche gehört sein »Montesecondo« nicht mehr zu den kleinen Betrieben. Da fordern seine drei Berufe - Traubenbauer, Kellermeister und Verkäufer - ihren Tribut, denn in dieser Größe geht es um viele zehntausend Flaschen. Die wollen verkauft werden. Da muß man gut organisiert sein, viel Zeit in Reisen, Messen und Verkostungen investieren und die Kompetenzen seiner Mitarbeiter nicht nur gut einschätzen können, sondern vor allem auch entsprechend für sich einzusetzen verstehen.

Montesecondo ist ein äußerlich bescheidener, versteckt in einem Tal liegender, nur über einen unbefestigten Schotterweg erreichbarer Betrieb, der nicht auf öffentlichen Besuch eingerichtet ist. Die Produktion, das eigentliche Weingut, ist 20 km von Silvios Wohnsitz (oben im Bild) entfernt und besitzt keinerlei Infrastruktur, um Gäste zu empfangen. Das liegt auch daran, daß »Montesecondo«, wie so viele andere Weingüter auch, vor allem vom Export lebt. Seine Weine sind in der Gastronomie der Region gut vertreten, die relevanten Weinbars in Florenz und Siena führen sie, die zum Überleben entscheidenden Mengen aber gehen an Importeure in über 30 Ländern.

Seine Importeure empfängt Silvio Messana stets bei sich zu Hause. Dann kocht er selbst. Er lebt seit Jahren von seiner Frau getrennt alleine in seinem Haus, in dem er seine Gäste ungewöhnlich persönlich bewirtet. Wer extra aus Südkorea, Japan, Polen oder den USA anreist, um die Weine vor Ort zu probieren, weiß solch persönlichen Empfang zu schätzen. Man wird als Importeur nicht immer mit derart offenen Armen empfangen. Je größer und berühmter ein Betrieb, um so unpersönlicher kann dieser ausfallen. Wer an Silvios langem Tisch seine einfache, aber höchst raffinierte Küche genossen hat, behält die einmalige Atmosphäre, das schmackhafte Essen und den Eigensinn seiner Weine in bester Erinnerung.

Inhalt: 0.75 l (31,87 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (31,87 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (35,87 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (38,53 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (46,53 €* / 1 l)