Anschließend verschlägt es ihn in die vornehme Welt der Grands Crus von Bordeaux. Auf Chateau Latour-Martillac und Cheval-Blanc lernt er die andere Seite der Weinbereitung kennen, die keinerlei Risiko zuläßt und technisch und wissenschaftlich aufwendig auf maximale Sicherheit setzt.
Dann tritt er seine erste Stelle als Kellermeister an. Für das renommierte Bioweingut »Ampelidae« in den Hügeln des Poitou an der Loire ist er vier Jahre lang verantwortlich für die Kellerwirtschaft. Er nutzt die Chance, die sich ihm dort bietet und vinifiziert verschiedenste Rebsorten zu erstklassigen Weinen, mit denen er sich einen Namen macht. 2017 lernt er dann den jungen Kellermeister des renommierten Schaumweinproduzenten »Louis de Grenelle« aus Saumur kennen, Guillaume Poitevin (Bild oben, links Guillaume Poitevin, rechts Thibaut Masse). Die beiden verstehen sich vom ersten Augenblick an und aus einer Schnapsidee entsteht das Projekt, gemeinsam ein Weingut zu betreiben.
Kurz darauf erfährt Guillaume, daß im Herzen der neu geschaffenen Appellation »Saumur Puy-Notre-Dame«, 25 km von Saumur entfernt, eine altehrwürdige, 18 Hektar große Domaine zum Verkauf steht, weil es keinen Nachfolger gibt, der sie übernehmen könnte. Deren Besitzer René-Hugues Gay ist der letzte einer lückenlose Reihe von Renés in einer Familie, die ihre Söhne seit 1631 so nennt. So kam der uralte Familien-Betrieb zu seinem Namen: Domaine La Renière.
Die beiden Jungwinzer nehmen Kontakt auf - und werden völlig überraschend mit dem alten Herren handelseinig. Wenige Monate später übernimmt Thibault das Weingut zusammen mit Guillaume, der aber nach wie vor bei »Louis de Grenelle« für die Schaumweinproduktion verantwortlich ist. Dort beginnen die beiden sofort, die ersten Trauben zu verarbeiten, denn es ist Herbst, und so keltern sie im September 2018 ihren ersten eigenen Jahrgang aus Trauben, die sie zwar geerntet, deren Reben sie aber nicht selbst bewirtschaftet haben. Unsere Kooperation beginnt.


Wo der Boden spricht ...
Rund um Saumur wurde schon in gallorömischer Zeit (5./6. Jahrhundert) Weinbau betrieben, er prägt bis heute das Wirtschaftsleben der Gemeinde Le Puy-Notre-Dame. Vor allem dessen Rotweine haben sich einen Namen gemacht, was im Jahr 2006 mit der eigenen Appellation »Saumur Puy-Notre-Dame« belohnt wurde. Der gesamte Untergrund von Le Puy ist von einem dichten Netzwerk von Gängen und Tunneln durchzogen, weil man aus ihnen bis ins 19. Jahrhundert den Tuffstein zum Bau der Gebäude im Dorf gebrochen hat. In diesem von Menschenhand geschaffenen Höhlensystem herrscht eine konstante Temperatur von 12 °C – ideal für die Lagerung der Weine, in den letzten Jahren aber auch für die Zucht von Champignons, die wichtiger Wirtschaftszweig für die Gemeinde wurde.
Die Bedeutung des Bodens spielt in Frankreich eine ganz andere Rolle in der Landwirtschaft als bei uns. Über Jahrhunderte hinweg hat man durch Erfahrung gelernt, den Boden in seiner spezifischen Nutzung zu verstehen und daraus den direkten Zusammenhang zwischen Boden und seinem Ertragsgut abgeleitet. Er mündete zu Beginn des 20. Jahrhunderts in das System der Appellationen, das eine bestimmte Herkunft mit konkretem Charakter und spezifischer Stilistik verbindet.
Rund um Le Puy hat man im Laufe der Jahrhunderte zwei grundverschiedene Bodenstrukturen und Zusammensetzungen für den Anbau der lokalen Rot- und Weißweine identiifiziert. Die Parzellen der Domaine La Renière nutzen sie exemplarisch: Im Bild der schwer zu bearbeitende, extrem steinige Boden auf dem Hügel »Cerisaie«, der aus Tuffkreide besteht, die wie ein Schwamm Wasser speichern und wieder abgeben kann. Das verhindert Trockenstress für die Reben, der Weine bitter machen kann. Ideale Bedingungen für Chenin Blanc, die große weiße Rebsorte der Loire, die hier durch die respektvolle Bewirtschaftung von Thibault Masse ohne Dünger und Agrarchemie eine Komplexität und Tiefgründigkeit erreicht, die ihre Herkunft nachvollziehbar mehr in den Vordergrund stellt als ihre Machart im Keller.
... und der Wein antwortet
Im Bild der Boden für die Rotweine, deren eigenständiger Charakter 2006 mit der eigenen Appellation bestätigt wurde. Hier liegt schwerer Lehm-Kalk-Boden von 40-80 cm Dicke auf dem die Appellation dominierenden Tuffkreide-Sockel, der den Weinen von Le Puy-Notre Dame ihre erkennbar eigensinnige Persönlichkeit verleiht.
Ideale Bedingungen für die rote Rebsorte Cabernet Franc, deren zickige Reifephysiologie sehr konkrete Anforderungen stellt. Sie sind hier gegeben. Schwerer Lehmboden leidet oft unter Kaliummangel. Der kann für prononcierte Säure in Rotweinen sorgen. Hier sieht man helle Kalkeinlagerungen, die diesem Mangel, zusammen mit dem Zuwachs an organischer Masse durch die biologische Bewirtschaftung in den kommenden Jahren (der Betrieb war vor der Übernahme durch Thibault und Guillaume konventionell bewirtschaftet), entgegenwirken durch eine zunehmend besser werdende Versorgung mit organischen und anorganischen Nährstoffen. Der fertige Wein hat heute, im fünften Jahrgang auf Flasche nach der Übernahme und Umstellung auf Bioanbau, bereits unmittelbar und direkt auf diese Veränderungen im Boden reagiert. Die Qualität und Wirkung seiner Gerbstoffe ist spürbar weicher geworden, seidiger und »freundlicher«, mit einer Frische und delikaten Konsistenz im Mundgefühl, die zur Handschrift des jungen Winzer-Teams wurden. Sie machte die Rotweine der beiden weit über ihre Region hinaus bekannt und brachte ihnen Anerkennung und Respekt ein.




Jugend baut auf
Thibault Masse ist trotz seiner Jugend ein ausgefuchster und ungewöhnlich kompetenter Winzer. Das ist vor allem seiner Leidenschaft für den Wein zu verdanken, die ihm die Triebkraft und Motivation für schnelle Lernprozesse liefert.
Thibault gehört zu einer Generation junger Winzerinnen und Winzer, die binnen kürzester Zeit Qualitäten zu liefern imstande ist, für die frühere Generationen ein ganzes Leben brauchten. Sie sind gut ausgebildet, sind ob des Überangebotes an Kolleginnen und Kollegen entsprechend ehrgeizig und mit Ambition unterwegs, sie wissen verfügbare Informationen zu filtern, zu finden und für sich zu nutzen, sie sind untereinander bestens vernetzt und wissen miteinander so zu kommunizieren, daß sie schnell an aktuellste Informationen und die Erfahrungen anderer kommen.
Dies erklärt, warum im »neuen Wein« trotz weltweiter Krise im Absatz gerade so positive Dynamik herrscht, die bisherige Klischee in Stil und Charakter (zumindest in unserer Nische) ablehnt und Wein wieder zum Kulturprodukt macht, das maßgeblich von seiner Herkunft, von Boden und Klima im Spiegel menschlicher Interpretation, geprägt ist. Diese Jugend im Wein baut auf, blickt positiv nach vorne und ist bereit, Landwirtschaft und Wein in Sachen Bewirtschaftung von Grund auf neu zu denken.
Ohne Handlese geht gar nichts
Wein wird heute weltweit wirtschaftlichen Effizienz-Kriterien unterworfen, die qualitativen Kriterien grundlegend widersprechen. Da sind wirtschaftliche Aspekte wichtiger als weinbauliche oder qualitative. Nur noch eine kleine Gruppe Verrückter wie wir sieht im Wein mehr als das leicht verkäufliche Freizeit-Wohlfühl-Wirkungs-Getränk, das möglichst billig an die Frau und den Mann im Volk gebracht werden soll.
Als Antwort auf die hart zuschlagende Krise im weltweiten Weinabsatz sehen viele in unserer Branche noch dümmere Werbesprüche, noch mehr Superlative, noch effekthascherische Weinnamen und Etiketten und, natürlich, von KI unterstützte, hochraffinierte technologische Lösungen zur Hebung der kommunikativen Schnittstellenprobleme zwischen Verbraucher und Produzent.
Um den Wein und ein neues, anderes Verständnis seiner selbst geht es nicht. Darin liegt das Problem: Wer nur den Wein trinkt, der ihm schmeckt, wird sich kaum über den eigenen Glasrand hinaus bewegen. Erst wenn wir den Unterschied in Preis und Geschmack plausibel erklären und Qualitätskritierien auf Augenhöhe so vermitteln, daß sie auch der Weineinsteiger nachvollziehen will und kann, werden wir es schaffen, neues Interesse an der Faszination des alten Kulturgetränks Wein zu generieren. Da geht dann aber ohne Handlese gar nichts ...
Respekt vor Erfahrung
Das Spannende an Betrieben wie La Renière und seinen jungen Betreibern ist, stellvertretend für viele andere in ihrer Generation, deren Respekt vor dem Erfahrungswissen vorheriger Generationen. Da hat der Glaube an den Fortschritt und die »Technologieoffenheit« fehlgeleiteter Politiker keine Chance. Der weltweite Erfolg der Naturwein-Bewegung läßt sie auf die vielen legalen, den Geschmack bewußt verändernden Zusatzstoffe der modernen Önologie verzichten. Sie beschäftigen sich stattdessen, mit dem Wissen um die modernen Naturwissenschaften mit den Methoden und Argumenten vergangener Epochen.
In den unterirdischen Tuffkellern von Le Puy Notre Dame bauen auch Thibault Masse und Guillaume Poitevin ihre Weine maximal natürlich aus wie in der vortechnischen Zeit. Ohne Zusatzstoffe, ohne geschmackliche Korrekturen, weitgehend ohne moderne Technik.
Ihre Weine vergären ohne Temperaturkontrolle in den kühlen Natursteinkellern unter ihrem Betrieb. Sie experimentieren mit Maischestandzeiten für ihre Weißweine ebenso, wie sie sie in gebrauchten und neuen Holzfässern vergären, in Amphoren oder in Betontanks. So betonen sie den Charakter der Herkunft ihrer Weine, den sie sensibel über den Einfluss ihrer Weinbereitung zu stellen verstehen.



Inhalt: 0.75 l (24,67 €* / 1 l)
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