Die Vorgaben für unser Mezzogiorno-Programm sind präzise formuliert: Autochthone Rebsorten, kleine handwerklich arbeitende Betriebe, Bio als Mindeststandard, nach Möglichkeit vulkanische Böden, möglichst aus traditioneller Reberziehung (Alberello/Buschrebe), ausschließlich von Hang- oder Steillage und Anbau in mindestens 200 bis 300 m Höhe.
Als wir bei der Cantina del Barone in Cesinali bei Avellino in Kampanien Luigi Sarno und seine famosen »Fiano di Avellino« kennenlernen, wissen wir noch nicht, daß er wenige Kilometer entfernt in Tufo seinen Freund Angelo Muto als Önologe berät. Als wir Luigi dann aber nach Empfehlungen in der Region fragen, fällt wie aus der Pistole geschossen der Name von Angelo und dessen Cantine dell´Angelo. Wir machen uns prompt auf den Weg.
Nur 17 km trennen Cesinali von Tufo. Ein verschlafenes Nest mit nicht mal 900 Einwohnern. Es ist in der Region bekannt für seine ehemaligen Schwefelminen, die hier 1866 entdeckt wurden und über Jahrzehnte den Einwohnern den Broterwerb sicherten. Heute ist Tufo für einen Weißwein bekannt, dem 2003 der DOCG-Status verliehen wurde und der als »Greco di Tufo« inzwischen zu den besten Italiens gezählt wird.
Um das »Tufo« im Namen des Weines ranken sich viele Geschichten. Es geht dabei wohl vor allem um den Ort, der seinen Namen dem vulkanischen Gestein verdankt, das seinen Untergrund weitläufig durchzieht: Tuff, italienisch Tufo. Ein Gestein, das ganz wesentlich aus verfestigter vulkanischer Asche besteht, in die sich pyroklastische Lava-Ablagerungen unterschiedlichster Korngrößen integrieren. Dieser Boden sorgt in allen Weinen, die auf ihm entstehen, für eine charakteristisch rauchige Note im Duft und für exemplarisch fühlbare Mineralität im Geschmack.
In Tufo wurzeln die Reben nicht nur auf vulkanischem Tuff, sie stehen zum Teil auch auf dem Schwefel, der in den ehemaligen Minen abgebaut wurde. Familie Muto bewirtschaftet seit drei Generationen Reben in Tufo, die von zwei Lagen kommen, die mit nur einer einzigen Rebsorte bestockt sind: Greco.
Über Jahrzehnte hinweg gehen Familie Mutos Trauben an die regionale Genossenschaft. 2006 beschließt die Familie dann, aus ihren Trauben Wein auf eigene Rechnung zu keltern. Sie errichtet das heutige Kellereigebäude und 2008 kommt der erste eigene Wein in die Edelstahltanks. Vom ersten Tag an vergärt Angelo Muto seinen Most spontan auf den weinbergseigenen Hefen. Das kann er, weil er seine fünf Hektar Reben seit jeher ohne die Segnungen des agrarchemischen Fortschritts bewirtschaftet; seine Böden sind lebendig und gesund und so nährstoffreich, daß sie die Hefen mit allem versorgen, was diese zur reibungslosen Gärung benötigen.
Greco ist eine spät reifende Rebsorte. Sie baut während der langen Reifeperiode weder Säure ab, noch neigt sie zu steigender Alkoholgradation. Das macht sie in Zeiten des Klimawandels auch für andere Weinbauregionen interessant. Wenn man sie perfekt reif liest, was durchaus erst Ende Oktober sein kann, in kühlen Jahren auch erst Anfang November, hat sie die aggressive Äpfelsäure bereits veratmet und die mildere Weinsäure dominiert. Diese sorgt für niedrige pH-Werte, die in Verbindung mit den vulkanischen Böden derart rasante Mineralität auf die Zunge transportieren, daß die Weine aus Tufo (und allen voran die der Cantine dell Angelo) die üblichen Vorstellungen italienischen Weißweines verstörend konterkarieren.
Um vor diesem Hintergrund seinen Weinen mehr Mitte und Physis im Geschmacksbild zu verleihen, läßt Angelo unter der önologischen Ägide seines Freundes Luigi Sarno die ganzen Trauben für ein paar Stunden mit Stiel und Stängel auf der Maische in der Presse mazerieren. Erst dann preßt er ab und vergärt den Most in den Tanks ohne Temperatursteuerung. Nach den zwei natürlichen Gärungen reifen die Weine 12 bis 14 Monate auf der Feinhefe in den Tanks; sie werden weder geschönt noch filtriert und wenn nötig nur mit minimalster Schwefelung abgefüllt. Naturweine ohne Fehl und Tadel wie man sie sich wünscht.
Einer der Weinberge von Angelo Muto ist längst Legende. Seine Reben stehen auf einem steilen Hang direkt über einer der ehemaligen Schwefelminen. Sie bringen einen Wein hervor, den Angelo »Miniere« getauft hat, die Mine, spiegelt er doch den Ort, von dem er kommt, auf so ungewöhnliche wie gewöhnungsbedürftige Weise wider: Er riecht markant nach Schwefel, obwohl er kaum welchen enthält, agiert rasierklingenscharf auf der Zunge und präsentiert sich derart exemplarisch »mineralisch«, daß jeder deutsche Riesling vor Neid erblassen muß.
Mutos zweite Lage, »Torrefavale«, liefert einen nicht minder aufregenden Wein. Hier stehen die Reben, die über 70 Jahre alt sind, auf 500 m Höhe in einer winzigen Parzelle, die vollständig von Bäumen, Büschen und Hecken umgeben ist. Sie neigt sich steil gen Süden, ist also tagsüber harter Sonneneinstrahlung eingesetzt, die aber durch morgendlichen und abendlichen Schatten nur von kurzer Dauer ist. Der Boden ist hier etwas schwerer und enthält weniger Schwefel und so präsentiert sich »Torrefavale« zwar auch rasant mineralisch, sprichwörtlich frisch und säuregetragen, besitzt aber eine etwas versöhnlichere Konstitution mit mehr Fülle, Körper und hochwertigem Anspruch.
Angelo Muto versteht sich als Naturweinwinzer, ist Mitglied im renommierten Naturweinverband VinNatur, arbeitet draußen im Weinberg biologisch und verzichtet im Keller auf alle üblichen Zusätze, außer auf Schwefel, den er aber satzungsgemäß nur in winziger Dosierung zusetzt. Seine zwei »Greco di Tufo« sind Musterexemplare der italienischen Naturweinbewegung, die hierzulande nicht den Widerhall findet, den sie verdient hätte. Sie verweigern sich Klischees, sind wagemutig in Charakter und Persönlichkeit und besitzen unzweifelhaft das, was die Franzosen »Terroir« nennen.
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