Uns faszinieren die alten, autochthonen, also lokal angestammten Regionalrebsorten Italiens mehr, als jeder berühmte Wein des Landes aus der Maremma, der Toscana, Südtirol oder dem Piemont. Es sind seine über 400 alten, unbekannten Rebsorten, die für spannende Vielfalt im Glas sorgen und Italien unverwechselbar machen im globalen Weinsee.
Maturano ist so eine seltene, noch völlig unbekannte und vermutlich sehr alte autochthone weiße Rebsorte, die erst kürzlich in einem Tal auf halbem Weg zwischen Rom und Neapel im Latium wiederentdeckt wurde. Sie wird heute wieder vereinzelt in den Bergen rund um Frosinone angebaut. In Italiens nationalem Rebsorten-Registers sind über 3.000 verschiedene Sorten verzeichnet. Für Maturano hat man keine Abstammung, also keine identifizierbaren Eltern, gefunden. Sie könnten beide ausgestorben oder so selten sein, daß man sie nicht gefunden hat und damit nie einer genetischen Analyse unterzog. Es ist einmal mehr der Neugier eines engagierten Winzers zu verdanken, der die obskure Rebsorte 2010 in einem alten Weinberg eines Nachbarn entdeckte und über Stecklinge zu neuem Leben erweckte, daß sie nicht, wie so viele andere, ausgestorben ist.
Maturano ist geschmacklich eigenwillig. Sie scheint uns mit keiner anderen Weißweintraube vergleichbar. Sie erinnert in Duft und Geschmack zwar durchaus an die südfranzösische Roussanne oder den Friauler Ribolla, hat aber doch ein so ausgeprägtes Eigenleben, daß wir sie als auf ihre Art einzigartig bezeichnen würden. Lokal nennt man sie auch Matrana di Passo, Foglia Rotonda (Rundes Blatt) oder Motulano und sie scheint nicht, anders als immer wieder zu lesen, mit jener weißen spanischen Sorte Maturana Blanca identisch, die man in der Rioja vor ein paar Jahren wiederentdeckte.
Maturano hat große runde, manchmal auch elliptisch geformte Beeren mit einer festen, wachsartigen, tiefgelben Schale. Ihre Traube ist mittelgroß und kompakt. Maturano reift spät und sehr langsam aus, was ihr besondere aromatische Komplexität verleiht. Das Klima rund um Frosinone ist feucht und regnerisch. Die Reben stehen dort auf den Ausläufern der Abruzzen auf rund 600 m Höhe auf vielen kleinen und zum Teil sehr steilen Parzellen auf kalkhaltigen Böden. Geradezu archaisch wirkt hier die Weinlandschaft noch. Die Biodiversität in der Umgebung der über viele Kilometer an steilen Hängen verstreuten Parzellen erinnert an längst verloren geglaubte Kulturlandschaften. Hier stehen die zum Teil uralten Reben, manche davon über 140 Jahre alt, noch inmitten Jahrhunderte alter Olivenhaine und ranken sich an Bäumen hoch, sie sind zum Teil auch von Wäldern umgeben. Das derart gefilterte Licht beeinflußt die physiologische Reife der Beeren und damit die aromatische Intensität der eigenwilligen Rebsorte. Sie duftet sehr viel leiser und verhaltener, als sie intensiv und prägnant charaktervoll schmeckt. In der Höhe des Hinterlandes von Frosinone sind die Tage warm und die Nächte kalt. Das bewahrt der Rebsorte ihre milde Säure, bei allerdings niedrigem pH-Wert, weil die Äpfelsäure während der langen Reifeperiode veratmet. So kann sich nicht nur die eigenartig gelb-reife Aromatik entwickeln, so entsteht vermutlich auch jener attackierend pikante, salzig mineralische Griff auf der Zunge, der dieser raren weißen Rebsorte den so eigenen Charakter verleiht, der sie mit keiner anderen uns bekannten Rebsorte vergleichbar macht. Es lebe die Vielfalt!