Autochthone Rebsorten


Die sogenannten autochthonen Rebsorten sind ein lohnendes Abenteuer. Seit wir uns vor über 30 Jahren mit ihnen zu beschäftigen begannen, gibt es für uns kein Entkommen mehr. Überall in Europa suchen wir nach solchen alten, lokal angestammten, oft auch uns unbekannten, vergessenen oder vom Aussterben bedrohten, oft nur noch auf winzigen Flächen angebauten oder in alten gemischten Sätzen versteckten und dort mühsam zu identifizierenden Rebsorten, die noch unverzüchtete, ursprüngliche Genetik besitzen und so eine natürliche Biodiversität zelebrieren, die der erschreckenden genetischen Monokultur moderner, auf Hochleistung gezüchteter Rebsorten aus den Zuchtanstalten zertifizierter Rebzüchter, die fast alle modernen Weinberge in Europa dominiert, eine aufregend andere, durchaus ungewohnte, aber sehr viel buntere Färbung in Stil und Charakter entgegenstellen. Wir finden diese so aufregend, daß wir uns der Welt der autochthonen Rebsorten mit Haut und Haaren verschrieben haben.

Im Bild links die vermutlich älteste Pergola-Anlage Italiens an der Costa d'Amalfi, gepflanzt zwischen 1920 und 1926 mit alten, nur noch dort auf wenigen Hektar existierenden wurzelechten Rebsorten aus der Vor-Phyloxera-Zeit.

Die Rebe ist eine Pflanze, die von sich aus natürlich leicht mutiert. So entstanden über Jahrtausende durch natürliche Mutation meist örtlich lokal oder regional begrenzt vermutlich rund 20.000 genetisch verschiedene Rebsorten. Dann kam die Reblaus-Katastrophe mit der von der Ostküste Nordamerikas nach Südfrankreich eingeschleppten Blattlaus-Verwandten, die sich nach erstem Nachweis 1863 in sämtliche europäische Weinbaugebiete epidemieartig verbreitete. Besonders hart traf es Frankreich. Zwischen 1865 und 1885 zerstörte die Reblaus, nach ihrem biologischen Namen auch »Phyloxera« genannt, dort die Rebbestände fast aller Weinbauregionen. Und das nach dem nicht minder katastrophalen, um 1850 ebenfalls aus Nordamerika eingeschleppten Mehltau, der die Winzer gezwungen hatte, die meisten ihrer damals noch historischen Reb-Bestände durch neue Reben aus Amerika zu ersetzen. Die Folgen für Weinbau und Winzer waren katastrophal. Alleine in Frankreich fielen der Reblaus fast 2,5 Millionen Hektar Rebfläche zum Opfer. 
In Österreich wurde sie 1874 in Klosterneuburg nachgewiesen, in deutschen Weinbaugebieten fand man sie 1874 in der Nähe von Bonn, um 1885 in Loschwitz bei Dresden, 1907 im Mosel-Saar-Ruwer-Gebiet und ab 1913 zerstörte sie die Reben im von der Sonne verwöhnten Baden. 
Dabei schädigen die Wurzelrebläuse das Leitgewebe des Reb-Wurzel-Systems, wodurch es zu Wasser- und Nährstoffmangel kommt, was zum Absterben der Rebe führt. Zur Bekämpfung der Reblaus und zum Schutz vor ihrem Befall propft man heute die Edelreiser unserer euopäischen Rebsorten auf reblausresistente Unterlagsreben aus Amerika auf (Vitis berlandieri, Vitis cinerea, Vitis riparia, Vitis rupestris u.v.a.m.), man »veredelt« die Rebe, wie es im Fachjargon heißt. Man unterbricht so den komplizierten Fortpflanzungszyklus der Reblaus. Heute stehen fast alle Reb-Bestände der Welt auf solchen, ihrem jeweiligen Standort in ihren Eigenschaften angepassten Unterlagsreben.

Vielfalt statt Einfalt

Weil dieses Veredeln damals in kürzester Zeit in großen Mengen erfolgen mußte, wurden die meisten nach der Mehltau- und Reblaus-Katastrophe neu bepflanzten Weinberge fast ausschliesslich sortenrein bepflanzt. Der zuvor in vielen weniger bekannten Weinbauregionen übliche Gemischte Satz fiel der neuen Monotonie im Glauben an den Fortschritt zum Opfer, wodurch sich die Zahl der angebauten Rebsorten dramatisch reduzierte. Die moderne Rebzucht trug und trägt ihren Teil noch heute dazu bei und so dominieren heute einige wenige Rebsorten die Vorstellungen von Wein. Uns ist es deshalb wichtig, die Vielfalt ursprünglicher, lokal angestammter autochthoner Rebsorten wiederzuentdecken und ihr Überleben zu sichern, in dem wir deren Weine anbieten.

Als autochthon bezeichnet man Rebsorten, die ausschließlich lokal oder regional begrenzt, sozusagen »indigen«, existieren. Ihnen gegenüber stehen Sorten, die vom Menschen gezielt vermehrt und auf bestimmte Eigenschaften gezüchtet werden (und deshalb als »edle« Rebsorten bezeichnet werden) , um dann in Regionen angebaut zu werden, in denen sie ursprünglich nicht bekannt waren. Die Analyse der Genetik von Rebsorten ist erst seit den 1990er Jahren möglich, seit man mittels aufwendiger DNA-Analysen die Abstammung von Rebsorten, also deren Verwandtschaften und Elternteile, bestimmen kann. So lassen sich z. B. auch Aussagen über deren Herkunft treffen.

Dadurch, daß Rebsorten in Rebschulen geklont werden, um sie in homogener Sortenreinheit pflanzen zu können, was im Weinbau heute gefordert wird, hat die genetische Diversität der weltweit angebauten Sorten dramatisch abgenommen. Einfallslose Rebsorten-Monotonie beherrscht das weltweite Wein-Angebot. Es wird gepflanzt, was der Verbraucher (angeblich) nachfragt. Heute Chardonnay, morgen Grauburgunder, übermorgen .....  dazu pfropft man inzwischen einfach die jeweils modisch angesagte Rebsorte  auf die vorhandene Unterlage um.

Verlierer sind jene regional angestammten Rebsorten, die wenig bis gar nicht mehr bekannt sind. Doch die Gegenbewegung läuft. Im handwerklichen, vor allem aber im engagiert regenerativen Weinbau setzen Winzerinnen und Winzer wieder zunehmend auf autochthone Rebsorten. Sie erweisen sich in Zeiten der Klimakrise als an ihre gewohnte Umgebung bestens adaptiert und mit ihrer genetischen Vielfalt helfen sie den Gen-Pool an Rebmaterial zum einen zu konservieren, zum anderen positiv zu erweitern. Biodiversität im Weinberg, von der Rebgeneitik bis zur gesamten Umgebung an Flora und Fauna, gilt als eine der wesentlichen Lösungen für die Herausforderungen der Klimakrise im internationalen Weinbau. 

Wir unterstützen diese Bemühungen als Mittler zwischen unseren Winzern und Ihnen, unseren Kunden, in dem wir permanent auf der Suche nach alten, vergessenen oder vom Aussterben bedrohten autochthonen Rebsorten sind, die wir gezielt sammeln, um sie ins Programm zu nehmen, wenn uns ihre Weine überzeugen.
® K&U