Lecinaro ist eine vermutlich sehr alte, lokal verwurzelte rote Rebsorte des Latiums. Wie so viele andere verschwand auch sie vom Markt, als der »Gambero Rosso« und Italiens Hochglanzweinszene in den 1990er Jahren den sogenannten »edlen«, global anerkannten Rebsorten mit nachdrücklicher Ignoranz den Weg bereiteten. Zum Glück widersetzten sich sture Bauern und Winzer in allen Weinbauregionen des Landes dieser katastrophalen Entwicklung, von deren Folgen sich Italien erst langsam zu erholen beginnt. Sie bauten ihre alten, angestammten Rebsorten unbeirrt weiter zumindest für den Eigenbedarf an. Auf diese Weise überlebten viele der alten Rebsorten in zum Teil nur noch wenigen letzten Rebstöcken. Immerhin.
So wurde auch Lecinaro erst 2010 wiederentdeckt. Zusammen mit den ebenfalls vom Aussterben bedrohten Sorten lokalen Capolongo, Maturano, Pampanaro und Rosciola wurde sie damals in das Projekt zur Bewahrung und Erforschung alter Rebsorten der »Regionalagentur für landwirtschaftliche Entwicklung und Innovation« im Latium aufgenommen, ampelographisch identifiziert und wieder zum Anbau empfohlen. Über die Rebsorte und ihre Geschichte ist so wenig bekannt, daß sie in Jancis Robinsons Standardwerk »Wine Grapes« nicht erwähnt wird. Noch immer wird sie nur vereinzelt auf wenigen Hektar Rebfläche rund um Frosinone im südöstlichen Latium angebaut. Dort sind es vor allem engagierte junge Winzer, die sich den archaischen Rebsorten ihrer Region verschrieben haben und Lecinaro sogar reinsortig keltern. Die meisten ihrer Reben wurden allerdings erst 2013/2014 gepflanzt. Sie sind also noch sehr jung und man ist noch dabei, die Charakteristka der Rebsorte in An- und Ausbau, sowie im Glas, zu erkunden.
Lecinaro reift spät aus, besitzt rotviolette Farbe, die nicht sehr intensiv ausfällt, seine frische Säure wirkt belebend und steckt in leichtgewichtig transparentem Körper. Im herben Duftprofil bezaubert Lecinaro mit sehr attraktiver, intensiver Aromatik, die an Rosenblätter und reife dunkle Beeren erinnert. Seine Gerbstoffe sind präsent, herb und dezent spröde, wirken aber zugleich zart und fruchtbetont in einem Mundgefühl voller Ausstrahlung und Persönlichkeit.