SoSein – Ein Restaurant ganz anders
  • Von Martin Koessler
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  • 16.10.2015
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  • 5 Kommentare
  • Unterwegs

Ein neues Restaurant bereichert die Nürnberger Gastro-Szene: SoSein. Der Name ist Programm. Es ist, wie es ist. Man muß klingeln um eingelassen zu werden. »Einlass« ist ab 19 Uhr, ab 20 Uhr beginnt das Menü zu laufen. Es gibt »nur« ein Menü. Als Weinkarte ein  iPad. Das Weinmenü ist präzise abgestimmt auf die Speisenfolge. Man kann ihr blind vertrauen, auch wenn sie Weine bereithält, die man freiwillig nicht wählen würde. Doch auch das ist Programm. Auch im Wein ist das SoSein wie es ist.

 

Hier das Menü zur Einstimmung:

Menüthema Oktober-Dezember 2015

vollreif & vergehen

Menü

Rehydrierte Rote Beete und Rosenessig

Frittierte Schwarte, roter Paprika

Hefeteig und schwarzer Knoblauch

Geräucherte Forelle, junger Wacholder

Kartoffeln und Butter aus Hanföl

Brot und Butter

Tomaten, Sonnenblumenkerne, Knoblauch

Saibling, Dashi, milchsaures Kürbiskraut

Entenhack, Weißkraut, Walnussjoghurt

Topinambur, Kopfsalat, frischer Verjus

Wollschwein, Pilze, Paste aus fermentierter Gerste, Zwiebeln und Senf

Schwarzer Reis

Zierquitte, Butterkaramell, Aromen von Hefe

Speisenfolge inkl. Wasser 115,- €

 

Das Sosein über sich selbst:

 

Wir sind eine Verneigung vor der Natur und ihren gustatorischen Schätzen. Der ganzheitliche Gedankenansatz macht die jahreszeitliche Auswahl der Zutaten zu einer unverrückbaren Selbstverständlichkeit. Alles darf sein – zu seiner Zeit – und nur dann. Die Wertschätzung ist oberstes Gebot und stillt den Hunger nach Tiefsinnigkeit. Alle Zutaten werden in Ihrem Wesen erkannt und so behandelt, dass diese sich bestmöglich entfalten und entwicklen können. Nur so ist größtmöglicher Geschmack und Qualität erzeugbar.

 

Die Küche
Die Küche von Küchenchef Felix Schneider ist feinsinnig. Präzise und analytisch wird die Zutat in ihre wesentlichen Elemente, meist bis in die Abstraktion zerlegt. Darin entdeckt er das Neue, das Wunderbare und Schöpferische. Wer genau hinschmeckt entdeckt nicht nur die Zutat, sondern die ganze Welt. Felix Schneider pflückt. Er sammelt, baut Teile des verwendeten Gemüses und seine Kräuter selbst an, kennt die Erzeuger und die Tiere, immer mit dem Blick auf die Seele des Wesens und damit auch auf Sie.

Die letzten Rosengewächse reifen in voller Pracht, bevor sie sich würdevoll verabschieden für dieses Jahr. Noch steht auf den Feldern das Sommergemüse, doch bald haben Wurzeln, Rüben und Kohl ihren Auftritt und bringen die nötige Erdung für die dunkleren Tage. Im Wald stehen die Pilze in der Blüte, es ist Jagd und Schlachtzeit.

 

Hehre Worte. Wir waren dort.

Wer das alte Fachwerkhaus von früher kennt, Fabian Feldmann hat sich dort vor Jahren einen Stern erkocht, staunt, wenn er das Restaurant betritt. Man hat es von Grund auf renoviert. Die beiden Gasträume sind schön geworden, gediegen ohne aufgesetzt zu wirken, neu und alt in gelungener Harmonie, man fühlt sich wohl. Der Service unaufdringlich und aufmerksam, die Atomsphäre fast familiär.

Die Skepsis ob des Einlasses gegen Klingeln und nach festen Zeiten verfliegt im Nu. Das Konzept ist stimmig. Dann kommen die kleinen Vorspeisen. Spartanisch in der Optik, konzentriert auf das wesentliche: den Geschmack und die Qualität der Zutaten. Wir verraten nichts, können aber sagen, daß wir begeistert waren. Die Küche hält, was Website und Selbsteinschätzung versprechen. Ein Restaurant das anders ist, weil man dort anders ißt, als aus fränkischen Fachwerk-Gefilden gewohnt. Gastronomie mit Konzept. Über Regionalität wird hier nicht geredet, sie wird praktiziert. Die verarbeiteten Gemüse sind von erlesener Qualität und stammen aus Eigenanbau. Fisch und Fleisch kommen sparsam zum Einsatz aber in einer Qualität und Präzision der Verarbeitung, daß man staunend genießt. Die Konsequenz seines Tuns erläutert Felix Schneider persönlich am Tisch, kompetent, präzise und erfreulich unprätentiös. Mehr wird nicht verraten. Hingehen, ausprobieren. Kein Platz für Schnellesser und Schäufelevernichter, aber der richtige Ort, um zur Ruhe zu kommen und sich auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren: Gut zu essen, gut zu trinken, und das bei einem guten Gespräch.

 


 

Erstaunlich schnell haben Presse und Gastro-Guides das Restaurant für sich entdeckt:

 

> Aktuell aus der SZ: http://www.sueddeutsche.de/stil/lokaltermin-sosein-1.2754945

Der kulinarische Reiseführer GUSTO: http://www.gusto-online.de/news/2015/11/27/gusto-2016-felix-schneider-ist-newcomer-des-jahres/

. . .und es wird noch mehr kommen. Glückwunsch!


 

Damit Sie eine Vorstellung bekommen von der puristischen Simplizität seiner Küche, hat uns Felix Schneider ein Rezept eines Ganges überlassen, das uns begeistert hat:

 

Rezept Tomaten / Sonnenblumenkerne/ Knoblauch

 

Grundgedanke ist die reine Produktqualität in den Fokus zu stellen, als Beginn des Gerichtes etwas roh mariniertes zu servieren und den Dreiklang Tomate, Olivenöl und Knoblauch lokal zu interpretieren. Außerdem setzen kleine microelemente von Kräutern mit unterschiedlichsten Aromen Akzente.

Wir verwenden für das Gericht Tomaten aus eigenem Anbau. Es sind meist alte Sorten die lange ausreifen und für uns in Konsistenz und Geschmack perfekt sind. Wir ernten sie alle zwei Tagen und unterbrechen den Reifeprozess bis zum servieren nicht, das heißt sie dürfen keinesfalls in einem Kühlschrank gelagert werden. Suchen Sie also die absolut besten Tomaten für dieses Rezept.

Für 6 Personen

3 perfekt gereifte Tomaten, interessant wird es besonders mit verschiedenen Sorten, welche unterschiedlichen Nuancen aufweisen.

300 Gramm Sonnenblumenkerne

1 Zehe Knoblauch

300 Gramm Frischmilch bester Qualität

30 Gramm Zucker

Meersalz fein

Kalt gepresstes Sonnenblumenkernöl bester Qualität

Frisch gemahlener mildscharfer süßer Paprika

Blätter, Triebe und Blüten zum garnieren. Wir verwenden ca 10-15 verschiedene Aromen wie zb schnittknoblauch und seine Blüten, Blüten des Ackersenf, Rapsblüten, Topinamburblüten, Borretsch und seine Blüte, waldsauerklee, peruanischer Klee, Ysop, ampfer, begonien, wilder Fenchel, meerfenchel, austernkraut, duftgeranie…

 

Die Tomaten auf etwa 26 Grad temperieren, in etwa walnussgroße Stücke schneiden. Gewürzt werden sie mit dem kalt gepressten Sonnenblumenkernöl und feinem Meersalz.

Alle Sonnenblumenkerne bei 160 Grad im Ofen rösten. Zucker in einer Pfanne karamellisieren, etwa 50 Gramm Kerne zugeben, salzen, Knoblauch fein einreiben, mit wenig Paprika würzen, mischen und dann auf einem kühlen Teller ausbreiten und auskühlen lassen. Die restlichen Kerne mit der Milch auf 50 Grad erhitzen, fein mixen und durch ein Tuch passieren. Mit etwas Sonnenblumenkernöl emulgieren. Die Flüssigkeit sollte eine rahmige Konsistenz haben. Mit etwas Paprika und Salz abschmecken.

Die Tomaten auf einem Teller anrichten, je ein Stück pro Sorte. Mit Kräutern und Kernen garnieren und etwa einem Esslöffel Sonnenblumenkernmilch servieren.

 


 

Dominik Altenkamp ist zusammen mit seinem Kollegen Yussuf für Wein und Service zuständig. Für die Weinkarte zeichnen wir verantwortlich. Wein und Speise zu kombinieren war und ist uns besondere Herausforderung. Wir haben uns hier für einen Wein entscheiden, den Sie von der Tankstelle kennen, aber kaum aus einem Restaurant dieser Güte: Soave. Filipe Filippo freilich löst den Knoten schnell auf mit einem reinen Garganega-Soave (siehe rechts oben unter Tipps), der für sich getrunken eher unscheinbar wirkt, kaum hat man aber die Tomaten vor sich und den ersten Bissen im Mund und probiert den Wein dazu, versteht man, warum die Italiener ihre Weine nur zum Essen trinken und was sich Koch, Service und Weinhändler hier gedacht haben. Perfekte Balance von Säure und Charakter, von Flavour und Struktur. Eine eindrucksvoll gelungene Kombination. Diesem Weinmenü können Sie sich getrost anvertrauen.

 

Die Küche von Felix Schneider macht jeden einzelnen Gang zu einem in sich abgeschlossenen Ereignis. Da wird der Wunsch nach einer Flasche Wein, die man sich aus der gut bestückten Weinkarte aussucht, ohne die Küche zu kennen, zum Vabanquespiel. Zur Not trinkt man »seine« Flasche, wenn man nicht ißt. Dann paßt der Wein auf jeden Fall. Wer unbedingt eine Flasche durchtrinken will, muß mit diesen Spielregeln leben. Wer genüsslich sicher gehen will, wählt das Weinmenü mit sieben flüssigen Ereignissen (inklusive einem Bier und einem Sake) zu 75.- Euro. Das Preisniveau ist also sportlich in diesem Haus. Die Gäste werden entscheiden, ob sich das Konzept des »SoSein« durchsetzt oder nicht.

 

Und nun viel Spaß beim eigenen SoSein-Erlebnis.

Kommentare
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5 Kommentare
Marion Gallin
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29.Nov.2015
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Nobelhart und schmutzig lässt grüßen. Hoffentlich ist Franken bereit für soviel Grossstadtflair...
Rolf Warneke
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20.Nov.2015
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Ein ähnliches Konzept hat The Table in Hamburg. Dort muss man zwar nicht klingeln, doch für jeweils 10 Gäste gibt es ab 19:00 Uhr bzw. 20:00 Uhr das gleiche Menü. Man sitzt an einem langen geschwungenen Tisch, an dem man ins Gespräch mit anderen Gästen und den Köchen kommen kann oder auch nicht (wenn man es nicht möchte). Incl. diverser kleiner Sonderhäppchen ca. 10 Gänge für € 180,-- Weinbegleitung € 90,--. So der Preis, als ich im August da war. Es war alles seinen Preis wert. Das Konzept fand ich sehr gut, und Essen und Getränke waren herausragend.
Stephan Eichinger
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21.Oct.2015
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Ein Like für die Meinung von Reinhard Fulde. Dekonstruierte Zutaten (nachdem keiner Ferran Adriá erreicht hat, ist das eigentlich weg vom Fenster), Blümchen hinterm Restaurant pflücken (die Scandic Welle wird doch auch schon als langweilig beschrieben) und dann Spielregeln (geht in die Richtung wie in den chique Restaurants in US Metropolen, wo man vorher Eintrittskarten kaufen und dann auch klingeln "darf") ??? Und das in Franken? Wir warten mal ab.
Ilse Kasperek
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16.Oct.2015
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da gehe ich auf jeden fall zeitnah hin, bin eh kundin bei k&u und schätze die guten weinempfehlungen zu gerichten. bin gespannt, ob das essen im sosein an das essen von herrn feldmann herankommt. ilse kasperek
Reinhard Fulde
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16.Oct.2015
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Donnerwetter, da ist aber jemand selbstbewusst: Nur ein einziges Menu 115€, Weinbegleitung 75€, d.h. für zwei Personen 380€+ Wasser, Kaffee etc. also über 400€ ohne Trinkgeld - da lege ich noch 50€ drauf und speise aufs Feinste (mit guten Weinen!) bei Haeberlin im Elsass (drei Sterne) und weiss, was ich bekomme... Aber man kann ja abenteuerlustig sein... Wäre nicht etwas Bescheidenheit gerade am Anfang angemessen??