Der besondere Reiz vulkanischer Böden
Uns faszinieren Weine von vulkanischen Böden. Weil diese die jüngsten Böden der Erde sein können. Aber nicht nur deshalb besitzen Weine von vulkanischen Böden besonderen Charakter, der sie von Weinen anderer Böden signifikant unterscheidet. Was macht ihren besonderen Reiz aus? Warum sind sie anders? Haben sie bei aller Diversität ihrer Böden gemeinsame aromatische oder strukturelle Eigenschaften?
Zur Klärung dieser Fragen haben wir fast alle Weinbauregionen in Europa und Übersee bereist, die sich vulkanisch beeinflußt nennen, mit Wissenschaftlern unterschiedlichster Fachrichtungen gesprochen, viel gelesen, viele Winzer befragt, viele Weine probiert.
Warum beschäftigen wir uns mit dem Thema Boden?
Weil unsere Branche von Mythen, Märchen und Illusionen lebt und nach außen hin so tut, als würde man Wein nur verstehen können, wenn man Listen von Rebsorten, Regionen und Jahrgängen herunterbeten kann. Das grenzt alle aus, die dieses nicht können und vielleicht auch gar nicht wollen. Zumal viele der Menschen, die sich dieses Wissen angeeignet haben, vom Wein an sich herzlich wenig Ahnung haben.
Wir möchten, daß Sie Wein über sachlich nachvollziehbare Kriterien für Qualität kennen und verstehen lernen, um ihn mit all Ihren Sinnen bewußt genießen zu können. Die allermeisten Menschen - auch Profis - beurteilen Wein oberflächlich geschmäcklerisch. Doch dieses »Schmeckt mir«, »Schmeckt mir nicht« führt nicht weiter, endet irgendwann im Wein-Frust. Wein verstehen zu lernen bedeutet, ihn mit Interesse am Geschmack und dessen faszinierenden Fähigkeiten, mit Aufmerksamkeit und Selbstkritik den eigenen Sinnen gegenüber, so bewußt wie möglich erleben zu können. Dazu muß man etwas mehr über seinen Anbau, seine Herkunft und seine Herstellung wissen.
Deshalb lebt unsere Homepage von Texten. Deshalb beschäftigen wir uns so intensiv mit dem Boden, weil wir ihn für das wichtigste stilbildende Kriterium im Wein halten (siehe auch hier). Wir sind davon überzeugt, daß Ihr Interesse am Wein erst richtig geweckt wird, wenn Sie selbst aktiv mehr in ihm erleben können. Mit anderen Worten: es geht darum, warum er so schmeckt wie er schmeckt.
Der Boden und sein Wein
Über »Terroir« wird viel geredet im Wein. Viele Etiketten schmücken sich mit Bodenformationen und Mineralien. Fakt ist, daß viele Winzer vom Boden sehr viel weniger Ahnung haben als engagierte Landwirte, die ihn jährlich neu aufbauen müssen, was sie aber nicht daran hindert, ihn permanent im Mund zu führen.
Die Bücher und Publikationen des Geologie-Professors Alex Maltman räumen mit vielen dieser Mythen und Märchen über den Einfluß des Bodens auf den Wein auf. Deshalb sind wir mit gesunder Skepsis auf Reisen gegangen, weil das Wort »vulkanisch« geologisch offensichtlich sehr weit gefasst ist und eher den Prozess beschreibt, durch den Gestein und Böden entstanden sind, als daß es Zusammensetzung, Alter oder Struktur definiert. In dieses Chaos an Halb- und Unwissen ein wenig Ordnung zu bringen, und vielleicht auch Ihr Interesse am großen Thema Boden zu wecken, das so existentiell ist für unsere Zukunft auf unserem Planeten, ist Ziel dieser Seite.
Eigenschaften
Abgesehen von den großen Kategorien granitisch oder basaltisch erweisen sich Böden, die sich aus oder auf vulkanischem Ausgangsmaterial gebildet haben, in ihrer anorganischen Zusammensetzung und damit in ihren biologischen, chemischen und physikalischen Eigenschaften als sehr vielfältig und unterschiedlich. Kaum einer ist wie der andere.
Je jünger das Material ist, desto weniger ist es verwittert. Es enthält dann hohe Gehalte an Primärmineralien. Wenn diese verwittern, entstehen nährstoffreiche, fruchtbare Böden.
Je älter das Material ist, um so stärker ist es verwittert und oft vermischt mit Tonen, Sand, Sedimentgestein etc. Die Nährstoffgehalte sind in solchen Böden niedriger, dafür oft die organische Masse höher, was Auswirkungen hat auf Wasserspeichervermögen, Durchlässigkeit, Wärmespeicherung etc.
Man scheint sich einig darin, daß Böden aus basischem Vulkan-Gestein - also Basalt - fruchtbarer weil nährstoffreicher sind als Böden aus saurem Vulkan-Gestein - also Granit. Sie enthalten grundsätzlich mehr Kalzium, Magnesium und Eisen und ihre aus der Verwitterung entstandenen Tone besitzen höhere Kationenaustauschkapazität, was den geschmacklichen Unterschied der Weine beider Bodenarten erklären könnte.
Bild: Vulkanlandschaft der Auvergne (© 2019 Auvergne Destination Volcans)
Boden & Wein
Das Wissen um den chemisch-physikalischen Zusammenhang zwischen vulkanischen Böden und bestimmten Weinmerkmalen ist mangelhaft. Fest steht, daß nur eine reibungslos natürlich ablaufende spontane Vergärung mittels »wilder« Umgebungs- oder Kellerhefe in der Lage ist, den Einfluß von Herkunft und Boden in den Wein zu transferieren. Vulkanischen Böden fehlt es je nach Alter und Art oft an organischer Masse, also an Humus, doch sie gelten als fruchtbar und nährstoffreich, weil sie reich an Eisen, Kalium, Schwefel oder Phosphor sind. Das sind im wesentlichen Salze, die man nach besagter spontaner Gärung auch im Wein nachweisen kann, wo sie die elektrochemische Leitfähigkeit im Mund zu erhöhen scheinen, weshalb diese Weine »mineralischer« als andere schmecken, sich im Mundgefühl also pikant würzig und fast salzig präsentieren. Mehr scheint an Wissenschaft zu dem Thema nicht verfügbar.
Folgende wiederkehrende Ähnlichkeiten stellen wir in Vulkanweinen fest:
Die Weißweine präsentieren sich aromatisch eher reif und gelb, als säuerlich grün. Auf der Zunge entwickeln sie gern rauchig steinige, gelegentlich fast an Räucherspeck erinnernde »herbstliche« Aromatik in einem (trotz meist niedriger pH-Werte) von milder Säure geprägten Mundgefühl. Es sind vermutlich die oft sehr niedrigen Erträge, die hier die Wirkung der Säure puffern. Straff ziehen diese Weine in kräuterwürziger Präzision an den Gaumen, cremig dicht wirkende Physis dominiert ihr Mundgefühl, und an den Zungenrändern entwickeln sie typisch salzig-mineralischen Griff.
Rotweine von vulkanischen Böden scheinen chemisch anders zu extrahieren. Ihre Farbausbeute wirkt oft intensiver, ihre Gerbstoffe auffallend kühl und feingliedrig in der Physis. Ihr meist dunkelwürziger Geschmack besitzt eine Farbtönung, die aromatisch ins blauschwarze tendiert, oft nach Speck, Rauch und schwarzen Oliven duftet, aber auch pfeffrige Würze freisetzen kann, die an frisch gespitzten Bleistift erinnert. Von wenigen Ausnahmen (Etna) abgesehen zeigen diese Rotweine eine basisch kühle, kraftvolle, aber seidig dicht agierende, mineralisch würzige Wirkung im Mundgefühl.
Morphologie & Mundgefühl
Jeder ehemalige Lavastrom unterscheidet sich in seiner mineralogischen Zusammensetzung, im Alter, in Höhe und Volumen des Niederschlags, damit auch in Art und Ausmaß späterer Verwitterung und damit in der entstandenen Morphologie der Böden, also ihrer räumlichen physikalischen Struktur.
Jeder eruptive Auswurf, der oft noch in vielen Kilometern Entfernung die Zusammensetzung und Schichtung von Böden verändern kann, unterscheidet sich in der Zusammensetzung seiner mineralischen Komponenten und, je nach Alter und Dicke der entstandenen Schicht, auch und vor allem in seiner räumlichen Struktur und Zusammensetzung. Das erklärt die enormen strukturellen Unterschiede vulkanischer Böden. Da ist keiner wie der andere.
Als für die darauf entstehenden Weine entscheidend scheint die Wissenschaft die Struktur dieser Böden, deren Morphologie, zu sehen. So weisen tatsächlich Weine von tiefgründigen Böden aus dem Asche-Auswurf einer Eruption ein gänzlich anderes Mundgefühl auf als Weine, die auf dem kargen Vulkangestein eines ehemaligen Lavastromes mit einer nur dünnen Schicht an Erdauflage entstehen.
Die Morphologie vulkanischer Böden scheint Stil, Charakter und Mundgefühl der darauf entstehenden Weine mehr zu beeinflussen, als deren mineralische Komposition. Schutt oder Schlacke, Schichtung mit Sediment oder granitisches Chaos, tiefgründige Asche oder eine nur dünne Ton- oder Erdauflage auf purem Gestein - die strukturelle Beschaffenheit des Bodens, die vom Grad der Verwitterung ebenso abhängt, wie von der Art des Untergesteins, der Nährstoffauswaschung und der anorganischen Zusammensetzung an Mineralien, scheint die Weine von vulkanischen Böden, so unterschiedlich sie auch sein mögen, entscheidend in Charakter, Duft, Geschmack und Mundgefühl zu prägen. Daß dabei auch deren Fähigkeit (oder Unfähigkeit) Feuchtigkeit und Nährstoffe zu speichern, zu transportieren und abzugeben, unter Trockenheit zu leider oder ihr widerstehen zu können, eine alles entscheidende Rolle spielt, hilft, den Unterschied zwischen vulkanischen und nichtvulkanischen Böden zu erklären.
Bild: Nächtlicher Ausbruch des Stromboli (K&U)