Ungarn


ist mehr als nur süßer Tokajer ...

Ca. 93.000 ha Rebfläche

22 anerkannte Weinbaugebiete

Trockenes Kontinentalklima

Vielfältige Böden von Löss bis vulkanischem Rhyolith






Bild oben: Blick auf den Öreg Király, den historischen Königs-Weinberg, die renommierteste Steillage Tokajs

Große Vergangenheit. Vielversprechende Zukunft. Eine Entdeckung

Täglich bekommen wir Zuschriften von Weingütern aus aller Welt, die auf der Suche nach Händlern und Importeuren sind. Doch der Markt ist voll und die Nachfrage nach Neuem und Unbekanntem hierzulande eher verhalten. Wir aber sind grundsätzlich offen und so empfingen wir eine junge Sommelière aus Ungarn, die uns gebeten hatte, ihr Portfolio ungarischer Weine vorstellen zu können. Was für eine Überraschung! Wir hatten vom aktuellen Geschehen in Ungarn keine Ahnung und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus: Was uns die junge Frau höchst kompetent präsentierte, war in Auswahl und Qualität der Weine derart überzeugend, daß wir spontan beschlossen, mit ihr gemeinsam Ungarns neue Winzergeneration zu besuchen. Gesagt, getan. Aus der spektakulären Tour quer durch das Land brachten wir ein unerwartet breites Portfolio sensationeller Terroir-Weine von Winzerinnen und Winzern mit, deren profundes Fachwissen eine weit über den eigenen Tellerrand reichende Kompetenz offenbarte, die wir so nicht erwartet hatten (und die wir uns auch hierzulande wünschen würden), und deren Naturverbundenheit und Wagemut uns in Anbetracht der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Lande so berührten und begeisterten, daß wir ihre Weine seitdem mit großer Leidenschaft vertreiben.

Ungarns Weinbau blickt auf eine große Vergangenheit zurück

Schon in der Antike, als das später von den Magyaren besiedelte Ungarn noch Teil des römischen Reiches war, wurde hier in vielen Teilen des Landes Wein angebaut. Im Mittelalter wurden bereits Weine aus Sopron und Eger exportiert. Selbst nach der Eroberung weiter Landesteile durch die Osmanen im 16. Jahrhundert, die das christliche Leben aus der Öffentlichkeit Ungarns weitgehend verdrängten und dem Land durch den Bau vieler Moscheen eine muslimische Prägung verliehen, wurde der Weinbau dort weiter betrieben, weil er auch für den Sultan von Konstantinopel eine wichtige Geldquelle war. Als danach die Habsburger die Herrschaft übernahmen, gingen die islamischen Einflüsse verloren, für den Weinbau aber begann eine Blütezeit, die durch die Reblaus-Epidemie dann aber ein jähes Ende fand.

Seitdem prägen vor allem die berühmten Süßweine aus Tokaj die Vorstellungen von ungarischem Wein
Tatsächlich war Tokajer nach den künstlich gesüßten Weinen der Antike der erste echte große Süßwein der Weingeschichte. Im 13. Jahrhundert wird der Weinbau in Tokaj erstmals schriftlich erwähnt, im 15. Jahrhundert erstmals über die Weinherstellung dort berichtet. Im Jahr 1571 wird zum ersten Mal ein edelsüßer Aszú-Wein urkundlich erwähnt, wobei bis heute nicht geklärt ist, wie es zur Entdeckung der Edelfäule und ihres Einflusses auf den Wein kam. Immerhin gibt es im Jahr 1630 eine erste Beschreibung der Herstellung eines Aszú

Bis zur Reblauskatastrophe Ende des 19. Jahrhunderts trinken die Reichen und Schönen der Welt dann edelsüßen Tokajer. Er wird weltweit exportiert und genießt als »König der Weine und Wein der Könige« weltweites Renommee. Die besten Weinberge Tokajs zählten damals zu den wertvollsten Besitzungen in Ungarn. Sie waren weitgehend im Besitz des Adels und wurden 1730 in der weltweit ersten Klassifikation von Weinlagen entsprechend einer dreistufigen Qualitätshierarchie bewertet. So sorgten die Weine aus Tokaj im 18. und 19. Jahrhundert für mächtigen Wohlstand in der heute ärmsten Weinbauregion Ungarns.

Mit der Reblaus-Epidemie Ende des 19. Jahrhunderts kam der Weinbau auch in Tokaj fast zum Erliegen. Es folgte eine Krise nach der anderen, während derer man sogar den Weinbau zugunsten des damals ertragreicheren Obstbaus aufgeben wollte. Während der 40jährigen kommunistischen Herrschaft (1948 – 1988) wurde der ungarische Weinbau schließlich rücksichtslos mechanisiert und industrialisiert. 

Jene Rebflächen, die mechanisierbar waren, wurden in ganz Ungarn enteignet und auf Massenproduktion umgestellt. Nur Lagen und Steilhänge, die mit Maschinen nicht zu bewirtschaften waren, blieben vom russischen Kahlschlag verschont. Es sind diese Lagen, auf denen heute die besten Weine des Landes entstehen. 

Weil auch in der kommunistischen Ära süße Tokajer wichtige Devisenbringer waren, forcierte der Staat ihre Produktion. Ihre Qualität war entsprechend dürftig, doch noch heute bestimmen sie die Vorstellungen vieler Menschen vom ungarischen Wein: Billig und süß.

Seit 2010 dominieren unter Orbans Herrschaft staatliche Weingüter das Angebot ungarischer Weine auf den Exportmärkten. Sie gehören über verschachtelte Eigentums-Konstrukte meist ihm, so manchen dieser Betriebe ließ er über seine Schergen zwangsverstaatlichen. Ein paar spanische Weingüter und französische Luxuskonzerne haben sich in Tokaj eingekauft und versuchen den einstigen großen Ruf der Region zu mehren, doch können auch ihre Weine kaum mit den Spitzenweinen aus privater ungarischer Produktion mithalten.

Trotz großer Vergangenheit startet Ungarns Wein also (fast) wieder bei Null. Die wenigen Weingüter, die heute auf internationalem Niveau mitspielen können, sind Neugründungen aus den Jahren nach 1990. Ihre Weine stammen fast ausschließlich von jenen historischen Spitzenlagen, die von der russischen Mechanisierung verschont blieben. Sie sind oft nur wenige Hektar klein, doch prophezeien wir genau ihnen eine vielversprechende Zukunft in der Nische des handwerklichen Weines.

Zehn exemplarische Weinempfehlungen Ungarns neuer Winzergeneration:

2021 Tokaj »Rány« Furmint Sanzon Tokaj

Inhalt: 0.75 l (29,20 €* / 1 l)

21,90 €*

Inhalt: 0.75 l (23,93 €* / 1 l)

17,95 €*

Inhalt: 0.75 l (38,53 €* / 1 l)

28,90 €*

Inhalt: 0.75 l (19,73 €* / 1 l)

14,80 €*
2018 Kekfrankos (Blaufränkisch) Wassmann Winery

Inhalt: 0.75 l (29,33 €* / 1 l)

22,00 €*
2022 Csókaszőlő (rot) Bussay Winery

Inhalt: 0.75 l (25,20 €* / 1 l)

18,90 €*
2022 Keknyelü Valibor

Inhalt: 0.75 l (24,00 €* / 1 l)

18,00 €*
2022 »Juhfark« Estate Somloi Vandor

Inhalt: 0.75 l (22,53 €* / 1 l)

16,90 €*

Ungarns Weinbauregionen: 

1 Sopron | 2 Nagy-Somló | 3 Zala | 4 Balaton-Hochland | 5 Badacsony | 6 Balaton-Csopak | 7 Balatonboglár | 8 Pannonhalma | 9 Mór | 10 Etyek-Buda 11 Ászár-Neszmély | 12 Tolna | 13 Szekszárd | 14 Pécs | 15 Villány | 16 Hajós-Baja | 17 Kunság | 18 Csongrád | 19 Mátra (Mátrai | 20 Eger | 21 Bükk | 22 Tokaj-Hegyalja  |                                                                                         

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Was uns begeistert

Ungarn ist ein noch junges, unerfahrenes Weinland. Folglich dominiert pflegeleichter Kommerz den boomenden Markt im eigenen Land. Möglichst »fruchtig« müssen die Weißweine sein, weshalb Sauvignon Blanc angesagt ist, dick, fett, säurearm und weich müssen die Rotweine schmecken, weshalb Cabernet und Merlot die Renner sind. Die übliche »moderne« Monokultur.

Dagegen haben es unsere ungarischen Winzer auf dem eigenen Markt schwer. Ihre Weine entstehen aus historisch angestammten, autochthonen Rebsorten, sind mutig unbeleckt vom »Fortschritt« der Weinbereitung, agieren frei von zeitgeistigen Stilvorgaben. Unberührt von stilistischen Klischees machen sie die Morphologie ihrer vielfältigen Böden schmeckbar und interpretieren ihre vermeintlich minderwertigen Rebsorten auf höchst anspruchsvollem Niveau. Die selbstbewußte Freiheit im Denken unserer ungarischen Winzerinnen und Winzer, ihre Absage an Trends und Moden, an hohe Erträge und teure Kellertechnik, ihr bewußtes praktizieren lokaler Traditionen (wie bei Szent Donat links im Bild mit historischer Einzelstockerziehung in Dichtpflanzung) und ihr Weitblick, die regenerative Bewirtschaftung als Voraussetzung ihrer Vorstellung von Qualität zu sehen, sind so wegweisend wie überzeugend. Sie sind damit ihrer Zeit weit voraus.

Was uns erstaunt

Der ungarische Wein ist stolz auf seine lange Geschichte und seine großen Traditionen. Doch außerhalb Ungarns kräht danach kein Hahn.

Den Weg weist einmal mehr Tokaj, zeigt man sich dort doch bereit, Jahrhunderte alte Traditionen zugunsten marktgerechterer Nomenklatur infrage zu stellen. So hat man kürzlich das einst so berühmte System der Bütten, der Puttonyos, im weltberühmten edelsüßen Tokajer abgeschafft, setzt dafür auf die edelsüße Spitze, den Aszú, hat dem Szamorodni, der bisher nur in Ungarn Bedeutung hatte, neues Qualitätsprofil verliehen und mit dem »Late Harvest«, der Spätlese, eine bislang nicht existierende Kategorie an Süßwein neu geschaffen. So will man der weltweiten Süßwein-Krise begegnen, die allen Süßweinregionen der Welt zu schaffen macht. Man gibt dort also eine über Generationen gewachsene Tradition, die für Tokaj stand wie keine andere, auf, ohne die Qualitätskriterien aufzuweichen, um dem Markt, der nicht mehr bereit ist, sich mit lokalen Traditionen zu beschäftigen, den Zugang zu den Weinen zu erleichtern. Daß man dies offen und mit allen Zweifeln und Fragen unter Winzern und Verbänden diskutiert, um es der Öffentlichkeit dann auch so offen zu kommunizieren, erstaunt uns und nötigt uns Respekt ab.

Rechts im Bild edelfaule, rosinierte Furmint-Beeren, die für einen Aszú einzeln von Hand ausgelesen werden müssen.

Was uns zu denken gibt - über Ungarn hinaus

Unter allen Süßweinen der Welt, ist Tokaj einmalig. Große edelsüße Chenin Blanc von der Loire oder auch ein paar edelsüße deutsche Rieslinge mögen auf ähnlichem Niveau spielen. Doch diese magische Harmonie von Süße und Säure, von Potenz und Leichtigkeit, von Frische und Dichte im Mundgefühl schafft kein anderer Süßwein so überzeugend, so eigenständig, so umwerfend ausbalanciert, wie großer edelsüßer Furmint aus Tokaj. Ein Szamorodni oder ein großer Aszú gehören zum Feinsten, was Süße im Wein als Wunder der Natur hervorbringen kann. 

Dieser großen Kunst der Süße im Wein droht nun ausgerechnet in Tokaj unbekannte Veränderung durch die Klimakrise. Dort gären und reifen die großen Süßweine seit Jahrhunderten in uralten, tief unter der Erde liegenden Kellern, wie man sie links im Bild sieht. Tokaj ist berühmt für seine Keller. Doch auch dort trocknen die Böden großflächig aus, der Grundwasserspiegel sinkt und so steigen selbst in diesen Kellern allmählich die Temperaturen. Es sind nur 1-2 Grad bisher, die aber führen bereits zu einer bakteriellen Verseuchung der Kelleratmosphäre, wie neueste wissenschaftliche Untersuchungen ergaben. Es sind komplexe Konsequenzen, die die Klimakrise verursacht. An Pilze, Viren und Bakterien denkt man dabei nicht. Doch genau sie sind es, die noch große Probleme verursachen werden. Offensichtlich reichen schon winzige Temperaturunterschiede, um sie zu aktivieren. Im Fall von Tokaj kann man diese Veränderung in den Bakterienkulturen der Kelleratmosphäre, aber bereits auch im Wein messen. Die Konsequenz: Man räumt die Keller, baut dauergekühlte isolierte Gebäude, um die Weine in kontrollierter Atmosphäre ausbauen und reifen zu können. Welchen Einfluß dieses aus CO2-Bilanz-Sicht völlig unsinnige Vorgehen auf die Weine haben wird, ist noch nicht abzusehen. Aber man spricht offen darüber und kommuniziert es, um auf die Problematik aufmerksam zu machen - und macht so praktisch begreifbar, welch komplexe Konsequenzen unser unseliges Tun hat.  

Unsere ungarischen Winzerinnen und Winzer

Nur im persönlichen Kontakt kann eine vertrauensvolle Beziehung entstehen. Deshalb ist uns der Mensch hinter dem Etikett so wichtig, wie die Qualität des Weines in der Flasche, die stets ein Spiegelbild jener Menschen ist, die ihn produzieren. Dazu besuchen wir die Weinberge und schauen uns deren Böden an. Wir gehen aber auch in die Keller, denn deren Technik kann Stil und Charakter der Weine entscheidend prägen. Deshalb überzeugen wir uns in ausführlichen Gesprächen von Ambitionen und Engagement unserer Winzerinnen und Winzer und in Verkostungen von deren Kompetenz und Qualitätsanspruch. Da nachhaltig regenerative Bewirtschaftung Voraussetzung ist, um in unser Programm aufgenommen zu werden, sind alle unseren ungarischen Weingüter biologisch oder biodynamisch zertifiziert bzw. in entsprechender Umstellung. 

Die Weine sind zum Teil gerade erst eingetroffen. Wir ergänzen Winzerprofile und Weinbeschreibungen umgehend!

Filep | Tokaj

Gergö Filep, hier mit seinem Vater,  einem bekannten Geologen, ist ein selten kompromißloser Winzer, wir kennen nicht viele, die in Sachen Weinchemie ähnlich kompetent sind. Er versucht sie schon im Weinberg so zu beeinflussen, daß er seine Weine so nackig und direkt wie möglich als echte Naturweine auf Flasche bringen kann. Dazu verzichtet er im Keller auf Zusatzstoffe und »Korrekturen« (außer einer minimalen Schwefelung bei der Abfüllung) für faszinierend charaktervolle Weiß- und Rotweine, die entweder spontan berühren, oder prompten Widerspruch ernten. Unsere persönliche Referenz für das, was wir als Naturwein bezeichnen würden - Wein, wie er immer sein sollte. Ein rarer Glücksfall.