Der Boden und sein Einfluss auf den Wein



Ein komplexes und »unbequemes« Thema, das aber wichtige Einblicke liefert
in die Zukunft von Mensch, Landwirtschaft und Weinbau


Unser Bild oben zeigt die zwei Welten, die sich im Wein gegenüberstehen: 
Links regenerative, rechts konventionelle Bewirtschaftung  


Dabei wird der Blick automatisch auf den Boden gelenkt. Links ist er gezielt dauerbegrünt, rechts liegt er offen und ist »sauber« rausgespritzt - so nennen es die Winzer allen Ernstes! Der Unterschied ist grundsätzlich, stehen sich hier doch nicht nur zwei diametral entgegengesetzte Auffassungen von Natur gegenüber, sondern auch vom eigenen Beruf. Links wird mit der Natur gedacht und gearbeitet, rechts herrscht offener Krieg gegen sie, ohne die tiefgehenden und philosophischen Fragen, denen man sich links über die eigene Arbeit immer wieder stellt und stellen muß, denn die Natur kommt immer wieder mit neuen Herausforderungen.

Im Weinhandel finden diese Unterschiede keine Aufmerksamkeit. Sie werden nicht kommuniziert. Dafür wird »Bio« als ideologische Sichtweise auf die Natur dargestellt, von konventionellen Winzern oft das definitiv falsche Kupferargument vorgebracht, was sie angeblich daran hindert, sich mit »Bio« überhaupt zu beschäftigen, das eigentliche Thema aber, nämlich der massive Einfluß des Bodens auf den Wein, wird nicht thematisiert.

Wir finden es bedenklich, daß die Weinwelt heute ihr ganzes Dasein noch immer nur auf oberflächlich geschmäcklerischen, sich mit dem Zeitgeist immer wieder ändernden, weitgehend unreflektiert angewandten Beurteilungskriterien begründet. Weinbeschreibungen sind meist Fluten von Adjektiven, die sich in nicht nachvollziehbaren Aromen und angeblichen Geschmäckern ergehen. Harte Qualitäts-Kriterien für die Arbeit draußen im Weinberg oder im Keller gäbe es, sie aber sind aus Mangel an Kompetenz nicht existent. 
Deshalb konnte sich in den letzten dreißig Jahren eine Wissenschaft etablieren, die zuverlässig dafür sorgt, daß dieser Teil der Weinwelt Weine produzieren kann, die so schmecken, wie sie es auf allen Ebenen des Marktes erwartet, damit sie sich möglichst einfach und schnell verkaufen. Und das vom Billigwein aus dem SB-Regal bis zum Spitzentropfen für viele hundert Euro. Die moderne Önologie kann selbst aus hygienisch katastrophalen, mit der Maschine geernteten, mit Spritzmitteln kontaminierten Trauben von totgespritzten offenen Böden Weine produzieren, die so »gut« schmecken, daß sie die geschmäcklerischen Kriterien dieses Marktes erfüllen. 
So wurden auf der Basis neurologischer und psychologischer Erkenntnisse jene Geschmacks-Klischees entwickelt, die einer jeweils spezifischen Kundschaft über die ganze Bandbreite des Angebotes hinweg, von ganz unten bis ganz oben, so auf den Schnabel zugeschnitten sind, daß sich ihre entsprechenden Weine ohne Erklärung, ohne Zusammenhang zwischen An- und Ausbau, ohne Wissen über Herkunft oder Produktionsphilosophie, zuverlässig verkaufen. 

Längst ist auch die Ausbildung der Winzer, zumindest in Deutschland, genau darauf ausgerichtet (siehe die aktuelle Önologievorlesung der Uni Geisenheim). Die Kehrseite der Medaille ist, daß diese Wein-Klischees so banal und uniform sind, daß sie den Weinmarkt über alle kulturellen Geschmacksgrenzen hinweg global dominieren und prägen. Immer mehr Menschen kennen deshalb keine anderen Weine als diese und nehmen sie als Maßstab für ihre Weinerfahrung. Daß bei diesen Weintrinkern und Weintrinkerinnen dann ein natürlich »echt« produzierter Wein mit seiner authentischen Imperfektion des Handwerks kaum eine Chance hat, weil er deren banalen Geschmacksklischees nicht entspricht, macht nachdenklich für die Zukunft des guten Weines.
 
Zum Glück entstand Mitte der 2000er Jahre als Gegenbewegung die sogenannte Naturweinbewegung. Sie war und ist der für uns wichtigste Einfluß auf den Wein von morgen. Zwar ringt sie nach eigenen Angaben noch immer um eine Definition des Begriffs »Naturwein«, den wir für unglücklich halten, weil es im Wein nicht um Natur, sondern um die Kultur ihres Verständnisses geht, nach unserer Definition aber widersetzen sich die seriösen Winzer der Naturweinbewegung bewußt und mit viel Grips und Können ganz banal der oben beschriebenen Industrialisierung und Infantilisierung des Weines durch die geschmacksverändernden Zusatzstoffe der modernen Önologie.

Die Naturweinbewegung wird sich in den kommenden Jahren spalten und dadurch entscheidend profilieren und etablieren. Während ein Teil des Naturweinhandels und seiner Winzer zum zeitgeistig trendigen Instagram-Phänomen ohne weiteren Anspruch mutiert, stehen die engagierten Winzer der Bewegung für den radikalen geschmacklichen, stilistischen und philosophischen Unterschied zwischen »natürlichem« und konventionellem Weinbau. Sie entlarven die moderne Önologie als geschmackliche Reparaturabteilung der Agrochemie im Weinberg und rücken bewußt und zunehmend schmeckbar den Boden als das alles entscheidende Kriterium für maximal natürliche Weinqualität in den Fokus. Die Zusammenhänge sind komplex, aber es lohnt sich, sich damit zu beschäftigen, denn der Boden wird für uns Menschen das große Thema der Zukunft sein, von seinem unbestrittenen Einfluß auf unsere Gesundheit bis zu seinem Einfluß auf Wetter und Klima.

In der Landwirtschaft der EU werden jährlich enorme Mengen an organischer Chemie ausgebracht. Genaue Daten erfaßt die EU unerklärlicher Weise nicht. 

Der größte Anteil sind Fungizide, also Mittel gegen Pilze, und Herbizide, die gegen Beikräuter eingesetzt werden (die viele noch immer »Unkraut« nennen). Auf diese beiden Pestizide entfallen über 80 Prozent der verkauften Menge. Der Rest sind Insektizide, mit denen man tierische »Schädlinge« in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien bekämpft.

In vielen Ländern der EU ist der Pestizidabsatz in den vergangenen 15 Jahren mehr oder weniger konstant geblieben, bei allerdings kontinuierlich abnehmender Bewirtschaftungsfläche, was zunehmenden Einsatz pro Fläche bedeutet. Dabei sind Herbizide die am meisten ausgebrachten Mittel. Nahezu jeder konventionell wirtschaftende Betrieb in Landwirtschaft und Weinbau setzt sie ein. Das bekannteste Herbizid ist Glyphosat (Round Up).

Im Obst- und Zierpflanzenanbau werden dagegen vorwiegend Fungizide angewandt; in diesen Kulturen kann eine Fläche mehr als 30-mal pro Jahr gespritzt werden (Vorsicht bei Äpfeln aus konventionellem Anbau, siehe die aktuelle Diskussion um Äpfel aus Südtirol).
Die Auswirkungen dieses - weitgehend unkontrollierten! - Pestizideinsatzes in der konventionellen Landwirtschaft verursachen enorme Kosten, die auf die Allgemeinheit abgewälzt werden: 
Rückstände in Lebensmitteln müssen laufend überwacht, Grundwasser aufwendig kontrolliert und gereinigt werden, um es trinkbar zu machen; auf Äckern, landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen und in Gewässern mit hohen Pestizidkonzentrationen verschwinden Flora und Fauna nachhaltig mit teilweise dramatischen Folgen; der flächendeckende Einsatz von Herbiziden lässt zwar nach und nach das »Unkraut« verschwinden, fördert dafür aber die Resistenz bestimmter Pflanzen, deren Aufkommen kaum noch zu beherrschen ist; wichtige Lebensräume und Nahrungsquellen für Insekten und Vögel verschwinden, wodurch die biologische Kontrolle von Schädlingen durch Nützlinge immer mehr in Gefahr gerät.

Die EU versucht immer wieder die Verwendung von Insektiziden wie z. B. den berüchtigten Neonicotinoiden einzuschränken, weil sie im Verdacht stehen, Bienen zu schädigen und verantwortlich gemacht werden dafür, dass weltweit ganze Insektenpopulationen zusammengebrochen sind. Doch vor der Lobbymacht der Pharmaindustrie und der Bauernverbände knickt die Politik immer wieder ein und beschert ihnen ein ums andere Mal langjährige Ausnahmegenehmigungen z. B. für den Zuckerrübenanbau, der noch immer Neonicotinoide verwenden darf. 
Im vergangenen Jahrzehnt wurden laut der Verbraucherorganisation Foodwatch fast 30 Prozent der in der EU zugelassenen Pestizide in der Anwendung verlängert, ohne daß die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine neue Sicherheitsbewertung vorgenommen hätte. Das EU-Pestizid-Zulassungssystem hat so viele Schwachstellen, dass eine Reform dringend notwendig ist.

Ganz aktuell hat die EU-Kommission große Pläne: 

Sie möchte den Pflanzenschutzmitteleinsatz in der EU bis 2030 um 50 Prozent reduzieren. Dazu strebte sie ursprünglich ein weitgehendes Verbot der Anwendung in so genannten »empfindlichen Gebieten« an, neben öffentlichen Gärten, Parks und Wegen, Spielplätzen, Freizeit- oder Sportstätten also auch in »ökologisch empfindlichen Gebieten«. Dieses Vorhaben ist durch massiven Lobbydruck seitens Winzern und Bauernverbänden vom Tisch. 
Nun geht nach Meinung der Lobbyverbände eine »neue Bedrohung von einem weiteren fundamentalen Ziel des europäischen Green Deals aus: dem »Nature Restoration Law«, dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur in der EU. Den entsprechenden Entwurf hierfür hat die EU-Kommission im Juni letzten Jahres vorgelegt. Dieses Gesetz stelle aber »eine viel, viel größere Gefahr« für die Branche dar, meinen die sich zynisch »konservativ« nennenden Lobbyvertreter, denn es werde im Umweltausschuss debattiert und dort habe die Landwirtschaft eine kleinere Lobby. Für die meisten Vertreter dort stehe der Umweltschutz an vorderster Stelle, der aber »die landwirtschaftlichen Folgen nicht auf dem Schirm habe«. 
Auch hier werde nämlich nunmehr vorgeschlagen, in den sensiblen Gebieten zwar Pflanzenschutz, und damit flächendeckenden Weinbau, zuzulassen – aber nur biologisch zertifiziert. Damit drohe aber dem konventionellen Weinbau das Aus. Deshalb müsse, so die Lobbyvertreter, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf ein notwendiges Maß reduziert werden, aber nicht durch Verbote, sondern mittels innovativer technologischer Lösungen, also etwa digital gesteuertes, punktgenaues Ausbringen der Mittel.

Und so kämpfen Landwirtschaft und Weinbau von des Gedankens Blässe unberührt weiter für eine »moderne« Pestizid-Wirtschaft auf riesigen Monokulturflächen, die enorme ökologische Schäden verursacht:
Ihre Böden verarmen an Nährstoffen. Dadurch wird deren Struktur chemisch, biologisch und physikalisch zerstört, es muß gedüngt werden, wodurch das Bodenleben weiter zerstört wird. Es kommt zu vielfältigen Erosionserscheinungen, weil die Böden zunehmend an Wasserspeichervermögen verlieren. Es findet keine Verdunstung mehr statt, mit entsprechenden Auswirkungen auf Wetter und Kleinklima. Weltweit kämpfen konventionelle Landwirtschaft und Weinbau mit Viren-, Pilz- und anderem Krankheitsbefall, mit Nematoden und Mycotoxinen (krebserregendem Schimmelpilzbefall), vom Getreide bis zum Wein. Viele Pflanzen entwickeln Resistenzen, deren Management für konventionell wirtschaftende Landwirte bereits aufwendiger geworden ist, als der Spritzmitteleinsatz an sich.

Doch EU und Politik dulden weiter die zerstörerischen Monokulturen, subventionieren weiter nach bewirtschafteter Fläche, bevorzugen weiter die Großen zu Lasten der Kleinen - und so geht es immer und überall weiter. Auch mit den Grünen in der Regierung.....

Ausnahmen, Übergangsfristen etc. entlasten Bauern und Winzer von Verantwortung und Handeln, vom Nachdenken über die eigene Zukunft ganz zu schweigen. Die Funktionäre der Bauernverbände und die mit ihnen direkt verbundenen Lobbys der globalen Agrarchemie sind mächtig und ihre Verquickung mit der Politik so unsäglich wie undurchsichtig und wirkungsvoll.

Längst lassen sich die Pestizide der Landwirtschaft nicht nur überall in unserer Nahrungskette nachweisen, sondern auch in unseren Haaren und unserem Urin. Doch der Agrarpolitik der EU fehlen bislang die Instrumente, um den Einsatz der Pestizide in der Landwirtschaft zu verringern. Zwar müssen Betriebe mit über 15 Hektar Ackerfläche seit 2015 fünf Prozent ihrer Fläche als »ökologische Vorrangflächen« behandeln, auf denen der Einsatz von Pestiziden seit Januar 2018 verboten ist, doch die meisten Landwirte melden dann eben Felder für den Anbau stickstoffbindender Pflanzen oder von Zwischenfrüchten sowie brachliegende Flächen an, womit auch diese Regelung wirkungslos verpufft.

Der unkontrollierte und übermässige Pestizideinsatz wird erst sinken, wenn landwirtschaftliche Betriebe ihre Anbausysteme umstellen. Die Forderung der EU-Agrarpolitik nach biologisch zertifiziertem Anbau in entsprechenden Zonen und Schutzgebieten macht deshalb unbedingt Sinn, wir können sie nur vehement unterstützen. 

Wenn weniger Herbizide ins Wasser gelangen sollen, steht neben dem Maisanbau vor allem der Weinbau als Hauptverursacher im Fokus. Dann müßten auf den Monokulturflächen des Weinbaus ab einer bestimmten Größe geeignete Hecken, Sträucher und Bäume gepflanzt werden, um über Mykorrhiza-Pilznetzwerke besseres Wasserspeichervermögen zu erzielen, die Biodiversität zu erhöhen, für Frost- und Windschutz zu sorgen und Lebensraum für »renaturierte« Insektenpopulationen und z. B. Fledermäusen als natürlichem Insketizid zu schaffen. Dann würden Winzer erkennen, daß durch entsprechende Biodiversität der Pflanzenschutz zunehmend obsolet wird.

Wenn man dies auf nur 50 Prozent der bewirtschafteten Fläche hierzulande erreichen würde, wäre das ein enormer Fortschritt. Doch die Zeichen stehen schlecht. Die angeblich so »konservative« Landwirtschafts-Politik erweist sich seit 50 Jahren als zynisch zerstörerisch und scheint nicht bereit, Stellung gegen die Agrarchemie zu beziehen. 

Wein als Kommunikationsmittel

Mit Zwiebeln oder Kartoffeln kann man kaum Interesse für eine bessere Landwirtschaft wecken. Wein aber haben viele Menschen auf dem Tisch oder im Glas. Sie wissen nur meist herzlich wenig über ihn. Deshalb haben wir als Weinhändler beschlossen, politisch tätig zu werden, nicht parteipolitisch, sondern als Fürsprecher einer Landwirtschaft und eines Weinbaus, die sich für die Natur engagieren, statt sie permanent zu bekämpfen. 

Deshalb versuchen wir, Sie über die Problematik der Bodenzerstörung und permanenten Bodenvernichtung, die uns alle unmittelbar betrifft und noch ganz hart treffen wird, zu informieren und ihr Interesse an der so wichtigen Funktion des Bodens für unsere Gesundheit, unser Klima und unseren »Wohlstand«, den wir grundsätzlich anders definieren als Politik und Wirtschaft, zu wecken.

Fungizide, wie sie im Obst- und im Weinbau in riesigen Mengen Anwendung finden, töten das, was sie sollen: die Schadpilze der Monokultur. Sie sind aber auch tödlich für unzählig viele nützliche Pilze und Bakterien auf Blättern, Obst und Trauben, vor allem aber, für uns unsichtbar, im Mikrobiom des Bodens.

Jede einzelne Pflanzenschutzspritzung gefährdet die fragile Balance zwischen Pflanzen und Mikroorganismen im Boden. Und so wird tatsächlich durch das Ausbringen von Pilzmitteln genau das Gegenteil erreicht, was der Beipackzettel verspricht: Die natürliche Widerstandskraft der Reben wird beeinträchtigt. Jahrzehntelange Untersuchungen ergaben, daß landwirtschaftlich genutzte Flächen, auf denen die identische Pflanzenart flächendeckend in Monokultur angebaut wird, paradiesische Voraussetzungen für Schadbefall liefert.
Die Natur kennt keine »Schädlinge«. Sie werden erst dazu, wenn die natürliche Diversität der Natur außer Balance gerät. Dann können aus »Nützlingen« »Schädlinge« werden, die man dann mit synthetischen »Pflanzenschutz«-Mitteln zu bekämpfen versucht. Dabei werden mögliche Nebenwirkungen meist unterschätzt, weil ihre Wirkung auf die Nutzpflanzen »in vitro«, also getrennt von ihrer natürlichen Umgebung, entwickelt wurde. Das natürliche Ökosystem ihrer Umgebung ist viel zu komplex, um es berücksichtigen zu können. 

Damit Pflanzen im Boden wachsen, damit Samen und Saaten anwachsen und aufgehen können, braucht es die Mitwirkung von Myriaden verschiedenster Arten von Bodenorganismen. Weil diese mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, spricht man von der »hidden half of nature«, dem Mikrobiom des Bodens.

Dieses Mikrobiom regelt die Mikrobiologie des Bodens, seine Mikrochemie und damit auch seine Morphologie, also seine mikroskopische Struktur, und ist damit direkt für die Transportmechanismen aller Nährstoffe im Boden verantwortlich. In lebendigem Boden leben pro Hektar und 30 cm Bodentiefe etwa 25 Tonnen von Organismen, von denen 10 t Bakterien und Actinomyceten sind, 10 t Pilze, etwa 4 t Regenwürmer und 1 t weitere Bodentiere! 

All diese Bakterien, Pilze, Würmer, Milben, Asseln und viele andere mikroskopisch kleinen Lebewesen ernähren sich im Boden von totem organischem Material, sorgen so für die Bildung von Humus, bauen den Boden auf, bauen dabei aber zugleich auch komplexe chemische Verbindungen wie Schadstoffe, Gifte und Schwermetalle (wie das im biologischen Weinbau so heftig diskutierte Kupfer) in organische und anorganische Substanzen ab, die sie dem Ökosystem wieder zur Verfügung stellen. Der Boden in seiner Gesamtheit ist ein Wunder der Natur, das die Wissenschaft erst allmählich zu entdecken beginnt.

Jede Pflanze benötigt Nährstoffe, um Zellkomponenten aufzubauen und Stoffwechselvorgänge zu katalysieren. Es gibt Organismen im Boden, die in enger Symbiose mit der Pflanze leben, ihr Wachstum fördern und in direktem Stoff- und Informationsaustausch mit ihr stehen. Das wohl wichtigste Beispiel dafür sind die Mykorrhiza-Pilze, die für die Rebe und viele andere Pflanzen und Bäume von existentieller Bedeutung für die Versorgung mit Nährstoffen und Feuchtigkeit sind. Ohne Mykorrhiza-Pilznetzwerk kein Wasserspeichervermögen im Boden.

Der am meisten gefürchtete »Schädling« im Weinbau ist der Pilz Plasmopara viticola, bekannter unter dem Namen Falscher Mehltau  oder Peronospora. Er überwintert in Form von Sporen auf dem Boden, dringt unter bestimmten Bedingungen über Blattöffnungen in das Gewebe der Pflanzen ein und führt schließlich zur Zerstörung von Frucht, Trieben und Blattgewebe.
Oder: Wenn der Pilz Botrytis Cinerea als Grauschimmelfäule die Trauben zu früh befällt, werden diese nicht mehr reif und die Ernte geht verloren. Auch für die Wurzelfäule ist ein Pilz verantwortlich, der durch die Wurzeln bis in den Pflanzenstock einwandert und vor allem Jungreben bedroht.

In lebendigen, hochdiversen Ökosystemen haben diese Krankheitserreger natürliche Gegenspieler. Immer mehr aktuelle Studien belegen, daß sich dort Pflanzenkrankheiten durch natürlich vorhandene Organismen wie Bakterien oder auch Insekten mit unterschiedlichen Mitteln und Mechanismen gegenseitig zu bekämpfen verstehen.
Das ist in Monokulturen, in denen kaum Biodiversität vorhanden ist, grundlegend anders, weil dort die Nährstoffkreisläufe gestört sind, weil dem Boden mehr Nährstoffe entzogen werden als ihm organisch zugeführt werden. Deshalb müssen dort erhebliche Mengen mineralischer und synthetischer Düngemittel und sogenannter »Pflanzenschutzmittel« zum Einsatz kommen.

Durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und dem sogenannten »Kunstdünger« werden also die wechselseitigen Beziehungen zwischen Bakterien, Pilzen und Pflanzen nachhaltig gestört. Weil die Pflanzen durch die Düngung  in bestimmten Nährstoffen überversorgt sind, investieren sie nicht mehr in symbiotische Partnerschaften und die so wichtigen Mykorrhiza-Pilze koppeln sich von der Pflanze ab und verschwinden.

Das hat katastrophale Folgen. Der Bedarf an weiterer Düngung steigt, die Wurzeln werden anfälliger gegen Parasiten, da Rhizobakterien und Mykorrhizen ihre Wirtspflanze nicht mehr verteidigen. Die organische Substanz im Boden nimmt weiter ab, damit auch die Feuchtigkeit sowie das Wasserhalte- und Transportvermögen, die Pflanzen werden trockenempfindlich, weil der Boden den Transport von Nährstoffen und Wasser nicht mehr gewährleisten kann. Er verdichtet physikalisch und kann dann auch Stauwasser nicht mehr aufnehmen. Das sieht dann z. B. aus wie diese offensichtlich konventionell bewirtschafteten Reben links im Bild.


- Hören Sie hier einen äußerst informativen Podcast-Beitrag des Bayrischen Rundfunks (25 Minuten) über den Dreck unter unseren Füssen, 

der dort in den »Evangelischen Perspektiven« Sonntag morgens »versteckt« werden mußte, um gesendet werden zu können.


- Die Heinrich-Böll-Stiftung hat 2015 einen umfassend informativen Boden-Atlas herausgegeben. 


- Die Stiftung Ökologie & Landbau faßt in informativen Postern die Bedeutung des Bodens leicht verständlich zusammen:


Der Einfluss eines lebendigen Boden-Mikrobioms auf den Wein ist so aufregend wie deutlich

Er erklärt z. B., warum die meisten unserer Weine mühelos spontan durchgären. Wir sind die einzige Weinhandlung hierzulande, die seit über 30 Jahren so gut wie ausschließlich spontan vergorene Weine anbietet, denn nur Trauben, die nicht mit Spritzmitteln kontaminiert sind und zudem über lebendigen Boden ausreichend mit Nährstoffen versorgt wurden, liefern Moste, die nicht nur von alleine spontan zu gären beginnen, sondern die Gärung auch bis zu Ende durchziehen. Obwohl die meisten unserer Weißweine nur minimal geschwefelt sind, bleiben sie geöffnet ungewöhnlich lange mit Genuß trinkbar, ohne zu oxidieren. Auch viele unserer Rotweine sind selbst eine Woche nach dem Öffnen der Flasche noch frisch und ohne Einbuße genießbar, ohne Spur von Oxidation. 

Das ist neu und hat uns dazu angeregt, den Ursachen dafür nachzugehen: Oxidation ist ein chemischer Prozess. Da die Weine oxidationsfrei stabil sind, kann es nur die Mikrobiologie sein, die sie stabil hält. Also müssen es die Nährstoffe der Böden sein, die über einwandfreie Gärung, »gesunden« pH-Wert und entsprechende mikrobiologische Stabilität die Weine ohne Oxidation lange frisch halten. 

Denkt man das oben beschriebene komplexe System des Bodens und seines Nährstofftransportes weiter und überträgt es auf den Wein, wird klar, warum »moderne« Weine aus konventionellem Anbau heute so uniform riechen und schmecken:

Ihre Winzer kennen den Boden nur als Substrat, auf dem Reben Trauben produzieren. Deren Most kann nicht natürlich gären, weil die Böden so tot sind, daß sie die Nährstoffe, die nötig sind, um die Gärhefen durchgehend ernähren zu können, den Trauben nicht zur Verfügung stellen können. Deshalb müssen die allermeisten Winzer die Gärung ihrer Moste mittels entsprechender Hefenährstoffe wie DAPPVPP oder Nutristart einleiten. Damit das schnell und sicher geschieht, impft man sie mit synthetisch produzierten speziellen Reinzuchthefen oder Aroma und Struktur verstärkenden Enzymen. Das alleine führt schon zum bekannten uniformen Charakter, denn Reinzuchthefen wirken geschmacksverändernd, sorgen sie doch zuverlässig - je nach gewählter Eigenschaft - für die so beliebte »Frucht« im fertigen Wein, um die sich heute alles dreht. Sie ist es, die heute den Verkauf garantiert.

Deshalb finden Sie bei uns - bis auf wenige Ausnahmen, die wir vor allem zu didaktischen Zwecken führen - nur Weine aus spontaner Gärung mittels natürlich wilder Umgebungshefen. Sie setzen wie beschrieben lebendigen Boden voraus, weil nur er über die entsprechenden biologischen und chemischen Transportmechanismen verfügt, um die Reben mit dem versorgen zu können, was deren Trauben benötigen, um eine natürlich »spontane« Wildhefegärung absolvieren zu können

Sie ist für unsere Weine Voraussetzung, denn nur sie gewährleistet uns die Individualität und Eigenart in Stil und Charakter, die wir in guten Weinen suchen. Ist die oben beschriebene Kette vom Boden bis zu Ihnen ins Glas durch ein Detail unterbrochen, muß die Önologie ran und das reparieren, was die Natur nicht leisten konnte - und schon ist es aus mit Lebendigkeit und Eigenart im Wein und wir sind da, wo der Wein des Mainstreams von heute steht. 

Es geht also um zwei sich grundsätzllich unterscheidende Produktionswelten, deren Weine sich schmeck- und fühlbar deutlich voneinander unterscheiden. Dieser Unterschied wird natürlich nicht in der Produktion seitens der Winzer angesprochen, findet aber auch nicht im Handel oder der Sommelerie Widerhall, was in Anbetracht des gravierenden stilistischen (und qualitativen) Unterschieds ein Ding der Unmöglichkeit ist. Und selbst die Naturwein-Bewegung scheint diesen Unterschied, der ihr doch so unmittelbar in die Karten spielt und sie eigentlich präzise definiert, bis heute nicht begriffen zu haben. Zumindest kommuniziert sie ihn nicht adäquat und nutzt ihn auch nicht für ihre Definition.

Lebendigkeit und Eigenart in einem Wein in Worte zu fassen, ist nicht leicht. In ein paar exemplarischen Weinen aus unserem Sortiment möchten wir sie diese uns so wichtigen Qualitätsparameter praktisch erleben lassen. Sie verdanken ihren unverwechselbaren Stil und Charakter gesunden und lebendigen Böden, sorgen durch geschmackliche Vielfalt statt Einfalt für mehr Freude am Wein.


Exemplarische Weine von lebendigen Böden


Lebendige Weißweine

Im Weißwein macht sich spontane Gärung unmittelbar und deutlich bemerkbar. Spontan vergorene Weißweine duften nicht simpel »fruchtig«. Selbst dann nicht, wenn sie aus Aromarebsorten wie Traminer oder Muskateller gekeltert wurden. Sie duften eher würzig als fruchtig, und sie duften deutlicher »leiser«, weniger aufdringlich im Aroma, als Weißweine, die mittels Enzymen oder Reinzuchthefen vergoren wurden.

Dafür schmecken sie um so intensiver. Und das nie unangenehm bitter am Gaumen und immer, auch wenn sie knochentrocken ausgebaut wurden, mit irgendwie weichem, fast cremigem Gefühl an Zungengrund und Gaumen. Sponta vergorene Weißweine »schmecken« weniger, als daß sie sich anfühlen im Mund. Deshalb sprechen wir immer von »Mundgefühl«

Auch wenn sie furztrocken sind, fühlen sich unsere Weißweine immer physisch saftig im Mund an. Sie sind nie leer, karg, bitter, schwer und müde. Unsere Weine haben immer Brillanz, entweder im Duft oder in der Wirgung im Mundgefühl. Sie mögen sich auf den ersten Schluck mager, säuerlich und straff salzig anfühlen, offenbaren dann aber ein Mundgefühl, in dem Stoff und Substanz durch niedrige Erträge und lange Reife auf der Hefe dafür sorgen, daß diese geschmacklichen Parameter harmonisch eingebunden werden in eine Struktur, die vor allem Frische und Lebendigkeit signalisert. Spontan vergorene Weißweine, wie die hier angebotenen, können Sie mühelos über mehrer Tage offen stehen lassen. Sie werden sich immer entwickeln und nicht an Brillanz, Frische und Eigenart verlieren. 

Man muß sich an ihr geruchliches und geschmackliches Anderssein gewöhnnen, wenn man sich aber einmal auf sie eingelassen hat, beginnt man zu spüren, wie »tot«, unlebendig, müde, uninspirierend und langweilig so viele andere Weißweine sein können.....

Weißweine

Inhalt: 0.75 l (24,00 €* / 1 l)

18,00 €*
2019 Greco di Tufo DOCG »Miniere« Cantine dell`Angelo

Inhalt: 0.75 l (24,00 €* / 1 l)

18,00 €*
2020 Campania Fiano IGP »Paóne« Cantina del Barone

Inhalt: 0.75 l (24,00 €* / 1 l)

18,00 €*

Inhalt: 0.75 l (30,67 €* / 1 l)

23,00 €*

Inhalt: 0.75 l (27,33 €* / 1 l)

20,50 €*
2021 Silvaner »Berg K&U« Zehnthof Luckert

Inhalt: 0.75 l (37,33 €* / 1 l)

28,00 €*

Lebendige Rotweine

Im Rotwein ist spontane Gärung geschmacklich nur schwer erkennbar. Dafür spürt man Lebendigkeit und Natürlichkeit vor allem in der Wirkung seiner Gerbstoffe. Sie sollen nicht weichgespült sein durch Schönungen, sondern sollen angenehm präsent sein im Mundgefühl, dürfen durchaus auch kantig und lebendig wirken, sollten aber nicht hart, trocken und spröde wirken. Man soll in ihnen eine frische Wirkung spüren können, die diese Rotweine animierend wirken läßt im Trunk, ihnen Leben verleiht, Agilität, Trinkfluß, statt nur dick, fett, schwer, weich, süß, müde und reif über die Zunge zu schleichen.

Das Geheimnis guten Rotweines ist die Kunst seiner Exktraktion, also das Auslutschen jener Informationen, die in den Schalen seiner Beeren stecken. Sie werden vor allem beeinflußt vom Verlauf des Jahrgangs. Je trockener und heißer ein Jahrgang oder ein Standort, um so kleiner die Beeren, um so dicker deren Schalen. Je dicker die Schalen, ob nun durch Trockenheit oder durch die Rebsorte, um so mehr Gerbstoffe sind vorhanden. Da diese Gerbstoffe Polymerketten sind, kann man sie auf der Zunge physisch buchstäblich spüren als Materie, die über die Zunge rutscht - mal gröber und rauer, weil als Kette kürzer, mal feiner, weicher und länger, weil als Kette schon länger. 

Je gesünder die Trauben, je besser sie durch lebendigen Boden versorgt wurden, um so schonender können sie extrahiert werden, um so natürlicher werden ihre Gerbstoffe ausfallen. Es geht also nicht um ein simples Mehr an Gerbstoffen, nicht um maximale Extraktion für massive Gerbstoffpräsenz, es geht um bessere Qualität der Gerbstoffketten und das bedeutet nicht immer dunkle Farbe und viel Gerbstoff, sondern auch mal transparente, hellere Farbe durch weniger Extraktion, dafür aber feinere, edlere Gerbstoffqualität, die möglichst agil und lebendig wirken soll auf der Zunge. Klingt alles wunderbar, muß man selber erleben und genau dafür haben wir die Weine hier unten ausgewählt. 

Rotwein

Inhalt: 0.75 l (28,00 €* / 1 l)

21,00 €*
2019 Bardolino Classico »Soracuna« Villa Calicantus

Inhalt: 0.75 l (21,33 €* / 1 l)

16,00 €*

Inhalt: 0.75 l (21,33 €* / 1 l)

16,00 €*
2020 »Naturaleza Salvaje« Tinto Azul y Garanza

Inhalt: 0.75 l (22,67 €* / 1 l)

17,00 €*
2020 »Pena el Gato« Garnacha Natural Bodega Juan Carlos Sancha

Inhalt: 0.75 l (29,33 €* / 1 l)

22,00 €*