
Der Boden und sein Einfluss auf den Wein
Ein komplexes und »unbequemes« Thema, das aber wichtige Einblicke liefertin die Zukunft von Mensch, Landwirtschaft und Weinbau
Unser Bild oben zeigt die zwei Welten, die sich im Wein gegenüberstehen: Links regenerative, rechts konventionelle Bewirtschaftung
In der Landwirtschaft der EU werden jährlich enorme Mengen an organischer Chemie ausgebracht. Genaue Daten erfaßt die EU unerklärlicher Weise nicht.
Der größte Anteil sind Fungizide, also Mittel gegen Pilze, und Herbizide, die gegen Beikräuter eingesetzt werden (die viele noch immer »Unkraut« nennen). Auf diese beiden Pestizide entfallen über 80 Prozent der verkauften Menge. Der Rest sind Insektizide, mit denen man tierische »Schädlinge« in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien bekämpft.
In vielen Ländern der EU ist der Pestizidabsatz in den vergangenen 15 Jahren mehr oder weniger konstant geblieben, bei allerdings kontinuierlich abnehmender Bewirtschaftungsfläche, was zunehmenden Einsatz pro Fläche bedeutet. Dabei sind Herbizide die am meisten ausgebrachten Mittel. Nahezu jeder konventionell wirtschaftende Betrieb in Landwirtschaft und Weinbau setzt sie ein. Das bekannteste Herbizid ist Glyphosat (Round Up).
Ganz aktuell hat die EU-Kommission große Pläne:
Der unkontrollierte und übermässige Pestizideinsatz wird erst sinken, wenn landwirtschaftliche Betriebe ihre Anbausysteme umstellen. Die Forderung der EU-Agrarpolitik nach biologisch zertifiziertem Anbau in entsprechenden Zonen und Schutzgebieten macht deshalb unbedingt Sinn, wir können sie nur vehement unterstützen.
Wenn weniger Herbizide ins Wasser gelangen sollen, steht neben dem Maisanbau vor allem der Weinbau als Hauptverursacher im Fokus. Dann müßten auf den Monokulturflächen des Weinbaus ab einer bestimmten Größe geeignete Hecken, Sträucher und Bäume gepflanzt werden, um über Mykorrhiza-Pilznetzwerke besseres Wasserspeichervermögen zu erzielen, die Biodiversität zu erhöhen, für Frost- und Windschutz zu sorgen und Lebensraum für »renaturierte« Insektenpopulationen und z. B. Fledermäusen als natürlichem Insketizid zu schaffen. Dann würden Winzer erkennen, daß durch entsprechende Biodiversität der Pflanzenschutz zunehmend obsolet wird.
Wenn man dies auf nur 50 Prozent der bewirtschafteten Fläche hierzulande erreichen würde, wäre das ein enormer Fortschritt. Doch die Zeichen stehen schlecht. Die angeblich so »konservative« Landwirtschafts-Politik erweist sich seit 50 Jahren als zynisch zerstörerisch und scheint nicht bereit, Stellung gegen die Agrarchemie zu beziehen.
Wein als Kommunikationsmittel
Mit Zwiebeln oder Kartoffeln kann man kaum Interesse für eine bessere Landwirtschaft wecken. Wein aber haben viele Menschen auf dem Tisch oder im Glas. Sie wissen nur meist herzlich wenig über ihn. Deshalb haben wir als Weinhändler beschlossen, politisch tätig zu werden, nicht parteipolitisch, sondern als Fürsprecher einer Landwirtschaft und eines Weinbaus, die sich für die Natur engagieren, statt sie permanent zu bekämpfen.
Deshalb versuchen wir, Sie über die Problematik der Bodenzerstörung und permanenten Bodenvernichtung, die uns alle unmittelbar betrifft und noch ganz hart treffen wird, zu informieren und ihr Interesse an der so wichtigen Funktion des Bodens für unsere Gesundheit, unser Klima und unseren »Wohlstand«, den wir grundsätzlich anders definieren als Politik und Wirtschaft, zu wecken.
Fungizide, wie sie im Obst- und im Weinbau in riesigen Mengen Anwendung finden, töten das, was sie sollen: die Schadpilze der Monokultur. Sie sind aber auch tödlich für unzählig viele nützliche Pilze und Bakterien auf Blättern, Obst und Trauben, vor allem aber, für uns unsichtbar, im Mikrobiom des Bodens.

Durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und dem sogenannten »Kunstdünger« werden also die wechselseitigen Beziehungen zwischen Bakterien, Pilzen und Pflanzen nachhaltig gestört. Weil die Pflanzen durch die Düngung in bestimmten Nährstoffen überversorgt sind, investieren sie nicht mehr in symbiotische Partnerschaften und die so wichtigen Mykorrhiza-Pilze koppeln sich von der Pflanze ab und verschwinden.
Das hat katastrophale Folgen. Der Bedarf an weiterer Düngung steigt, die Wurzeln werden anfälliger gegen Parasiten, da Rhizobakterien und Mykorrhizen ihre Wirtspflanze nicht mehr verteidigen. Die organische Substanz im Boden nimmt weiter ab, damit auch die Feuchtigkeit sowie das Wasserhalte- und Transportvermögen, die Pflanzen werden trockenempfindlich, weil der Boden den Transport von Nährstoffen und Wasser nicht mehr gewährleisten kann. Er verdichtet physikalisch und kann dann auch Stauwasser nicht mehr aufnehmen. Das sieht dann z. B. aus wie diese offensichtlich konventionell bewirtschafteten Reben links im Bild.
- Hören Sie hier einen äußerst informativen Podcast-Beitrag des Bayrischen Rundfunks (25 Minuten) über den Dreck unter unseren Füssen,
Der Einfluss eines lebendigen Boden-Mikrobioms auf den Wein ist so aufregend wie deutlich
Er erklärt z. B., warum die meisten unserer Weine mühelos spontan durchgären. Wir sind die einzige Weinhandlung hierzulande, die seit über 30 Jahren so gut wie ausschließlich spontan vergorene Weine anbietet, denn nur Trauben, die nicht mit Spritzmitteln kontaminiert sind und zudem über lebendigen Boden ausreichend mit Nährstoffen versorgt wurden, liefern Moste, die nicht nur von alleine spontan zu gären beginnen, sondern die Gärung auch bis zu Ende durchziehen. Obwohl die meisten unserer Weißweine nur minimal geschwefelt sind, bleiben sie geöffnet ungewöhnlich lange mit Genuß trinkbar, ohne zu oxidieren. Auch viele unserer Rotweine sind selbst eine Woche nach dem Öffnen der Flasche noch frisch und ohne Einbuße genießbar, ohne Spur von Oxidation.
Das ist neu und hat uns dazu angeregt, den Ursachen dafür nachzugehen: Oxidation ist ein chemischer Prozess. Da die Weine oxidationsfrei stabil sind, kann es nur die Mikrobiologie sein, die sie stabil hält. Also müssen es die Nährstoffe der Böden sein, die über einwandfreie Gärung, »gesunden« pH-Wert und entsprechende mikrobiologische Stabilität die Weine ohne Oxidation lange frisch halten.
Denkt man das oben beschriebene komplexe
System des Bodens und seines Nährstofftransportes
weiter und überträgt es auf den Wein, wird klar, warum »moderne« Weine aus konventionellem
Anbau heute so uniform riechen und
schmecken:
Ihre Winzer kennen den Boden nur als Substrat, auf dem Reben Trauben produzieren. Deren Most kann nicht natürlich gären, weil die Böden so tot sind, daß sie die Nährstoffe, die nötig sind, um die Gärhefen durchgehend ernähren zu können, den Trauben nicht zur Verfügung stellen können. Deshalb müssen die allermeisten Winzer die Gärung ihrer Moste mittels entsprechender Hefenährstoffe wie DAP, PVPP oder Nutristart einleiten. Damit das schnell und sicher geschieht, impft man sie mit synthetisch produzierten speziellen Reinzuchthefen oder Aroma und Struktur verstärkenden Enzymen. Das alleine führt schon zum bekannten uniformen Charakter, denn Reinzuchthefen wirken geschmacksverändernd, sorgen sie doch zuverlässig - je nach gewählter Eigenschaft - für die so beliebte »Frucht« im fertigen Wein, um die sich heute alles dreht. Sie ist es, die heute den Verkauf garantiert.
Deshalb finden Sie bei uns - bis auf wenige Ausnahmen, die wir vor allem zu didaktischen Zwecken führen - nur Weine aus spontaner Gärung mittels natürlich wilder Umgebungshefen. Sie setzen wie beschrieben lebendigen Boden voraus, weil nur er über die entsprechenden biologischen und chemischen Transportmechanismen verfügt, um die Reben mit dem versorgen zu können, was deren Trauben benötigen, um eine natürlich »spontane« Wildhefegärung absolvieren zu können.
Sie ist für unsere Weine Voraussetzung, denn nur sie gewährleistet uns die Individualität und Eigenart in Stil und Charakter, die wir in guten Weinen suchen. Ist die oben beschriebene Kette vom Boden bis zu Ihnen ins Glas durch ein Detail unterbrochen, muß die Önologie ran und das reparieren, was die Natur nicht leisten konnte - und schon ist es aus mit Lebendigkeit und Eigenart im Wein und wir sind da, wo der Wein des Mainstreams von heute steht.
Es geht also um zwei sich grundsätzllich unterscheidende Produktionswelten, deren Weine sich schmeck- und fühlbar deutlich voneinander unterscheiden. Dieser Unterschied wird natürlich nicht in der Produktion seitens der Winzer angesprochen, findet aber auch nicht im Handel oder der Sommelerie Widerhall, was in Anbetracht des gravierenden stilistischen (und qualitativen) Unterschieds ein Ding der Unmöglichkeit ist. Und selbst die Naturwein-Bewegung scheint diesen Unterschied, der ihr doch so unmittelbar in die Karten spielt und sie eigentlich präzise definiert, bis heute nicht begriffen zu haben. Zumindest kommuniziert sie ihn nicht adäquat und nutzt ihn auch nicht für ihre Definition.
Lebendige Weißweine
Im Weißwein macht sich spontane Gärung unmittelbar und deutlich bemerkbar. Spontan vergorene Weißweine duften nicht simpel »fruchtig«. Selbst dann nicht, wenn sie aus Aromarebsorten wie Traminer oder Muskateller gekeltert wurden. Sie duften eher würzig als fruchtig, und sie duften deutlicher »leiser«, weniger aufdringlich im Aroma, als Weißweine, die mittels Enzymen oder Reinzuchthefen vergoren wurden.
Dafür schmecken sie um so intensiver. Und das nie unangenehm bitter am Gaumen und immer, auch wenn sie knochentrocken ausgebaut wurden, mit irgendwie weichem, fast cremigem Gefühl an Zungengrund und Gaumen. Sponta vergorene Weißweine »schmecken« weniger, als daß sie sich anfühlen im Mund. Deshalb sprechen wir immer von »Mundgefühl«.
Auch wenn sie furztrocken sind, fühlen sich unsere Weißweine immer physisch saftig im Mund an. Sie sind nie leer, karg, bitter, schwer und müde. Unsere Weine haben immer Brillanz, entweder im Duft oder in der Wirgung im Mundgefühl. Sie mögen sich auf den ersten Schluck mager, säuerlich und straff salzig anfühlen, offenbaren dann aber ein Mundgefühl, in dem Stoff und Substanz durch niedrige Erträge und lange Reife auf der Hefe dafür sorgen, daß diese geschmacklichen Parameter harmonisch eingebunden werden in eine Struktur, die vor allem Frische und Lebendigkeit signalisert. Spontan vergorene Weißweine, wie die hier angebotenen, können Sie mühelos über mehrer Tage offen stehen lassen. Sie werden sich immer entwickeln und nicht an Brillanz, Frische und Eigenart verlieren.
Man muß sich an ihr geruchliches und geschmackliches Anderssein gewöhnnen, wenn man sich aber einmal auf sie eingelassen hat, beginnt man zu spüren, wie »tot«, unlebendig, müde, uninspirierend und langweilig so viele andere Weißweine sein können.....
Lebendige Rotweine
Im Rotwein ist spontane Gärung geschmacklich nur schwer erkennbar. Dafür spürt man Lebendigkeit und Natürlichkeit vor allem in der Wirkung seiner Gerbstoffe. Sie sollen nicht weichgespült sein durch Schönungen, sondern sollen angenehm präsent sein im Mundgefühl, dürfen durchaus auch kantig und lebendig wirken, sollten aber nicht hart, trocken und spröde wirken. Man soll in ihnen eine frische Wirkung spüren können, die diese Rotweine animierend wirken läßt im Trunk, ihnen Leben verleiht, Agilität, Trinkfluß, statt nur dick, fett, schwer, weich, süß, müde und reif über die Zunge zu schleichen.
Das Geheimnis guten Rotweines ist die Kunst seiner Exktraktion, also das Auslutschen jener Informationen, die in den Schalen seiner Beeren stecken. Sie werden vor allem beeinflußt vom Verlauf des Jahrgangs. Je trockener und heißer ein Jahrgang oder ein Standort, um so kleiner die Beeren, um so dicker deren Schalen. Je dicker die Schalen, ob nun durch Trockenheit oder durch die Rebsorte, um so mehr Gerbstoffe sind vorhanden. Da diese Gerbstoffe Polymerketten sind, kann man sie auf der Zunge physisch buchstäblich spüren als Materie, die über die Zunge rutscht - mal gröber und rauer, weil als Kette kürzer, mal feiner, weicher und länger, weil als Kette schon länger.
Je gesünder die Trauben, je besser sie durch lebendigen Boden versorgt wurden, um so schonender können sie extrahiert werden, um so natürlicher werden ihre Gerbstoffe ausfallen. Es geht also nicht um ein simples Mehr an Gerbstoffen, nicht um maximale Extraktion für massive Gerbstoffpräsenz, es geht um bessere Qualität der Gerbstoffketten und das bedeutet nicht immer dunkle Farbe und viel Gerbstoff, sondern auch mal transparente, hellere Farbe durch weniger Extraktion, dafür aber feinere, edlere Gerbstoffqualität, die möglichst agil und lebendig wirken soll auf der Zunge. Klingt alles wunderbar, muß man selber erleben und genau dafür haben wir die Weine hier unten ausgewählt.