Sangiovese ist die Rebsorte, mit der bei uns alles begann. Vor über 30 Jahren waren wir einer der ersten Importeure italienischer, genauer: toskanischer, Weine in Deutschland und wir importierten damals, 1978, nichts anderes als Chianti, also Sangiovese.
Die war auch damals eine rote Rebsorte. Allerdings schmeckten ihre Weine ganz anders als heute. Damals war Sangiovese noch sehr viel weniger homogen und qualitativ, als sie sich heute darstellt. Sangiovese ist eine vermutlich sehr alte Rebsorte, die mit ca. 100.000 Hektar eine der wichtigsten Italiens ist; sie bedeckt dort immerhin rund 10 % aller Weinberge. Sie neigt, wie Pinot Noir, stark zur Mutation. Deshalb gibt es eine Vielzahl von Klonvariationen, die, unter unterschiedlichen Namen angebaut, als Sangioveto, Brunello, Prugnolo gentile oder Morellino angebaut werden, alle aber sind sie Sangiovese in allerdings sehr unterschiedlicher Ausprägung und Qualität. Die Rebsortenfamilie ist über die Jahrhunderte so stark mutiert, daß es Jahrzehnten großer Anstrengung bedurfte, um die besten Klonen zu finden, zu analysieren und schließlich zur Verfügung zu stellen, was erst in den letzten Jahren erfolgreich gelang. Der Charakter der Rebsorte und ihrer Weine hat sich also über die letzten Jahre ziemlich verändert, was auch nötig war, weil das Qualitätsspektrum zu breit und zu heterogen war, um auf dem internationalen Markt in Anbetracht der nicht zimperlichen Preise noch konkurrenzfähig sein zu können.
Gute Sangiovese besitzt präsentes, stets etwas spröde wirkendes Gerbstoffgerüst mit appetitlicher Säure, die es durch reife Lese und niedrige Erträge in Zaum zu halten gilt; ihre Farbe ist nie sehr intensiv, weshalb sie so häufig mit Malbec, Petit Verdot, Syrah oder Cabernet Sauvignon verschnitten wird; Sangiovese reift spät aus und bringt deshalb in guten, warmen Jahren körperreichen, alkoholstarken und langlebigen Wein hervor; in kleinen, kühlen Jahren dagegen wird sie schnell sauer und mager mit hartem Gerbstoff im Mundgefühl; hohe Erträge forcieren harte Säure und führen zu heller Farbe, die schnell in Oxidation umschlägt. Ihre erstaunlich dünnen Beerenschalen sind fäulnisanfällig, was durch die unterentwickelte Rebkultur der Toscana dazu führte, daß Sangiovese auch auf Lagen gepflanzt wurde, auf denen sie besser nicht hätte stehen sollen. Das erklärt die noch immer enormen Qualitäts- und Geschmacksunterschiede, die einem die Rebsorte verleiden können.
Hauptanbaugebiet der Sangiovese ist die gesamte Toskana, wo sie in Weinen wie dem Vino Nobile di Montepulciano, dem Carmignano, vielen Super-Tuscans und im Brunello di Montalcino die dominierende Rolle spielt. Doch auch in der Maremma, der Emilia-Romagna, in Umbrien, den Marken und auf Korsika ist Sangiovese unter regionalen Synonymen und lokalen Verschnitten eine wichtige und prägende Rebsorte.
Heute wird Sangiovese als edle Rebsorte gehandelt. Ob sie wirklich so edel ist, wie ihre Popularität vermuten läßt, hängt an ihrem Anbau und der Qualität ihrer Vitikultur. Daran hapert es in Italien noch mächtig, wie die wenigen Ausnahmen der Regel mit grandiosen Qualitäten, die leider nicht die Regel sind, unter Beweis stellen.