Naturwein

Bislang gibt sich die Naturweinbewegung, die wir von K&U für den wegweisendsten Trend im Wein der letzten Jahre halten, selbst keine »offizielle« Definition für den Begriff »Naturwein«. Dabei wäre sie aus technischer Sicht ganz einfach:
Das, was seit ungefähr fünfzehn Jahren als »Naturwein« unter Winzern und Weinfreunden für Diskussionen, Aufregung, Verunsicherung, aber auch für längst überfällige neue Perspektiven im Wein sorgt, kann 1.) nur aus zertifiziert regenerativem Anbau stammen und muß 2.) im Keller auf die zahlreichen Zusatzstoffe der modernen Önologie verzichten (siehe diesen Katalog eines entsprechenden Lieferanten). 

Der von ihren Apologeten programmatisch und oft auch ideologisch proklamierte Verzicht auf Schwefelzugaben macht, das zeigen deren traurige »Opfer der Natur«, die unangenehm »mäuseln«, Essigstich oder Brettanomyces-Befall aufweisen, wegen biogener Amine Kopfweh verursachen oder wegen zu hoher Acetaldehyd-Gehalte sogar gesundheitlich bedenklich sind, keinen Sinn; sie auf minimale Werte, derzeit 20 mg/l freie SO2, zu beschränken, aber sehr wohl. Denn wenn die Weine trotz niedrigster Schwefel-Dosierung fehlerfrei sind, wird der bewußte Verzicht auf eine Schwefelung zum Qualitätsmerkmal, nämlich zum Beweis für gesundes, nährstoffreiches Lesegut, den richtigen pH-Wert und eine Kellerhygiene, die auf die reduzierende Wirkung des Schwefels bedenkenlos verzichten kann.

Die Naturwein-Bewegung hat enorm Positives bewirkt: Sie hat völlig überkommene Fehler-Vorstellungen nachhaltig aufgebrochen, hat konventionellen Wein als lebloses Klischee entlarvt und hat Wein insgesamt aufregend neu definiert. Das war wegweisend! Schade, daß sie jetzt unseriöse Trittbrettfahrer und ideologisch verblendete Gurus ohne Kompetenz und Toleranz immer wieder angreifbar machen. Schade auch, daß sich »der Naturwein« heute mehr in Instagram-Bildern mit möglichst Funky-Etiketten darstellt, als in wegweisenden Weinen. 
Die Natur im Wein kann und darf nicht nur ideologisch über den Schwefelgehalt definiert werden. Wenn »Naturwein« nicht biologisch zertifiziert ist und nicht mehr zu bieten hat, als die immer gleiche, egalisierend »natürliche« Machart, also weder Ursprungscharakter noch Identität besitzt, finden wir ihn so ärgerlich wie Marken-Wein. Ganz ohne die Jahrhunderte alte Kultur des Schwefels macht nur Natur im Wein keinen Sinn.
® K&U 2023