
Rosé boomt. Die dritte Dimension im Wein läuft und läuft und läuft ...
Rosé hat sein einst schlechtes Image als magere Abfallverwertung skrupelloser Winzer binnen weniger Jahre ins Gegenteil verkehren können. Er ist heute das am stärksten und schnellsten wachsende Segment im internationalen Wein-Business. Er läuft und läuft und läuft.
In seinen besten Exemplaren wird er heute aber auch gänzlich anders geerntet und verarbeitet als noch vor wenigen Jahren. Er ist zur eigenen Kunstform ehrgeiziger Winzer geworden, weshalb guter Rosé heute richtig seriöser Wein ist, die dritte Dimension im Wein zwischen weiß und rot.
Guter Rosé kann und will heute mehr sein als nur die eiskalt servierte Erfrischung an den heißesten Tagen des Jahres. Es gilt also zu unterscheiden zwischen Weinen, die als »Rosé« verkauft werden und jenen, die tatsächlich Rosés mit Anspruch sind. Wie immer, wenn ein Boom einsetzt, kriechen die Trittbrettfahrer aus den Löchern. Sie verkaufen ärgerlich fruchtige Technik-Rosés an unkundige Rosé-Novizen, die nie erfahren haben, wie guter Rosé wirklich sein kann, und anonyme Großabfüller bringen belanglose Marken-Rosés hinter gekonnt designten Etiketten auf den Markt, deren größter Vorzug die riesige verkaufte Menge mit entsprechender Marge ist. Rosé liegt international so im Trend, daß er zum Riesengeschäft geworden ist.
Selbst seriöse Familien-Betriebe in der Provence reduzieren ihren Anteil an Weiß- und Rotweinen zugunsten des Rosés, weil er sich derzeit fast schneller verkauft als er produziert ist. Deshalb haben einschlägig bekannte Großkonzerne aus dem Luxusgüterbereich jüngst zu noch nie dagewesenen Phantasiepreisen bekannte Weingüter in der Provence gekauft, um im Riesengeschäft mit Rosé mitmischen zu können. Mit brachialem Kalkül werden sie ihn, natürlich in entsprechend »edlen« BlingBling-Flaschen, zum Luxusgut für Neureiche machen, die dafür teuer bezahlen dürfen, weil für sie ja nur gut sein kann, was teuer ist ...
Für die Winzer ist der neue Rosé-Boom ein Geschenk, schließlich beschert er ihnen Cash-Flow wie kein anderer ihrer Weine: Heute geerntet, morgen gemacht, übermorgen verkauft und bis zur Ernte der darauf folgenden Saison ist er getrunken.
Was ist guter Rosé?
Guter Rosé hat durchaus Frucht, sie ist aber immer raffiniert eingebunden in eine anregend vielschichtige, an Sommerkräuter und den flirrenden Duft sommerlich heißer Tage im Süden erinnernde Aromatik, wie sie nur guter Rosé verströmt. Er gilt zwar als Wein des Sommers und der Hitze, liefert aber eine eigenständige Kulturform des Weines, die den Duft und die mineralische Transparenz des Weißweines mit dem herben Reiz der Physis der Gerbstoffe des Rotweines auf raffiniert komplexe Weise in Einklang zu bringen versteht. Nur dann ist Rosé anregend, anspruchsvoll und in unserem Sinne gut.
Dazu muß er aus geeigneten Rebsorten gekeltert werden. Nur kerngesunde Trauben, die zu einem wohldefinierten Zeitpunkt (für Säure und niedrigeren Alkohol) geerntet wurden, liefern animierende Frucht, herbe Süffigkeit und anregend pikante Frische mit Nachhalt und Biß, die erfreulichen von ärgerlichem Rosé unterscheiden. Weil die Klimakrise mit ihrer Trockenheit für permanent sinkende Erträge sorgt, wird die Arbeit im Weinberg immer aufwendiger, die Weinbereitung schwieriger, die Preise steigen. Oder man bewässert und produziert jene trivial »fruchtigen« Rosés, die den Markt so erfolgreich überschwemmen. Nicht mit uns. Nicht bei uns.
Wie entsteht Rosé und warum fällt er jedes Jahr anders aus?
Rosé entsteht nur aus blauen Beeren. Deren Saft ist weiß. In deren Schalen aber stecken die Pigmente der Farbstoffe, die sogenannten Anthocyane. Sie schützen die Beeren vor dem Photonenbeschuß der Sonne, vor Verdunstung und vor Schädlingen. Sie enthalten zudem jene wertvollen Antioxidantien, die sogenannten Polyphenole, deren Polymer-Ketten man im Rotwein als herbe, ledrige Konsistenz der Gerbstoffe, des Tannins, auf der Zunge physisch spüren kann. Sie sind es, die Most und Wein nicht nur vor Oxidation schützen, sondern ihnen auch Farbe verleihen.
Während der Rosé-Herstellung »lutscht« man nun - während der sogenannten »Mazeration« bzw. »Extraktion« - diese Phenole buchstäblich aus den Schalen bewußt angequetschter roter Beeren aus. Dabei entsteht zunächst eine kleine Menge weißer Traubensaft. Der beginnt zu gären, setzt dabei zunehmend Zucker in Alkohol um, der nötig ist, um aus den Beerenschalen jene gewünschte Farbintensität und jenen angestrebten Gehalt an herber Gerbstoff-Pysis zu extrahieren, die der Winzer dem Jahrgang aus dem Verhältnis von Schale zu Saft der Beere zuschreibt. Winzerkunst.
Deshalb fällt Rosé jedes Jahr anders aus. Ist ein Jahrgang heiß und trocken, fallen die Beeren klein aus, ihre Schalen sind dick, die Saftausbeute ist gering, der Zucker hoch, die Säure niedrig. Die Farbausbeute des entstehenden Rosés fällt entsprechend intensiver aus. In einem kühlen, feuchten Jahr mit guter Wasserversorgung der Reben fallen die Beeren größer aus, sie haben dünnere Schalen, die Saftausbeute ist höher, weshalb die Farbausbeute des entstehenden Rosés eher heller ausfällt, bei weniger Zucker und höherer Säure. Das ist er, der besondere Reiz guten Rosés, mit dem die Natur die Winzer jedes Jahr aufs Neue konfrontiert. In dem Augenblick, wo Frucht, Farbe und Gerbstoffe dem Jahrgang zu entsprechen scheinen (was je nach Jahrgang mehr oder weniger viele Stunden der Extraktion in der Presse oder im Tank dauern kann), werden dann die Beerenschalen vom Saft durch Abpressen der Schalen oder durch Abzug vom gärenden Rotwein getrennt, der so entstandene Rosé gärt dann getrennt trocken durch.

N° 1: Saignée | Ausbluten des Mostes
Unten im Bild die typische Farbe eines Saignée-Rosés. Er fällt aber nicht nur farblich dunkler aus als ein Rosé aus Direktpressung, er liegt auch im Alkoholgehalt höher. Das liegt daran, daß er aus dem sogenannten Ausbluten des Saftes während der Rotweinherstellung, dem »Saignée«, entsteht.
Trauben, die für die Rotweinherstellung geerntet werden, müssen physiologisch und aromatisch vollreif sein. Nach der Gärung besitzt ihr Wein deshalb den ihrem Ausgangs-Zuckergehalt entsprechenden Alkoholgehalt. Um Rotwein auf natürliche Weise etwas konzentriert und dichter schmecken zu lassen, zieht man während der Maischegärung, also während der Extraktion der Beerenschalen auf dem gärenden Most, eine gewisse Menge dieses Mostes ab, meist sind das zwischen 10 und 30%. Man versucht das so früh zu machen, daß dieser Saft-Abzug noch möglichst roséfarben ausfällt. Weil Rosés aus Saftabzug stets aus Trauben gewonnen werden, die für die Rotweinbereitung aromatisch ausgereift geerntet werden, erkennt man solche Rosés grundsätzlich an einem Alkoholgehalt, der dem von Rotwein entspricht, und an einer, je nach Rebsorte unterschiedlich ausfallenden, stets aber dunkleren, intensiveren Farbtönung. Sie weisen dann im Mundgefühl auch die der Farbe entsprechende dichtere und herbere Gerbstoff-Substanz auf, was guten Saignée-Rosés eine ganz eigene Wirkung verleiht und damit auch ganz eigene Einsatzmöglichkeiten eröffnet. Es sind in aller Regel kraftvoll den Mund füllende, dichte, aromatisch würzige Rosés.
N° 2: Direktpressung
Unten im Bild die charakteristisch zarte Farbe eines Rosés aus Direktpressung. Die berühmten südfranzösischen Rosés, denen man nachsagt, die feinsten der Welt zu sein, entstammen grundsätzlich der Direkt- oder Ganztraubenpressung.
Das Verfahren unterscheidet sich grundsätzlich vom dem des Ausblutens, denn hier entsteht der Rosé direkt in der hydraulischen Presse, nicht im Tank. Dazu verwendet man besonders geeignete Rebsorten wie. z. B. in Südfrankreich die Rebsorten Cinsault, Grenache, Mourvèdre und Syrah, die man für niedrigeren Alkohol und belebend frische Säure bewußt früher erntet als für die Rotweinherstellung. Das ist in Zeiten der Klimakrise nicht einfach, weshalb man in der regenerativen Bewirtschaftung z. B. durch entsprechende Begrünung und Blattwerksteuerung das Reifeverhalten der Trauben zu steuern versucht. Trotzdem liegen inzwischen auch Direktpressungs-Rosés bei 13 Vol.%. Die Trauben werden nicht entrappt solange in der Presse auf den angequetschten Beerenschalen belassen, bis der im Most zunehmend entstehende Alkohol die gewünschte Farb- und Gerbstoffintensität aus den Beeren ausgelöst hat. Dann wird der Most durch Abpressen von den Schalen getrennt und anschließend wie Weißwein vergoren. Direktpressungs-Rosés zeichnen sich durch etwas niedrigen Alkohol (11,5 - 13 Vol.%) und eine animierend zarte Wildlachsfarbe aus. Sie verwöhnen mit belebend herben, stets aber zarten Gerbstoffen, die eine aromatisch komplex florale und beerige Frucht mit zarter Würze so delikat wie erfrischend umrahmen.


Tipp: Vorsicht vor Protzflaschen und Markenabfüllungen
Wie oben schon beschrieben: Der enorme weltweite Erfolg des Rosés hat dazu geführt, daß die Preise für Grund und Boden im südfranzösischen Departement Var, der Heimat der besten Rosés der Welt im Hinterland der Côte d'Azur, astronomische Höhen erreicht haben. Keine einheimische Winzerin kann hier noch mitspielen. Nur bestehende Familienbetriebe können hier noch preislich interessante Spitzen-Rosés produzieren. Der Markt dreht durch und verändert sich binnen weniger Jahre radikal, denn jetzt trinken auch Menschen Rosé, die bisher nie Rosé getrunken haben. Weil »man« jetzt Rosé trinkt. Diesen Menschen fehlen aber jegliche Kenntnisse über das, was sie im Glas haben.
Sie werden jetzt von zwei Seiten »bearbeitet«: Zum einen werden sie von den einschlägigen globalen Luxus- und Getränke-Konzernen mit teuer designten Schnickschnack-Flaschen umgarnt, deren »Prestige-Cuvées« zu Mondpreisen dargeboten werden; diese abgebrühten Luxus-Tandler kennen ihre Kundschaft genau und wissen, daß teuer sein muß, was gut sein soll. Zum anderen werben anonyme Großabfüller für clever benamste Marken-Rosés mittels schweineteurer Hochglanzwerbung, deren Standardware zeitlich getakteten und deshalb gestressten Zeitgenossen sommerliches Lebensgefühl andienen will. Unser Tipp: Weil guter Rosé nicht mehr billig ist, sollten Sie sich mit ihm und seinen Qualitätskriterien ein bißchen beschäftigen, um dann mehr in ihm genießen zu können als nur die teure Illusion.
