Damit Wein »marktgängig« gemacht werden kann dürfen ihm mehr Zusatzstoffe zugesetzt werden als Coca Cola oder Bier. Er ist damit das einzige Lebensmittel, dem geschmacksverändernde Stoffe zugesetzt werden dürfen, ohne daß diese deklariert werden müssen. Dafür muß der gute alte Schwefel, den jeder Wein von Natur aus enthält (auch jene, denen kein Schwefel zugesetzt wurde), nun dafür herhalten, verbraucherschützend als »Enthält Schwefel« bzw. »Sulfite / SO2« auf dem Etikett ausgewiesen werden zu müssen.
Nach langem Ringen hat die EU im Dezember 2023 ein neues Auszeichnungsgesetz für Wein verabschiedet. Er wird damit vom Genussmittel zum Lebensmittel. Das macht sich mit dem Jahrgang 2024 auf den Etiketten bemerkbar. Sie müssen nun per Text oder eingebettetem QR-Code, der zu einer Homepage mit den gesetzlich vorgeschriebenen Angaben führt, all jene Zusatzstoffe deklarieren, die nach offizieller Lesart im Wein verbleiben. Damit wird endlich deklariert, wieviel Zucker der Wein der Wahl enthält, ob ihm Ascorbinsäure zugesetzt wurde (als kurzfristiger Schutz vor vorzeitiger Alterung) oder ob er z. B. aufgesäuert wurde. Bei diesen Pflichtangaben muß man berücksichtigen, daß sie sich jeweils nur auf 100 ml beziehen. Je mehr Zusatzstoffe gelistet werden, um so mehr mußte der Wein also »korrigiert« werden.
Viele geschmacksverändernde Zusatzstoffe wie Reinzuchthefen, Enzyme, Gummi Arabicum, Manoproteine und das als Schönungsmittel viel eingesetzte PVPP müssen nicht deklariert werden, weil sie angeblich nicht im Wein verbleiben (was Studien widerlegen). Damit erfüllt das neue Auszeichnungsgesetzt seine verbraucherschützende Aufgabe im Kern nur unzureichend. Einmal mehr: bewußte »Unschärfe« statt Transparenz.
In handwerklich produzierten Weinen werden Sie außer Schwefel/Sulfit/SO2 und je nach Jahrgang auch mal Weinsäure-Zusatz (zum Most) keine weiteren Zusatzstoffe finden. Diese Weine haben sie einfach nicht nötig.
Dafür arbeitet der »moderne Wein« mit zahlreichen geschmacksverändernden Zusatzstoffen. Man findet sie in den einschlägigen Katalogen der Kellerwirtschaft, die wir unten zur Information verlinkt haben.
Aus ihnen versorgen sich kleine und große Weinbau-Betriebe auf der ganzen Welt mit jenen Zusatzstoffen, die ihre Weine nötig zu haben scheinen, weil ihnen die Natur draußen im Weinberg nicht geliefert hat, was sie nun im Keller »korrigieren« müssen. Daß bis heute die Art der Bewirtschaftung der Reben in der Weinwelt nicht entscheidendes Qualitätskriterium ist, kann in Anbetracht des noblen Scheins, den der Wein vor sich herträgt, nur als Verbrauchertäuschung gewertet werden.