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Südliche Rhône
Mit seinen fast zweitausend Metern Höhe dominiert der Mont Ventoux nicht nur das Landschaftsbild im südlichen Teil des Rhônetals, der »Windumbrauste«, wie sich sein Name übersetzten läßt, prägt dort auch das Wetter. Berühmt gemacht hat ihn die Tour de France. Sein ewig langer Anstieg mit bis zu 14 Prozent Steigung wurde schon manchem zum Verhängnis. Für die Weinberge der »Côtes du Rhône« ist sein kahler, von riesigen Schotterfeldern weiß leuchtender Gipfel Wahrzeichen und Symbol gleichermaßen.
Wenn im Winter der Mistral durch das Rhônetal pfeift, klappern nicht nur die Dachziegel auf den Häusern, es wird bitterkalt im Süden Frankreichs. Daß er ein Nordwind ist, beweist die Vegetation im französischen Süden, sie neigt sich gen Süden. Die Bergzüge entlang des Rhonetales wirken dabei wie ein Korridor, der den Wind in seiner Wucht und Geschwindigkeit verstärkt; bis Korsika und Sardinen bläst er, sogar bis weit in die Straße von Sizilien hinein. Einer Bauernregel zufolge weht er stets drei, sechs oder neun Tage lang, an übrigens durchschnittlich 120 Tagen im Jahr. Wenn er bläst, bläst er heftig, bei wolkenlos tiefblauem Himmel und toller Fernsicht.
Für den Weinbau im Rhônetal ist der Mistral entscheidend. Kalt ist er und trocken. So schützt er in phytosanitärer Wirkung die Reben auf natürliche Weise vor Pilz- und Insektenbefall. Er sorgt zudem für hohe Sonneneinstrahlung (mehr als 2500 Stunden im Jahr) und löst Verdunstungsprozesse in den Beeren aus. Die Weine der Region besitzen deshalb eine natürliche Konzentration, die sie weniger fein, als geschmacksintensiv ausfallen läßt. Die Extraktion der Beerenschalen sollte deshalb schonend erfolgen. Hier dicke, fette Weine zu machen ist einfach.
In feuchten Jahren sehnen ihn die Winzer geradezu herbei, den Mistral. Weil er wie ein mächtiger Föhn die Feuchtigkeit aus dem Blattwerk und von den Trauben bläst und so Fäulnis und Schädlingsbefall verhindert. Er hat schon manchen Jahrgang so gerettet und macht den biologischen Anbau einfacher als bei uns im Norden. Wer dort keinen Bioweinbau betreibt ist entweder ignorant oder inkompetent. Im Sommer bläst der Mistral weniger heftig und bringt willkommene Abkühlung, wenn die Luft vor Hitze schwirrt, die Zikaden ihre wunderbare Musik machen, der Himmel strahlend blau leuchtet und die Trauben zu Weinen heranreifen, von denen viele kaum mehr kennen als den Namen: Côtes du Rhône. Das klingt so, als würden alle Weine dort gleich schmecken ...
Zwischen Lyon und Nimes erstreckt sich das Rhônetal über mehr als 250 km. Entlang des Flußlaufes bewirtschaften in zwei verschiedenen Klimazonen 171 Weinbaugemeinden zusammen 67.628 ha Reben, das sind 9 % der Weinbaufläche Frankreichs; 5000 Winzer bauen in 31 Appellationen 34 verschiedene Rebsorten an; der Rotwein dominiert, nur 25 % der Produktion sind Rosé und Weißwein; immerhin 6000 ha werden zertifiziert biologisch bewirtschaftet, Tendenz steigend. Viele Zahlen, viele Fakten. Wer soll da noch durchblicken?
Hier geht es um die südliche Rhône, bekannt als die »Côtes du Rhône«. Eine erstaunlich bunte und dynamische Region im Aufbruch. Sie ist die Heimat der ersten glyphosatfreien Appellation Frankreichs, hier werden bereits 10 % der Rebfläche biologisch bewirtschaftet und selbst die Genossenschaften setzen hier mächtig auf Qualität.
Auf den Außenstehenden wirkt die Vielzahl ihrer Appellationen ebenso verwirrend, wie die Tatsache, daß ein Côtes du Rhône fast immer ein Verschnitt verschiedener Rebsorten ist. Doch das hat gute Gründe, denn die reduktiven (also sauerstoffstabilen) Sorten Syrah und Mourvèdre, die 20% der Cuvée ausmachen müssen, schützen die zur Oxidation neigende (also sauerstoffempfindliche) Leit-Sorte der südlichen Côtes du Rhône, die Grenache, die zu mindestens 30% in jeder Cuvée enthalten sein muß, im Verschnitt auf natürliche Weise vor dem Verderb. Angewandte Chemie. Dazu werden die Cuvées nach dem fertigen Ausbau jeder einzelnen Rebsorte sorgfältig und mit großem Verkostungsaufwand zusammengestellt.
Obwohl die drei Rebsorten Grenache, Syrah und Mourvèdre (GSM) zu 70% die Rebfläche der Côtes du Rhône dominieren, schmecken die Weine je nach Herkunft doch erstaunlich unterschiedlich. Wie kein anderes Land der Welt hat Frankreich schon in den 1930er Jahren den Zusammenhang von Herkunft und besonderem Charakter als Qualitätsmerkmal verstanden und schon damals in ein Appellationssystem übersetzt, das in Landwirtschaft und Weinbau heute international als Vorbild dient.
Da spielt die Dicke der Erdauflage eine Rolle, die Beschaffenheit des Unterbodens, die Höhe der Lage und die Dauer der Sonneneinstrahlung. All dies (und noch viel mehr) manifestiert sich im Wein in konkreten geschmacklichen Eigenschaften, die in Frankreich in eine Vorstellung von Qualität münden, die Geschmack und Wirkung eines Weines in direkte Verbindung mit der Topographie der Lage und der Geologie und Biologie seiner Böden bringen. So sorgt in Cairanne, einem »Cru des Côtes du Rhône«, auf den besten Lagen hoch über dem Tal kalkhaltiger weißer Ton als kühler Boden für dichte Gerbstoffe in körperreichen, vollmundig kraftvollen Weinen tiefdunkler Farbe. Die am Hang weiter unten liegenden roten Tonböden liefern gehaltvolle Weine mit breitem Aromenspektrum voller Duft und Expressivität, und die Lagen im Talgrund auf tonhaltig sandigen (warmen) Kieselböden liefern geschmeidige Rotweine voller Duft und Charme.
In Frankreich geht es also weniger um eine bestimmte Stilistik, die man erzielen will, als um den Ausdruck des »Terroirs« im Wein, der Umgebung im weitesten Sinne in der Interpretation jener Menschen, die in ihr leben und arbeiten. Dieser Unterschied erklärt z.B. die unterschiedliche Gerbstoffqualität französischer und nicht-französischer Rotweine. Nicht-französische Rotweine werden in der Regel stilistisch önologisch behandelt, damit sie so schmecken, wie sie der Zeitgeist verlangt, damit sie sich gut verkaufen. Authentische französische Weine weisen dagegen Gerbstoffe auf, die von Nicht-Franzosen-Trinkern oft abgelehnt werden, weil sie so sind, wie man sie vor Ort für typisch für ihr »Terroir« hält. Sie werden nicht »behandelt«, sondern sollen und dürfen so sein, wie sie entstanden sind.
So regelt jede einzelne Weinbaugemeinde nicht nur an der südlichen Rhône, sondern in ganz Frankreich, über ein entsprechendes Lastenheft die Ansprüche an ihre spezifische lokale Qualität - von den Rebsorten über die Pflanzungsdichte und die Reberziehung bis zu den Erträgen und dem Ausbau im Keller. Die erlaubten Erträge an der Südrhône sind übrigens nur halb so hoch wie bei uns der Durchschnitt in Deutschland....
Auf diese Weise ist innerhalb der riesigen Appellation »Côte du Rhône« ein präzise abgestuftes Qualitätssystem entstanden, das 95 Weinbaugemeinden erlaubt, die 22 besten ihrer Lagen als »Dorfweine«, die sogenannten »Côtes du Rhône Villages«, zu deklarieren. Sie sind weniger fruchtig und charmant, als gehaltvoller, dichter und charaktervoller als der »einfache« Côte du Rhône.
Die Spitze der Appellation bilden die berühmten neun »Crus des Côtes du Rhône«. Sie führen auf dem Etikett den Namen ihrer Weinbaugemeinde als Hinweis auf ihren besonders prägnanten Herkunftscharakter. Châteauneuf du Pape ist das berühmteste dieser Crus, gefolgt von Beaume de Venise, Cairanne, Rasteau, Vinsobres, Gigondas, Vacqueyras, Lirac und Tavel.
Die südliche Rhône mag wie ein kompliziertes Mosaik oder Puzzle wirken. Doch entlang ihrer geschmacklich nachvollziehbaren Appellationscharakteristika als Herkunftsmerkmal und ihrer Qualitätspyramide kann man sie wunderbar für sich entdecken. Schon der »einfache« Côtes du Rhône als Basis beweist spezifischen Herkunftscharakter in vorbildlich ehrlichen und authentischen Weinen, die zu den preiswertesten des Weinmarktes gehören. Sie sind weniger fein als trinkfröhlich deftig und spielen mit Frucht und reizvoller Würze, die je nach Herkunft und Zusammensetzung der Cuvée an Minze, Pinie, Wacholder, Rosmarin, Thymian, Veilchen oder schwarze Oliven erinnert. In allen sorgt die Rebsorte Grenache für kraftvolles Rückgrat, doch agieren die Weine ambitionierter Winzerinnen und Winzer erstaunlich frisch und lebendig im Mund. Sie eignen sich, dezent kühl serviert, hervorragend zur Begleitung guter regionaler Küche (auch unserer deutschen!) und sind Freunde des Alltags, auf die man sich blind verlassen kann.
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