Unser Rotwein-Paket - den Horizont erweitern ...


Über Jahrhunderte hinweg hat man Wein über sein Aroma beschrieben. In der Ausbildung von Winzerinnen und Winzern, Sommelièren und Sommeliers unterwirft sich die ganze Weinwelt, inklusive des Handels, noch immer dem über den »Wine & Spirits Education Trust«, abgekürzt WSET, britisch dominierten Sprach-, Trink- und Kriterien-Diktat der Weinaromen. Die Welt des Weines dreht sich ganz wesentlich um Duft, Bukett und Aromen. Daraus entstand jene blumige, von Adjektiven strotzende Weinsprache, die wir als geschmäcklerisch und ausgrenzend ablehnen, weil sie jeden, der sie nicht nachvollziehen kann oder will, außen vor läßt. Über ihre Ansprache von Wein bleiben »Kenner« elitär unter sich...

Wir versuchen Wein anders zu beschreiben. Dabei orientieren wir uns an seiner neurophysiologischen Wirkung, die er im Mund auslöst, dem sogenannten Mundgefühl. Das läßt ihn nicht nur aromatisch, sondern vor allem physisch erleben. Es macht fühlbar, wie ein Wein im Mund wirkt, ob er sich konzentriert dicht oder transparent duftig anfühlt, ob seine Gerbstoffe fein oder hart wirken, ob sie lang oder kurz sind, ob die Säure ihn mager und karg prägt oder ihn mundwässernd erfrischend macht. Über das Mundgefühl, so unsere Erfahrung, ist selbst der absolute Wein-Laie in die Lage, Wein in seiner Wirkung zu beschreiben und damit Zugang zu eigenen Kriterien für Qualität zu bekommen, die man hier eben tatsächlich »erfühlen« kann. 

Die üblichen blumigen Beschreibungen von Aromen beruhen auf subjektivem Empfinden, auf antrainiertem, persönlichem Wortschatz, auf Eindrücken, die auf Gewohnheit, individuellen Vorlieben und der Fähigkeit basieren, Sinneseindrücke zu verbalisieren. Nachzuvollziehen sind solche aromatischen Weinbeschreibungen nur schwer, weil sie stets nur Momentaufnahmen sind und unser Wortschatz kaum ausreicht, die Komplexität eines Weines so in Worte zu fassen, daß sich nach zehn solcher Weinbeschreibungen nicht die immer gleichen Adjektive wiederholen und man sich unweigerlich fragt: Ja, wie schmeckt er denn nun, dieser Wein? 

Im Mundgefühl finden all unsere Sinneswahrnehmungen zusammen. Es ist eine Frage von Übung und selbstkritischer Aufmerksamkeit dem eigenen Geschmackempfinden gegenüber, die physische Wirkung eines Weines in Worte zu fassen. Zu Beginn ist man hilflos, sucht nach Worten. Aber wenn man z. B. mit Freunden oder Bekannten mal vergleichend probiert und es sich zur Aufgabe macht, das, was man gerade an Wirkung im Mund verspürt, in eigene Worten zu fassen, merkt man schnell, daß man sicherer wird, daß einem Worte einfallen, die das durchaus gut beschreiben, was da gerade im Mund passiert. Man beginnt, die passive Unsicherheit des banalen »Schmeckt mir/schmeckt mir nicht« durch eine aktive Position dem Wein gegenüber einzunehmen, die über die eigenen Worte entdeckt, daß es noch viel mehr zu fühlen gibt an Wirkung im Mund, als das plumpe »schmeckt mir«. Man beginnt zu entdecken, was einem persönlich »gut« erscheint, was weniger, und wenn Sie sich dann noch fragen, was es ist, was Ihnen NICHT schmeckt und wie Sie das bechreiben können, dann sind Sie einen großen Schritt weiter im Entdecken Ihrer eigenen Sinne. Wenn Sie das mit jedem Wein und jedem Essen machen, werden Sie erleben, daß Sie Ihre eigenen, persönlichen Kriterien für Geschmack und dessen Wirkung entwickeln, die Ihnen zunehmend die Unsicherheit gegenüber dem Wein nehmen, weil sie in die Lage versetzt werden, ihn aktiv in seiner Wirkung und Ihrer Reaktion darauf zu entdecken. 

Das alles fällt bei Rotwein leichter als bei Weißwein ...

... denn Rot werden Rotweine, weil man ihre mehr oder weniger dicken und je nach Rebsorte unterschiedlich intensiv farbpigmentierten Beerenschalen während des Kelterns im zunehmend entstehenden Most, der mit jedem Tag mehr Zucker in Alkohol umwandelt, »auslutscht«, was man im Fachjargon »Extraktion« nennt. Dabei lösen sich die Farbpigmente der Beerenschalen im Most. Der Prozess startet langsam, weil die Temperatur noch niedrig und im Most noch kaum Alkohol vorhanden ist, doch mit zunehmend einsetzender Gärung steigt nicht nur die Temperatur, sondern auch der Alkoholgehalt und dann lösen sich die Gerbstoffe und Farbpigmente zunehmened und immer schneller aus den Beerenschalen und der Most wird rot.

Diese Gerbstoffe, auch Tannine genannt, sind Kettenverbindungen. Sie verlängern sich mit Zeit und Temperatur während dieser Extraktion, wobei gleichzeitig außen an den freien Plätzen ihrer immer länger werdenden Ketten die der Rebsorte entsprechenden Farbpigmente andocken. Die große Kunst der Winzer besteht darin, einen Jahrgang im Verhältnis der Dicke seiner Beerenschalen zur Saftausbeute so zu bewerten, daß sie z. B. die Dauer und Art des Extraktionsverfahren diesem Verhältnis so anpassen, daß eine angenehm hochwertig wirkende Gerbstoffqualität im Mundgefühl entsteht.

Dabei besteht eine, je nach Rebsorte unterschiedliche, zwingende Korrelation zwischen der Physik der Gerbstoffketten und der Farbausbeute. Deshalb besitzen dickschalige Rebsorten wie Cabernet Sauvignon oder Malbec intensiv dunkle Farbe mit entsprechend vielen und präsenten Gerbstoffen. Dünnschalige Rebsorten wie Pinot Noir oder Syrah haben dagegen entsprechend weniger dicht wirkende Farbausbeute und aromatisch werden sie eher als beerig fruchtig denn als ledern würzig empfunden. Ihre Gerbstoffe wirken »leicht«, weniger dicht, weniger hart und eher geschmeidig. 

Über die Weinbereitung können Winzerin und Winzer die Ausbeute an Farbe und Gerbstoffdichte beeinflussen. Sie können z. B. die Beerenschalen mechanisch immer wieder in den Most eintauchen und so mehr Extraktion und Konzentration an Gerbstoffen erzielen; sie können die Gärtemperatur variieren oder für mehr Extraktion die Beerenschalen auch noch nach Beendigung der Gärung auf dem dann bereits trocken durchgegorenen Wein weiter extrahieren lassen.

In diesem Prozess der Extraktion der Gerbstoffe liegt ganz wesentlich die Kunst der Rotweinbereitung. Dabei wird jeder Jahrgang zur neuen Herausforderung, der man mit Standard-Rezepten nicht gerecht werden kann. Um dieses alljährliche »Risiko« für die breite Winzerschaft und die Billigwein-Industrie zu entschärfen, hat die Agrochemie entsprechend »sichere« Manipulationen der Gerbstoffe wie der Farbe entwickelt. Wenn Sie also einen tiefdunklen Rotwein im Glas haben, dessen Mundgefühl in der Wirkung der Gerbstoffe nicht der dunklen Farbe entspricht, ist diese definitiv manipuliert. Das ist bei den allermeisten Rotweinen aus dem SB-Regal der Fall, kann Ihnen aber bei ganz teuren Nobelpullen auch passieren.

 Unser Rotweinpaket möchte diesbezüglich Ihren Horizont erweitern ...

... was bitte nicht bedeutet, daß Sie keinen hätten! Um Rotwein in seiner ganzen Bandbreite erleben zu können, haben Ihnen unsere jungen in der Firma, Darja Ulbricht und Philip Ezel, aus ihrer eigenen Erfahrung mit der Horizonterweiterung heraus sechs Rotweine eingepackt, die sich in Struktur und Mundgefühl, also in Farbe, Gerbstoffgehalt und-Wirkung, deutlich voneinander unterscheiden. Sie stammen sowohl von dick- wie von dünnschaligen Rebsorten, aus kühlen und warmen Regionen, aus der Höhe oder aus dem Tal, und zeigen somit über die Beeinflussung der Beerenschalendicke und der Saftausbeute durch diese Faktoren sehr unterschiedliche Wirkung in den Gerbstoffen im Mundgefühl. So können Sie Rotwein aus einer anderen Perspektive erleben, sozusagen per »betreuten Trinkens«, denn wir bermühen uns, jeden Rotwein in diesem Paket so zu beschreiben, daß Sie nachvollziehen können, warum er im Mundgefühl so wirkt, wie er wirkt - so hoffen wir, daß sich auch Ihr Horizont in Sachen Rotwein weit über das lapidare »schmeckt mir/schmeckt mir nicht« hinaus erweitert ...

Viel Freude und Erkenntnis dabei wünschen Ihnen Darja Ulbricht und Philip Ezel


Hier können Sie das Paket bestellen!


Die beiden Bilder unten zeigen Ihnen zwei wesentliche  Faktoren für Qualität im Rotwein. 

Links sehen Sie, wie mit einer Pinzette von Mehltau befallene Beeren einzeln aus den Trauben herausgeholt werden. Eine Schweinearbeit. Doch nur, wer in einem so fordernden Jahrgang wie 2021 Trauben verarbeitet hat, die gesund und reif waren, konnte im Keller auf die üblichen Manipulationen der modernen Önologie verzichten. Daß derart gewonnene Weine nicht »billig« sein können, leuchtet ein, zeigt aber auch, warum billige Rotweine so grausam manipuliert werden müssen.

Rechts sehen sie einen der wesentlichen Freiheitsgrade in der Extraktion roter Trauben. Hier werden rote Trauben mitsamt Stiel und Stängel in der sogenannten »Ganztrauben-Vergärung«. extrahiert. Sie verleiht dem Wein mehr Gerbstoffe, aber auch mehr Frische, mehr Körper und bessere Haltbarkeit, reduziert den nötigen Schwefeleinsatz und sorgt für mildere Säure, weil das in den Stielgerüsten enthaltene Kalium über Weinsteinausscheidung (Kaliumtartrat) zu natürlicher Entsäuerung führt. Das setzt aber natürlich kerngesunde, nicht mit Chemie kontaminierte  Trauben voraus und einen Weinbau, der die Lignine der Stiele und Stängel reif schmecken läßt. Das soll kein Kluggescheiße sein, sondern Ihnen zeigen, wie komplex und aufwendig die Arbeit engagierter Winzer:innen ist, um Ihnen den Genuß von Qualität zu ermöglichen. 


Sechs Rotweine mit weitem Horizont

Jeder sieht anders aus, duftet anders, schmeckt anders, fühlt sich anders an im Mund. Erfahren Sie hier, warum das so ist.


2021 »Un de ces jours« AOP Hautes-Alpes, Domaine Petit Aout

Alpenwein. Aus uralter vergessener Rebsorte: Espanenc. Ihr einziger Wein weltweit. Yann de Agostini produziert ihn auf seiner Domaine du Petit Août im Tal der Durance. Steile Hänge, winzige Terrassen. Kurze Licht-, Wärme- und Reifezeit für die Trauben im Schatten der Berge. Starke Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht im Rythmus der Jahreszeiten. Espanenc hat sich an die widrigen Verhältnisse über Jahrhunderte angepaßt. Sie liefert einen alkoholisch leichten Rotwein. Ihre dünnschaligen Beeren sorgen für ungewöhnlich weich wirkende Gerbstoffe, die dezent herb und animierend spröde agieren und pfeffrig trocken und dezent bitter am Gaumen ausklingen. Zu deftiger Alpen- und regionaler Küche, zu Wurstwaren und gereiftem Hartkäse. Eigenwillig und ungewöhnlich. Nicht zu warm servieren.

2019 »TerreEteree« IGT Rosso Maremma Toscana, La Busattina

Hier steht das Gegenteil im Glas: Warme Toskana im Hinterland von Grosseto. Emilio Falcione betreibt souveränen biodynamischen Weinbau auf wenigen Hektar Rebfläche. Für ihn ist der Wein »anstrengende Nebensache«, denn er produziert auch noch Getreide und betreibt Viehwirtschaft. Hinter naiv wirkendem Etikett verbirgt sich ein aufregend ursprünglich wirkender Naturwein. 85% Sangiovese, 15% Ciliegiolo, 40 Jahre alte Reben auf von unzähligen Steinen durchzogenem Sand auf steilem Westhang. Wild und spürbar natürlich, ungeschwefelt, ungeschminkt und weitgehend ohne Technik produziert. Wilde Hefe, kleine Fässer, keine Temperaturkonrolle, keine Eingriffe. Aus kerngesunden Trauben, weil aus berührend praktizierter Biodiversität. Rotweingenuss als physisches Erlebnis.

2020 Gaillac Rouge »Amphore«, Domaine de Brin, Gaillac

Rotwein aus der Amphore. Deren basische Wirkung des Tons entsäuert den Wein auf natürliche Weise. Das spürt man in diesem visionären Rotwein aus dem wilden französischen Südwesten exemplarisch im Mundgefühl. Der junge Damien Bonnet keltert ihn aus den lokalen alten Rebsorten Braucol (60%) und Duras (40%), zwei rauen Burschen, dickschalig, robust, ungewohnt aromatisch, ungestüm in den Gerbstoffen. Nicht so hier. Die Amphore wirkt Wunder und Damien beherrscht sein Handwerk: Schon im Duft fein, kühl und nobel würzig; man meint, die Qualität der Gerbstoffe riechen zu können, seidig kühl und raffiniert transparent. Im Mund geht er würzig auf in samtiger Fülle voller Saft und Kraft, besänftigt aber zugleich durch kühle Eleganz in dunkler blauer Frucht. Spannend anders als andere.

2019 »Bambino« Zinfandel Field Blend, Bucklin Old Hill Ranch

Will Bucklin ist der herausragende Pionier des regenerativen Weinbaus in Kalifornien. Seine legendäre Old Hill Ranch liegt im warmen Sonoma Valley nördlich von San Francisco. Die dortige Wärme während der Reifeperiode spürt man in diesem Wein sofort: Fülle, Volumen und Opulenz in weicher, samtiger Gerbstoffdichte. Sein »Bambino« ist ein »Field Blend«, ein gemischter Satz, gepflanzt in der traditionellen Form einzelnstehender Buschreben auf der Basis von Zinfandel, dazwischen 13 verschiedene rote und weiße Rebsorten, die gemeinsam geerntet und verarbeitet werden. Die dabei überreifen Rebsorten besorgen die balsamische Opulenz, die unterreif geernteten das frische Säurerückgrat. Gemeinsam sind wir stark. Aromatische Urgewalt. Balsamisch üppig, exotisch berauschend, warm und satt. 

2020 »Garnatxa« Serres Velles D.O Penedès, Montrubi

Grenache, die meistangebaute rote Rebsorte der Welt, hier aus dem spanischen Penedes im Hinterland von Barcelona. Dickschalig. Kommt mit Wärme, Trockenheit und Wind gut zurecht, wird deshalb im gesamten Mittelmeerraum angebaut. Hier steht sie auf 800 m Höhe auf kargen Kalkmergelböden. Besondere Bedingungen. Auf »Montrubi«, einem jungen Biobetrieb, wird sie von Hand geerntet, in Edelstahltanks spontan vergoren und in gebrauchten Barriques auf der Hefe gereift. Ohne Zusatz von Schwefel. Intensiv granatrot. Frisch vermahlener Pfeffer, schwarze Früchte, erdig und dunkelwürzig im Duft. Im Mund irre Fülle, kühl und warm zugleich. So fühlt sich Konzentration an. Satt und dicht, leicht bitter im Nachklang, enorm lang am Gaumen. Sex, Drugs & Rock'n Roll. Braucht Luft in der Karaffe um sich zu entfalten.

2018 Pinot Noir »Eichert«, Charlotte & David Beck, Baden

Spätburgunder (alias Pinot Noir), die dünnschaligste rote Rebsorte der Weinwelt. Empfindlich gegenüber Fäulnis, Regen, UV-Strahlung und Insektenbefall. Deshalb teuer in der Produktion. Für uns Weintrinker:innen verwirrend, weil ihr stilistisches Spektrum durch breite genetische Varianz ungewöhnlich vielfältig ausfällt, von hellarbig transparent und leicht, bis dunkel, dicht und konzentriert. Charlotte und David Beck aus Baden bereiten aus vermeintlich schwachem deutschem Klon einen spürbar hochwertigen, dichten, dunkelwürzigen Pinot Noir durch aufwendige Handarbeit an alten Reben mit niedrigem Ertrag. Vergärung mit Stiel und Stängel für mehr Stoff und aromatische Komplexität. Langer Ausbau auf der Hefe im kleinen Holzfaß mit minimalem Schwefel. Raffiniert tiefgründig würzig im Duft. Seidig dichte, raffiniert feinmaschige Gerbstoffkonsistenz (dünnschalig!). Deshalb leiser und eleganter als dickschalige Rebsorten.  Da muß man genauer hinhören ....