
Die Gans und ihr Wein ...
Und was gibt es dieses Jahr zu Weihnachten als Festtagsbraten? Immerhin scheint festzustehen, daß es gemeinhin ein Braten sein soll. Mit gut 40jähriger Festtagserfahrung als Weinhändler stellen wir fest, daß sich am traditionellen Brauch des Festtagsbraten - und da insbesondere der Weihnachtsgans - in den letzten Jahrzehnten nicht viel geändert hat. Wir werden schon seit Wochen nach unseren Weinempfehlungen zur Weihnachtsgans gefragt - obwohl die Gänse, wie wir feststellen konnten - dieses Jahr stattliche Festtags-Braten-Preise aufrufen. Wie dem auch sei - es ist liebgewordener Brauch, es ist nur einmal im Jahr, und so finden Sie hier wieder sechs sorgfältig ausgesuchte Weihnachts-Festtags-Gans-Begleitungs-Weine.
Gänse sind fett. Wenn man auf dieses wunderbar schmeckende Fett mit dicken, fetten, schweren Weinen losgeht, wird die Angelegenheit mächtig und schwer, die Gesellschaft wird müde, die Köpfe fallen auf die Tischplatte und der Abend endet schneller als geplant.... das muß nicht sein..
In zahlreichen uneigennützigen Selbstversuchen haben wir festgestellt, daß die begleitenden Weine eine gewisse Frische und Leichtigkeit brauchen, um das fette Gänsefleisch harmonisch verdauen zu helfen. Leicht soll dabei nicht »harmlos« heißen. Angenehm geschmeidig sollten die Gerbstoffe der Rotweine sein, nicht zu präsent und doch so dicht, daß Sie dem intensiven Fleischgeschmack Paroli bieten können. Zu alkoholisch dürfen sie nicht sein, weil viel Alkohol mit viel Fett zu unangenehm metallischem Geschmack führen kann. Wir empfehlen gute, hochwertige, aber nicht zu teure Mittelklasse-Rotweine, weil sie genau das erfüllen, was Sie suchen.
Weißweine zur Gans brauchen Stoff und Körper, dürfen aber nicht schwer wirken; sie müssen die Röstaromen und das Salz »tragen« und brauchen dazu auch das Gefühl von Frische durch eine gewisse Säure, sie dürfen aber keinesfalls sauer wirken und auch sie müssen im Alkoholgehalt sozialverträglich sein. Deshalb sind in der Regel die Gans begleitende Weißweine etwas teurer als die Rotweine, weil sie, das finden zumindest wir, eine gewisse salzige Mineralität und Straffheit besitzen sollten, um mit fröhlichem Trinkfluß und hochwertigem Mundgefühl die Festtags-Gesellschaft nicht nur zu erfreuen, sondern auch zu beleben. Wir hoffen, daß wir Ihren Festtags-Geschmack wieder mit diesen sechs bewährten Empfehlungen treffen.
2021 Cotes du Rhône »Un Air de Remejeanne« | Domaine de la Remejeanne | Rhône | 10,50 €
Ein nur kurz auf den Beerenschalen extrahierter und deshalb unheimlich charmanter, duftiger Rotwein von der südlichen Côtes du Rhône. Von einem der führenden Bio-Betriebe dort. Grenache und Syrah in trotz 14 Vol.% kühl wirkender Substanz. Feine, saftige Gerbstoffe, die niemand überfordern und doch genau die richtige Dosierung auf die Zunge spülen, um den Festtagsbraten (über die Gans hinaus) ehrenhaft und gekonnt schwimmen zu lassen. Verströmt attraktive dunkle Beerenwürze, verträgt auch einen Hauch Süße aus eventueller süßlicher Füllung oder begleitender Sauce, ist natürlich selbst knochentrocken, und wenn Sie den Wein dann auch noch dezent kühl servieren, dann wird er alle Beteiligten mit seiner an den letzten Urlaub im Süden erinnernden fruchtigen Würze und seinen wohltuend geschmeidigen und fröhlich die Zunge streichelnden Gerbstoffen glücklich machen. Die duftig würzige Geht-immer-Variante.
2020 Pinot Noir »K&U-Sonderedition« | Weingut Holger Koch | Baden | 24,00 €
Spätburgunder aus Baden. Aber hier nicht »von der Sonne verwöhnt«, sondern von einem guten Winzer, der sein Handwerk versteht. Holger Koch aus Bickensohl am Kaiserstuhl hat sich in den letzten Jahren exzellenten Ruf erworben mit delikaten, handgemachten Spätburgundern, die ohne jene inzwischen leider üblichen Manipulationen im Keller auskommen, die zwangsläufig zu mehr Schein als Sein führen.
Diese K&U-Sonderedition stammt von kleinbeerigen Trauben deutscher und französischer Genetik, die Holger Koch auf seinen tiefgründigen Löß-Terrassen hoch über Bickensohl erntet. Lößboden. Er macht den Wein geschmeidig in zart duftigen, fast schon transparent wirkenden Gerbstoffen, läßt ihn leicht, delikat und elegant über die Zunge schweben, unterlegt mit einer filigranen, frischen Säure, die den Wein dezent herb durchzieht und ihn so das Fett der Gans fast unbemerkt »verdauen« läßt. Dabei bleibt am Gaumen eine wunderbar süßlich würzige Beerenfrucht spürbar, für die Spätburgunder so unvergleichlich steht und die hier in weihnachtlicher Aromatik Speis und Trank gemeinsam harmonisch verbindet. Die filigranere, vornehmere und leisere Variante, wenn man so will ...
2018 Reserve (Blaufränkisch/St. Laurent) | Weingut Rosi Schuster | Burgenland | 22,00 €
Eine tolle Flasche, diese Reserve, die der junge Hannes Schuster gekonnt aus den zwei emblematischen roten Rebsorten des Burgenlandes direkt am Neuseesiedler See zusammengestellt hat: Blaufränkisch und Sankt Laurent. Hier in seltener Harmonie.
Blaufränkisch ist der perfekte Gans-Begleiter, sofern der edle Vogel nicht zu viel Süße ins Spiel bringt. Blaufränkisch riecht und schmeckt bläulich, erinnert an Wacholder und Lorbeer, an frisch gespitzen Bleistift (Graphit), wirkt also eher kühl und schlank und schmeckt wie eine Mischung aus Pinot Noir und Syrah. Er kann je nach Stil und Weinbereitung dick oder fein sein, schlank oder breit, kühl oder warm ausfallen.
Sankt Laurent ist eine eigenartig würzige, in Duft und Geschmack oft an frisches Leder und Edelhölzer erinnernde Rebsorte, die in Gerbstoffen und Wirkung im Mund an Cabernet Franc erinnert. Yin und Yang also in einer Cuvée, die hinreißendes Mundgefühl liefert. reif und samtig, aber auch dicht und frisch. Opulent, aber nicht heiß, sondern erstaunlich kühl. Dichte Gerbstoffe umhüllen die Zunge und freuen sich schon auf das Fett des Gänsefleisches. Die beiden passen gut zusammen, weil der Wein trotz seines komplexen Mundgefühles eben doch transparent frisch und geschmeidig agiert. Ziemlich coole Kombination. Die anspruchsvoll dichte Struktur-und-Wirkung-Variante.
2021 Viognier »K&U-Sonderedition« | AdamsWein | Rheinhessen | 18,00 €
Viognier. So heißt hier die Rebsorte. Muß niemand kennen. Kommt von der Nordrhône, war dort fast ausgestorben, wurde dann ob ihrer eigenwilligen aromatischen Eigenschaften wiederentdeckt, vor dem Aussterben gerettet und genießt heute hohes Ansehen unter Weintrinker:innen, die den Reiz des Besonderen im Weißwein suchen. Viognier - die säureärmste Weißweinsorte der Welt; duftet exotisch nach Lychee und weißen Blüten. Bei Biowinzerin Simone Adams, die zu den wenigen gehört, die die seltene Rebsorte hierzulande kultiviert, fällt sie nochmal anders aus als gewohnt. Kalkboden. An der Rhône steht sie auf Schiefer und Granit, hier steht sie auf basischem Kalk. Prompt verändert sie Stil, Charakter und Mundgefühl.
Sie begeistert hier mit saftig cremiger Substanz im Mund, kernig, aber weich und mundfüllend, durchzogen von einer feinen Säureader, die man aber nicht als Säure, sondern als Struktur wahrnimmt, unaufdringlich in ein enorm saftiges, fast sahnig wirkendes Mundgefühl integriert. Aromatisch strahlend frisch, fast steinig wirkend und vollkommen fruchtfrei, troztdem aber spannend exotisch und ungewohnt in der Aromatik. Paßt perfekt zum Festbraten und zur Gans, vor allem wenn es um etwas ungewöhnlichere Würzung mit Piment, Zimt & Co geht.... Weißwein, ganz auf Mundgefühl und Würze gesetzt. Die aufregende Variante.
2021 Côtes Catalanes »Coste« | Domaine Danjou-Banessy | Roussillon | 20,50 €
Südfrankreich, kurz vor der spanischen Grenze. Am Fusse der Pyrenäen. Eine der spannendsten Weinbauregionen Frankreichs. »Coste« ist Weißwein von einem der absoluten Spitzenbetriebe der Region. Erinnert unweigerlich an großen weißen Burgunder in seiner steinig mineralisch straffen Art, die fruchtfrei daherkommt, dafür aber die appetitlich komplexe Aromatik von nassem Stein nach einem Sommerregen verströmt (Geosmin). Salzige Mineralität von uralten, tiefwurzelnden Reben der Rebsorte Macabeu. Kennt man, wenn man sie kennt, aus Spanien, ist aber auch hier zu Hause.
Der junge Benoit Danjou bereitet aus winzigen Erträgen einen Weißwein, der Staunen macht. Dicht und fast gerbstoffähnlich wie Rotwein, dabei strahlend frisch und buchstäblich mundwässernd, ganz eigen, ganz ungewohnt, trotzdem aufregend gut und horizonterweiternd. Unbedingt dekantieren, nicht eiskalt servieren. Paßt dann perfekt zum Fett von Gans, Ente und Schmorbraten. Saugt es auf, macht es nicht mehr spürbar, kompensiert es und schafft strahlende Frische im Mund. Salz zu Salz ist hier die Devise. Mineralität kompensiert Fett in rarer Harmonie. Großer Weißwein zum fairen Genußtarif. Die anregende Naturwein-Variante für Neugierige und Wagemutige.
2020 Silvaner »Augustbaum« | Weingut Östreicher | Franken | 29,00 €
Fränkischer Silvaner. So kann er auch schmecken. Endlich mal echtes störrisches Franken im Glas. Authentisch trocken und spürbar ungeschminkt. Aus Sommerach an der Maininsel. Ohne Bewässerung, weil von Kerstin und Richard Östreicher biologisch bewirtschaftet. Da sind die Böden gesund, die Reben leiden nicht unter Stress und der Winzer kann sich im Keller viel Zeit nehmen für Trauben, Hefe und Wein.
Dieser Silvaner wurde von der Qualitätsweinprüfung mehrfach abgelehnt, um in letzter Instanz doch noch gnädigerweise die Prüfnummer zu bekommen. Wenig später wählte ihn die Zeitschrift VINUM zum besten Silvaner des Jahres. Kein Kommentar. Franken muß »seinen« Silvaner erst noch finden. Östreichers haben ihn längst im Programm. Der Weg dahin war lang und beschwerlich, denn der Zeitgeist stand gegen Östreichers und ihren nackigen Stil. Das hat sich erst in den letzten Jahren geändert. Niedrige Erträge, spontan vergoren im Holzfass, viel Zeit auf der Hefe, keine Schminke, kein Make up, purer Silvaner. Klingt so einfach, war so schwer ....
Preislich ganz schön sportlich, dafür gibts nachhaltiges Weinerleben fürs Geld. Der Wert steckt in kernig trockener Substanz mit viel Saft und Kraft. Absolut trocken. Potent würzig. Frische Säureader, die man kaum spürt, weil der Wein so dicht daherkommt durch die niedrigen Erträge, daß er eher wirkt als schmeckt. Aus der ältesten, nicht flurbereinigten Parzelle im Katzenkopf. Modell-Silvaner von Muschelkalk. Der braucht Fett, um zu Hochform aufzulaufen, dann ist´s eine Freude, die beiden miteinander spielen zu sehen. Möglichst 2-3 h vor Genuß dekantieren. Die Salz-Fett-Säure-Harmonie-Variante, wenns deutscher Wein sein soll.
Wir wünschen gänsliches Vergnügen.