Blaufränkisch. Die große rote Rebsorte des Österreichischen Burgenlands. Sie ist in Deutschland als Lemberger bekannt und ist, außer in Württemberg, kaum verstanden oder gar geschätzt. In Österreich ist sie längst aufgestiegen zur meist angebauten roten Rebsorte des Landes. Dort schmeckt sie allerdings grundsätzlich anders als die meisten deutschen Lemberger, was nicht nur an einem anderen Qualitäts- und Preisbewußtsein der Winzer dort liegt, sondern auch auf die klonalen Unterschiede des Rebmaterials. In Slowenien wie im Friaul ist die Rebsorte übrigens bekannt als Frankonia, in Ungarn heißt sie Kekfrankos.
Blaufränkisch treibt früh aus, ist deshalb spätfrostgefährdet. Er reift aber zugleich auch so spät, daß er nur in warmen Regionen qualitativ hochwertig gelingt. Weil er zu Produktivität neigt, müssen seine Erträge durch weinbauliche Maßnahmen gezielt gezügelt werden. Wenn man ihn im Weinberg aber im Griff hat und im Keller auf die üblichen Manipulationen moderner Kellerwirtschaft verzichtet, kann Blaufränkisch grandios charaktervolle Rotweine hervorbringen. Dann kann er, stilistisch zwischen hochkarätiger Nordrhône-Syrah und gutem Burgunder Pinot Noir angesiedelt, bemerkenswert vielschichtige, aromatisch feine aber komplexe, mit pikant agierender Säure ausgestattete Rotweine bewundernswert eigenständiger Stilistik liefern, die in trinkfreudiger Frische und blauschwarzer Farbtiefe unverwechselbar geschmeidige Gerbstoffe von seidiger Dichte auf die Zuge bringen, und das mit einer Rasse und Klasse in Stil und Qualität, die weltweit ihresgleichen sucht.
Im österreichischen Burgenland widmen sich ein paar ambitionierte Winzer der Rebsorte mit Können und besonderem Engagement. Sie verzichten bewußt auf die dort übliche Mostkonzentration und den kosmetischen Einsatz neuen Holzes, weil sie den Herkunftscharakter, die aromatische Feinheit und die strukturelle Komplexität des Blaufränkisch in den Vordergrund ihrer Arbeit stellen, und nicht die künstliche Kraft der Konzentration oder den Populismus des Alkohols und seiner ermüdenden Süße suchen. Sie verarbeiten gesunde Trauben so schonend wie möglich; sie vergären spontan und bauen sensibel in größeren Holzfässern aus, sie behandeln den Wein so natürlich wie möglich und orientieren sich am pH-Wert als dem Schlüssel für Mikrobiologie. Sie sorgen so für faszinierende regionale Identität, die jedem einzelnen ihrer Weine das unverwechselbare Profil seiner Herkunft verleiht. Sie meiden plakative Stilistik und überlassen ihre Weine mutig dem Spiel der Jahrgänge, die wie bei Pinot Noir sehr unterschiedlich ausfallen. Sie wagen ursprünglichen Charakter in jedem ihrer Weine und zelebrieren Blaufränkisch als eine der großen roten Rebsorten der Weinwelt.
Lange Zeit dachte man, Blaufränkisch wäre mit Gamay oder Mondeuse verwandt, vermutlich, weil die alte, eigenständige Rebsorte viel zu lange mit viel zu hohen Erträgen beaufschlagt und im Keller falsch behandelt wurde. Deutsche Wissenschaftler an der Bundesanstalt für Züchtungsforschung Geilweilerhof konnten nun kürzlich die DNA der Rebsorten Blaufränkisch wie auch des Blauer Portugieser vollständig entschlüsseln. Bisher war nur ein Elternteil der beiden Sorten bekannt: der Weiße Heunisch beim Blaufränkisch und der Grüne Silvaner beim Blauen Portugieser. Nun wurde die Blaue Zimmettraube als der weibliche Elternteil sowohl beim Blaufränkisch (Blaue Zimmettraube x Weißer Heunisch) als auch beim Blauen Portugieser (Blaue Zimmettraube x Grüner Silvaner) wissenschaftlich bestätigt. Sie stammt direkt vom Blauen Gänsfüsser ab, einer Rebsorte, die für einige osteuropäische Reben als Ahnin gilt. In alten Dokumenten konnte sogar geografisch lokalisiert werden, wo die natürlichen Kreuzungen stattfanden. So scheint der Ursprung beider Sorten in der damaligen Untersteiermark gelegen zu haben, dem heutigen Slowenien. Dort sollen beide Sorten bereits vor 1750 bekannt gewesen sein. Damit sind alle bisherigen Theorien zum Ursprung der beiden Rebsorten Blaufränkisch und Portugieser widerlegt.
Heute wird im Burgenland Blaufränkisch auf über 3000 ha rund um den Neusiedlersee angebaut. Er wird dort überwiegend reinsortig gekeltert, doch gibt es auch Cuvées mit Cabernet Sauvignon, Merlot, Zweigelt, Syrah, Pinot Noir und anderen Rebsorten, die es aber nur selten schaffen, aus der Monotonie internationaler Stilistik auszubrechen. Die stilistische Interpretation der Rebsorte Blaufränkisch ist im Burgenland zum Politikum und Streitobjekt ideologischer Stilistik-Lager geworden, die sich bipolar entgegenstehen: Auf der einen Seite die überaus erfolgreichen dicken, alkoholisch fetten Rotweine internationaler Prägung mit Süße, opulenter Aromatik, weicher Säure und dichtem Gerbstoffgerüst; auf der anderen die Puristen mit eleganten, von feiner Säure geprägten delikaten Weinen natürlicher Expressivität und unverwechselbarer Regionalstilistik. Es sind letztere, die uns interessieren, weil nur sie Weltklasseniveau in mutig eigenständigem Geschmacksparadigma fokussieren, das populistisch simple Breite im Mundgefühl durch frische Länge in struktureller Komplexität ersetzt.