Albariño ist Spaniens große alte weiße Rebsorte, die aber zumindest bei uns noch immer nicht die Bedeutung auf dem Markt hat, die sie haben müßte. Ihr Name, den man als »Weißer vom Rhein« übersetzen könnte, suggeriert eine gewisse Verwandtschaft mit dem deutschen Riesling, was sich in DNA-Tests aber als falsch herausstellte, wo sie eine Verwandtschaft mit der portugiesischen Rebsorte Loureiro zeigte. Durch eine bis heute nicht geklärte Vertauschung von Rebreisern in der »Mision Biologica de Galicia« wurde über viele Jahre Europas historische weiße Ur-Rebsorte, der weiße Traminer (alias Savagnin blanc), als Albariño ausgepflanzt. Bis heute weiß man nicht, in wievielen Weinbergen statt ihm tatsächlich der weiße Traminer steht. Zumindest im Mundgefühl ähneln sich die beiden Rebsorten verblüffend, aromatisch unterscheiden sie sich aber je nach Ausbauart.
Albariño wird als Alvarinho besonders in Nord-Portugal angebaut. Die Rebsorte bildet dort zusammen mit der weißen Sorte Loureiro das Rückgrat der Vinho Verde-Produktion. Auch im Douro-Tal ist sie für bemerkenswert hochwertige und charaktervolle Weißweine verantwortlich, deren Frische und Präzision nachhaltig beeindrucken. In Spanien allerdings wäre Albariño in den achtziger Jahren beinahe aus dem Rebkataster verschwunden. Im blinden Rausch des Modernismus der achtziger Jahre, der auch Spaniens Weinszene nachhaltig mit Merlot, Cabernet, Syrah, Chardonnay und Sauvignon Blanc verseuchte, hätte man die große weiße Rebsorte des Landes, die als eine der ersten in Spanien die Sorte auf dem Etikett nennen durfte, fast »vergessen«. Inzwischen wird Albariño aber wieder auf einigen tausend Hektar im nordwestlichsten Zipfel Spaniens, dem grünen Galizien, angebaut. Leider läßt das Qualitätsprofil der interessanten Rebsorte aber immer wieder zu wünschen übrig, weil zu viele müde, gezielt in der Säure gekappte Versionen den Markt überschwemmen. Eine Konzession an den Geschmack der Madrileños, die im Sommer vor allem säurearme (und dezent restsüße) Weißweine aus Zentralspanien trinken und sich so auch »ihren« Albariño wünschen.
Das Zentrum des Albariño-Anbaus liegt in den Rias Baixas. Fjordähnliche Flußmündungen mit tief ins Landesinnere schneidenden Meeresarmen prägen dort die fruchtbare Landschaft Galiziens. Hier hat sich Albariño, der hier meist noch in charakteristischer Pergola-Erziehung steht, an das spezifische Klima perfekt adaptiert. Der Rebsorte behagt das feuchte Klima. Ihr reicht die Sonneneinstrahlung, um von Natur aus geringe Erträge zu liefern. Sie produziert kleine, kugelrunde Beeren mit besonders dicker Haut, die sie auf natürliche Weise vor Schimmel- und Fäulnisbefall im feuchtwarmen Klima schützen. Ihre Beeren bilden dreieckige feste Trauben, die nur 100 bis 150 g schwer sind. Die besten Albariños stammen aus dem Val do Salnés, wo die Reben auf saurem Granit stehen. Von dort kommen die mit Abstand besten reinsortigen Albariños, die zu den teuersten Weißweinen Spaniens gehören.
Ein guter Albariño ist ein faszinierend den Mund füllender, saftiger, von frischer aber weicher Säure durchzogener knochentrockener, fast ein wenig salzig schmeckender Weißwein, der in seiner bestechend zitrusartigen Frische an Riesling oder Ribolla erinnert. Sein seidig kühler Geschmack wirkt animierend straff und frisch, kraftvoll und dicht zugleich. Im Duft ein erfrischender Hauch grüner Äpfel, mit Spuren von Zitrusnoten und reifem gelbem Pfirsich. Fruchtig und floral zugleich duftet ein guter Albariño, da treffen Lindenblüten auf Orangenschale und Akazienblüte trifft auf Zitronengras und Bergamotte. Guter Albariño verführt mit knochentrockener Frische, die an die salzige Gischt an einem windigen Tag am Meer erinnert, und wirkt dabei zugleich angenehm weich in der Textur. Ein auf seine Art einzigartiger Weißwein, der im Gedächtnis bleibt. Eine der spannenden weißen Rebsorten der Welt, die nähere Beschäftigung belohnt.