Traubenreife


Die Reife der Weintrauben ist ein komplexes Thema. Es geht dabei nicht nur um das Mostgewicht, also den Zuckergehalt des Traubensaftes, sondern auch um die vielen anderen Inhaltsstoffe der Beeren. Deshalb sollten bei der Überprüfung, ob die Trauben reif für die Ernte sind, neben der Messung des Mostgewichtes auch noch andere Indikatoren zu Rate gezogen werden. Man muss die Beeren probieren und aufmerksam begutachten!

Reife-Indikatoren

Stiele
Schon der Stiel der Trauben kann durch seinen Zustand Auskunft über die Reife geben. Ist er an der Stelle, wo er aus dem Trieb kommt, bräunlich, also bereits verholzt, gibt das Hinweis auf Reife. Ist er noch ganz grün, so sind die Trauben evtl. noch nicht bereit für die Lese. Dies ist allerdings abhängig von der Rebsorte, denn die vielen verschiedenen Traubensorten unterscheiden sich in ihrer vielfältigen Ampelographie und haben unterschiedliche Merkmale und Ausprägungen. 

Kerne

Auch bei den Traubenkernen verrät die Farbe etwas über die Reife. Gleiches Prinzip: sind die Kerne grün, so sind sie noch nicht reif; sind sie braun, so sind die Beeren bereits reif oder kurz davor. Das macht sich auch im Geschmack deutlich. Grüne Kerne schmecken sehr bitter und adstringierend. Die braunen Kerne sind gar nicht mehr so unangenehm und haben weichere Tannine, die nicht so aggressiv auf der Zunge wirken. Diese Gerbstoffe (Tannine) gehören zu den Phenolen und sind besonders bei Rotwein von großer Bedeutung. 60 % der Phenole der Beere sind in den Kernen enthalten! 

Fruchtfleisch

Der geringste Anteil an Phenolen befindet sich im Fruchtfleisch. Hier ist allerdings die Hälfte des Zuckers der Beere zu enthalten. Von ihm ist der spätere Alkoholgehalt abhängig, da der vorhandene Zucker später bei der Gärung durch Hefe zu Alkohol und Kohlendioxid umgewandelt wird. Anhand des Traubensaftes, den man durch Ausquetschen des Fruchtfleisches gewinnt, kann das Mostgewicht gemessen werden. Dabei geht es um eine Dichtemessung, die den Zuckergehalt angibt. Es gibt mehrere verschiedene Skalen - in Deutschland wird Oechsle verwendet. Es gibt aber nicht immer den selben Wert X, bei dem dann gelesen werden soll. Es kommt vor allem auch darauf an, was aus den Trauben werden soll, also welcher Typ Wein. So kann man dann steuern, wie der Wein sich entwickeln soll, oder besser gesagt: bestimmte Entwicklungen begünstigen. Eine 100 prozentige Steuerung ist natürlich und zum Glück (sonst wäre es doch langweilig) nicht möglich, aber man kann eine Richtung vorgeben. Die ganzen chemischen Prozesse (Aromaausprägung, usw.), die dann während der Weinbereitung ablaufen, sind komplex und weitgehend unvorhersehbar, und von vielen weiteren Faktoren abhängig. Wein ist ein spannendes und faszinierendes Produkt!

Schale

Die Beerenschale kann vor allem optisch Auskunft über die Reife geben. Nach der Veraison, der Verfärbung der Beeren, (ca. 60 Tage nach der Blüte) geht es in die Reifephase. Blaue Trauben verfärben sich von grün zu blau und weiße von grün zu gelb. Auch das ist natürlich pauschalisiert und rebsortenspezifisch. Es gibt auch Sorten wie Grauburgunder und Traminer, die rosa-farbene Trauben hervorbringen, die nie ganz dunkel werden.

Konsistenz

Sind die Beeren noch hart und platzen nicht leicht auf, so sind sie noch nicht reif. Sie sollten aber auch nicht zu weich oder matschig werden, dann könnten sie schon überreif sein. Das kann jedoch natürlich auch beabsichtigt sein, wenn Prädikatsweine wie z. B. Beerenauslesen produziert werden sollen.

Geschmack

Schon der Geschmack der Beeren - des Traubensaftes, der Kerne, der Schale - ist sehr komplex und kann viele Auskünfte geben. Wichtig ist es, auf die Süße-Säure-Balance zu achten, auf die Tannine, auf den Gesamteindruck. So können Winzer:innen durch viel Erfahrung schmecken, ob die Trauben reif für die Lese sind, also eine hohe Konzentration an Phenolen (Aromastoffen, Tanninen, Säuren, usw.) haben. Die Extrahierbarkeit dieser Phenole verändert sich mit dem Reifeverlauf und die Inhaltsstoffe nehmen mit fortschreitender Reife zu. 

Problematik

Also wäre es nicht schon komplex und anspruchsvoll genug, den optimalen Lesezeitpunkt zu bestimmen, wird es durch den Klimawandel noch erschwert. Mit zunehmender Klimaerwärmung werden die Beeren schneller physiologisch reif, d. h. sie erreichen schneller eine höhere Zuckerkonzentration. Wie anfangs erwähnt, ist dies aber nur einer von vielen Reife-Indikatoren. Die Beeren müssen zum Zeitpunkt der physiologischen Reife auch die entsprechende vegetative Reife haben, also dass die Tannine weich sind, Aromastoffe in ausreichender Konzentration vorhanden, Säure nicht mehr so hoch, usw. Durch den Klimawandel verschieben sich diese Zeitpunkte aber zunehmend, sodass oft bei hohen Mostgewichten noch keine vegetative Reife erreicht ist. Das stellt ein großes Problem dar, dem sich die Winzer:innen heute stellen müssen... Die Arbeit im Weinberg während der Vegetationsperiode ist hier entscheidend. 

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