Flash Détente | Thermovinifikation


Flash Détente heißt ein um 1990 herum in Südfrankreich entwickeltes Weinbereitungsverfahren, das sich in der Weinindustrie inzwischen weltweit großer Beliebtheit erfreut. Das technisch aufwendige Verfahren ermöglicht es Anwendenden, aus kontaminierten, unreifen oder faulen, mit dem Vollernter gelesenen Trauben Rotweine zu produzieren, die durch deutlich verkürzte Gärphase »fruchtig« und »weich« ausfallen und deshalb leicht verkäuflich sind. Die entsprechenden Apparaturen werden meistens fest installiert. In Frankreich und Italien gibt es zwei Marktführer, die Weingüter mit mobilen Anlagen den Umsatz zu retten versuchen...

Auf Deutsch heißt das Verfahren »Thermovinifikation«, was präzise beschreibt, was mit den Trauben passiert: Nach dem Abbeeren und Mahlen werden die Beeren auf 85 °C erwärmt und anschließend in eine Vakuumkammer geleitet, in der Saft und Beeren blitzschnell abkühlen. Weil die Beeren aufgerissen sind, wird durch die Wärme die Farbe aus den Epidermiszellen gelöst und der Dampf, der während des Abkühlprozesses entsteht, nimmt die flüchtigen Aromakomponenten auf. Die Trauben werden also separiert in gefärbten Saft, in die Schalen mit ausgelöster Farbe und das Kondensat mit den Aromen. In der Weiterverarbeitung entscheidet sich, wie ihr daraus entstehender Wein schmecken wird. Man kann nur den Saft zu Wein vergären, kann ihn aber auch, um wenigstens ein paar Tannine zu extrahieren, zur Schalenmazeration nutzen. Auch das entstandene »Geschmackskondensat« könnte zum Wein zurückgegeben werden, wenn es qualitativen Minimalansprüchen genügt. Wenn es dazu nicht taugt, muss es vernichtet werden.

Die Thermovinifikation mindert die negativen Folgen der Verarbeitung von faulen oder unreifen roten Trauben durch die Verkürzung der Mazeration auf den Schalen. So verhindert sie auch die mögliche Bräunung durch faules Lesegut. Allerdings muss dazu die Wärme nach dem Erhitzen möglichst schnell abgegeben werden, um enzymatische Reaktionen im Saft zu vermeiden, was den hohen technischen Aufwand der Anlage erklärt. 

Das Verfahren wird heute - ohne jegliche Deklaration - weltweit in der Produktion von Rotweinen eingesetzt, u. a. auch, um die Kontamination durch die Raucharomen der katastrophalen Wildfeuer nahe Kaliforniens und Australiens Weinbergen zu mindern. Deren flüchtige Bestandteile werden bei hoher Temperatur aus den Trauben entfernt und in gekühltem Wasser gelöst; anschließend kann man Most und Trauben ohne die unerwünschten Aromen weiter verarbeiten. 

In vielen heißen Weinbauregionen der Welt führt der Klimawandel zu einer Reifeblockade der Trauben. Sie erreichen ihre optimale Reife in Bezug auf Farbe, Tannin und Geschmacksentwicklung nicht. Flash Détente hilft, die Anthocyane, also die Farbstoffe, zusammen mit den Gerbstoffen aus den Schalen der Beeren so zu lösen, dass deren Wein geschmacklich noch »gerettet« werden kann.

TempranilloCabernet Sauvignon und Malbec liefern mittels dieser Technologie Weine, die 100 % mehr Phenole enthalten als aus traditioneller Maischegärung. Sie besitzen zwar weder Tiefgang noch Charakter, sind aber harmlos weich, rund und fruchtig, weshalb sie kommerziell erfolgreich sind. Viele große und kleine Weingüter in Bordeaux, an der Rhône, in Italien, Spanien und Südafrika nutzen deshalb das Verfahren ebenso, wie große Industriebetriebe und Genossenschaften, die Trauben in riesigen Mengen verarbeiten. Sie sparen sich damit Fass- und Gärvolumen, können weniger Hefenährstoffe einsetzen und senken das Risiko bakteriellen Verderbs.

Derart bereitete Weine besitzen keinerlei Herkunfts- oder sonstigen Charakter. Sie befriedigen ausschließlich kommerzielle Ansprüche. Vor dem Hintergrund finden wir es bedenklich, dass immer mehr Weingüter, auch nette kleine Familienbetriebe, überall auf der Welt auf die Thermovinifikation setzen, ohne dies ihren Kund:innen mitzuteilen (die es ganz offensichtlich nicht zu schmecken scheinen). Sie huldigen ohne Rücksicht auf Verluste einem Publikumsgeschmack, dessen Ansprüche immer niedriger werden, nur um schnellen Absatz zu generieren. Rotweine mit Anspruch und Charakter sind mit diesem Verfahren nicht zu produzieren.


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