»Fine Wine« ... oder guter Wein?
In England gibt es eine Weinbörse, die Liv-Ex in London, die den sogenannten »Fine Wine Market« bestimmt, bewertet und dominiert. Als »Fine Wine« definiert eine selbsternannte Händler-, Sommelier- und Weinschreiber-Elite jene 30 bis 50 Weinmarken der Welt, die von ihr und ihrem eigenartigen Markt zur vermeintlichen Spitze der Wein-Welt erklärt wurden. Dazu gehören zwei Seiten: Diejenige, die diese Weine zur Spitze erklärt, und diejenige, die das übernimmt und sie prompt als Investment sieht und handelt.
Um diese »Fine Wines« hat sich ein ganz eigener Markt weltweit entwickelt. Dessen Händler und Promoter leben maßgeblich davon, die Punkte und Bewertungen dieser sogenannten »Spitzenweine« zur Währung gemacht zu haben, mit der sie nun geschickt und überaus einträglich zu spielen wissen. Hohe Bewertungen, angebliche Verknappung und ein hoher Preis sind ihre Argumente. Eine Währung, die die überwiegend männliche Käuferschaft dieser Weine sehr wohl versteht, und so pinseln die auf diesen Markt spezialisierten Händler mit teurem Hochglanz geschickt die Egos ihrer werten Kundschaft, für die gerade gut genug ist, was viel kostet. Daß sie dabei von Inhalt und Herstellung dieser Weine so wenig Ahnung hat, wie vom Wein an sich, ist gewollt, denn nur so kann dieser Markt überhaupt funktionieren. Deshalb sind die Händler dieser Weine auch nur Flaschenbeschaffer, denen es ausschließlich um den Marktwert der Flaschen geht. Dieser wird permanent und selbstverständlich in eloquentem Hochglanz von einer servil zuarbeitenden Schar selbsternannter Vorkoster kniefällig bewertet und mundgerecht bejubelt - und damit erst zu dem gemacht, was er sein muß, damit das System funktioniert.
Das wissen die eiskalt kalkulierenden Zuträger und Promoter des Fine-Wine-Systems zu nutzen: Mit schweineteuren Nobel-Verkostungen und »exklusiven Reisen« zu den Orten ihrer Sehnsucht knöpfen sie den Teilnehmern nicht nur viel Geld ab, sie halten mit deren unterbewußter Sehnsucht nach Bestätigung auch geschickt und höchst lukrativ das Feuer dieses Marktes am Köcheln.
Doch ist es nicht verwunderlich, daß in ihren Berufen hart agierende und kalkulierende Menschen, wie wären sie sonst zu ihrem Geld gekommen, ausgerechnet beim Wein den so vergründigen Illusionen des »Fine Wine«-Marktes auf den Leim gehen? Der lebt nämlich so ausschließlich wie ausgezeichnet von wohldefinierten Klischees, die allerdings zu einer erschreckend banalen Uniformität im sogenannten »Spitzenwein« geführt haben. Önologen wie Riccardo Cotarella in Italien, um nur einen der bekanntesten zu nennen, oder die »flying winemakers«, die überall auf der Welt nach identischen Rezepten identisch schmeckende Weine produzieren, bis zu den hochgehandelten Weinmachern des kalifornischen Napa Valley - sie alle wissen exakt, wie sie jene Klischees erzeugen können, die der jeweilige Markt verlangt.
Dazu kommen, gerade im »Fine Wine«, oft aufwendige physikalische und chemische Verfahren zum Einsatz, denn wer viel Geld für Wein ausgibt, hat klare Vorstellungen davon, wie dieser riechen und schmecken muß. Diese Vorstellungen wollen, wenn sie denn schon so teuer verkauft werden, auch maximal erfüllt werden. Also wird geschmacklich aufwendig an diesen Weinen bearbeitet was die Önologie hergibt und das Gesetz erlaubt.
Allerdings kommt bislang kaum ein Wein des Fine Wine-Marktes aus ökologischer Bewirtschaftung. Weil man den Druck des Marktes aber auch hier spüren beginnt, laufen intensive Verhandlungen zwischen den entsprechenden Winzern des Fine Wine-Businesses und den internationalen Bioverbänden. Doch die Rebflächen, die hinter den angeblich so knapp bemessenen Spitzenweinen stehen, sind zum Teil so groß, daß deren Konzerne und Weinmacher auf Maschinenlese und quasi-industrieller Verarbeitung mit Reinzuchthefe-Gärung, Schönungen und jenen geschmacklichen Manipulationen bestehen, die sie für die Stilistik des »Fine Wine«-Anspruches so dringend benötigen. Darauf wollen sich die Bioverbände aber bislang nicht einlassen.
Man beginnt also an Grenzen zu stoßen im Fine Wine-Business. Wenn Handel und Sommelerie weltweit an einem Strang ziehen würden, könnte man diesen Fine Wine-Markt schnell als das entlarven, was er ist. Doch noch immer ist viel zu viel Geld mit diesem so erfolgreichen Geschäftsmodell verdient und so bleibt der Wunsch wohl der Vater des Gedankens.
Dieser »Fine Wine« hat uns in seiner trügerischen Illusion nie interessiert. Wir wollen keine Lügen vermarkten, keine Märchen erzählen, wir wollen Transparenz im Wein, vom Weinberg bis auf die Flasche. Ein weiter Weg, gewiß. Aber einer, der uns Spaß macht und erfüllt. Für uns läßt guter Wein Individualität und Eigenart im Wein zu, die Schwankungen und Imperfektion der Natur. Die guten Weine, mit denen wir handeln, schmecken nicht immer gleich und schon gar nicht immer so, wie wir es von ihnen erwarten. Sie schmecken jedes Jahr anders. Man kann in ihnen den kühlen Jahrgang ebenso ahnen, wie man den warmen Jahrgang fühlen kann. Sie riechen und schmecken individuell, weil ihnen nicht die zahlreichen Zusatzstoffe der Kellerwirtschaft die Ecken und Kanten weichspülen. Sie fühlen sich im Mund anders an, weil sie mit ihrer wilden Umgebungshefe vergären können, weil die Böden, auf denen ihre Reben stehen, gesund und lebendig sind und so die notwendige Nährstoffversorgung gewährleisten, um die Gärhefen ausreichend ernähren zu können.
Derart gute Weine sind mit Punkten und Superlativen nicht zu verkaufen. Individualität und Charakter gelten auf dem Weinmarkt und unter Kollegen als verkaufsverhindernd, als nicht marktgerecht, weil zu kompliziert. Verkauft wird heute nur, was sich von allein verkauft. Damit nehmen wir aber allen Winzern, die sich engagiert und mit viel Können den Herausforderungen des Klimawandels in den Weinbergen stellen, worauf sich Stil und Charakter ihrer Weine verändern, die damit erklärungsbedürftig werden, die Existenz. Und wir würden einen Kniefall vor dem Geschmacksdiktat des Marktes machen, das antrainierten Gewohnheiten huldigt und unerfahren geschmäcklerischem Urteil folgt. Dazu macht uns aber unser Beruf zu viel Spaß und wir würden unsere 40jährige Berufserfahrung so über den Haufen werfen, wie wir unseren Anspruch an uns selbst aufgeben müßten, nur um ein paar Flaschen irgendeines Weines mehr zu verkaufen.
An der Spitze der Begehrlichkeits-Skala der Investoren stehen, wie sollte es anders sein, die berühmten -aia- und -ello-Weine aus der Maremma und der Toskana, ein paar Baroli aus dem Piemont, die sich unfallfrei aussprechen lassen, die immer gleichen Blue-Chip-Chateaux aus Bordeaux, ein paar große Lagen aus Burgund und die üblichen Champagner-Marken.