Ausdünnen

Der Vorgang des Ausdünnens wird auch Grüne Lese (franz. vendange vert) genannt. Es geht um das vorzeitige Herausschneiden grüner, unreifer Trauben zur Verringerung des Ertrags ca. 4 bis 6 Wochen vor der eigentlichen Ernte. Man versucht so, die Reife der restlichen Trauben zu homogenisieren und glaubt, damit die Fruchtqualität des erhaltenen Mostes verbessern zu können.

In Zeiten des Klimawandels ist das Verfahren aber umstritten, denn es stresst die Rebe zur falschen Zeit, was sich in erhöhter Zuckerproduktion und somit auch in erhöhtem Alkoholgehalt des Weines manifestiert. Den aber gilt es zu zügeln. Deshalb verzichten engagierte Bio- und Biodynamikwinzer*innen auf die grüne Lese und setzen stattdessen auf die natürliche Balance des Rebstockes durch Arbeit am Blattwerk (Photosynthesefläche und Verdunstungsoberfläche) und gezielte Bodenbearbeitung für entsprechendes Wasserspeichervermögen durch gezielte Begrünung, Einmulchen etc. Sie schneiden im Frühjahr stark zurück, warten auf die Lese, ohne weitere Eingriffe in die Traubenproduktion und schneiden schließlich lieber am Stock aus während der Lese, als von außen mit noch nicht geklärten Auswirkungen auf die Physiologie der Rebe einzugreifen.

Der Gedanke, eine größere Homogenität des Reifezustands durch das Ausdünnen zu erreichen, hat kontraproduktive Wirkung für die Qualität des Weines. Er mag »fruchtiger« und konzentrierter werden, mag in der Weinbereitung besser steuerbar sein, aromatisch aber und strukturell wird er langweiliger und berechenbarer, weil ihm die Spannung der unterschiedlich reifen Beeren fehlt. 

Heute werden im Spitzenweinbau inhomogen reife Beeren gezielt angestrebt in der Lese. Dabei senken die weniger reifen Beeren den pH-Wert im Most, fördern somit dessen »gesunde« Mikrobiologie, sie besitzen weniger Zucker, der zu weniger Alkohol führt und sie sorgen aromatisch und strukturell für frische Akzente in Duft und Geschmack. Die reiferen Beeren liefern weiche Fülle im Mundgefühl durch höheren pH-Wert und setzen spürbare Akzente in Duft und Aroma, ein Zusammenspiel, mit dem man als kompetenter Winzer ganz schön spielen kann. Sie verleihen ihren Weinen so Spannung, Individualität und eine schwer zu beschreibende vibrierende Frische, die sie signifikant von Weinen unterscheiden, die bewußt und mit hohem technischen Aufwand auf maximale Homogenität des Lesegutes setzen. 

Spitzenbetriebe in Bordeaux und dem Napa Valley vermessen und sortieren heute ihre Beeren am Lesetisch lichtoptisch, um maximale Homogenität in Reife, Größe und Zustand zu erzielen, weil sie glauben, so die Aromatik und das Mundgefühl besser »einstellen« zu können, schließlich müssen sie für ihre meist sehr hohen Preise die entsprechenden Bewertungen einfahren. Dafür scheint heute jedes Mittel recht, auch wenn die Weine hinterher im Glas und auf der Zunge genau jenen vermeintlich teuer wirkenden Klischees entsprechen, für die sie produziert werden.

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