Abzug bzw. Abstich

Als »Abstich« (französisch soutirage) bezeichnet man in der Fachsprache den »Abzug« eines Weißweines von seiner Gär-, Voll- oder Feinhefe.

Er findet nach beendeter Gärung durch Umpumpen oder Ablassen des Weines in ein anderes Fass statt. Das Bild links zeigt das Ablassen der Gärhefe nach dem Umpumpen in ein anderes Fass in einem Keller, in dem noch sehr traditionell gearbeitet wird. Dort darf der durchgegorene Wein lange, also bis in das auf die Ernte folgende Frühjahr hinein, auf der Vollhefe liegen bleiben. So nennt man jene Hefe, die nach der Gärung im Wein verbleibt, bevor dieser zum ersten Mal bewegt, ab- oder umgepumpt wird, um dann auf seiner Feinhefe weiter reifen zu dürfen.

Im traditionellen, langsamen Ausbau erhält ein Weißwein meist erst nach dem ersten Abzug eine erste leichte Schwefelung, um sein Redox-Potential auf den weiteren Ausbau einzustellen.

Im schnellen, technischen Ausbau, wie er heute üblich ist, enthält der Most vor der Gärung kaum Trubstoffe. Er wurde vorgeklärt, geschönt und von der Hefe separiert. Viele Winzer*innen, vor allem in Deutschland, vergären bevorzugt helle als trübe Moste, um so die Reintönigkeit ihrer Weine zu betonen (die wir oft für eher belanglos halten, weil sie die Weine uniform »fruchtig« machen). Sie ziehen ihre Weine schnell, meist schon unmittelbar nach der Gärung, von der Hefe ab, schwefeln sie ab und machen sie füllfertig.

Rotwein

Beim Rotwein ist der Abzug gleichbedeutend mit dem Abstich von der Maische, also der Trennung der »ausgelutschten« Beerenschalen vom gärenden oder fertig vergorenen Wein. Wann dieser Abzug stattfindet, ist die für Stil und Geschmack eines Rotweines entscheidende Frage. Er bestimmt, neben der Rebsorte, der Gärtempertaur und der Extraktion über die Qualität und Konsistenz der Gerbstoffe und findet in der Presse statt. Aus dieser läuft dabei zunächst von alleine, ohne Preßvorgang, der sogenannte Vorlauf ab, den manche Winzer separat lagern, bevor sie mit dem Abpressen der Maische beginnen, bei der dann der sogenannte Presswein entsteht. Mit ihm kann man, je nach gewünschtem Rotweinstil und Gerbstoffqualität, den Vorlauf verschneiden, um diesem so mehr Griff, mehr Struktur in dichteren oder prägnanteren Gerbstoffen zu verleihen.

Der Zeitpunkt des Abstichs obliegt der jeweiligen Weinbereitungs-Philosophie. Sucht man konzentrierte, massiv extrahierte Rotweine mit viel Gerbstoffdichte, wird man die Maische je nach Jahrgang und Beschaffenheit der Beerenschale, nach Trockenheit und Beerengröße, nach Verhältnis von Saft zu Schalendicke etc., mehr oder weniger lange nach Beendigung der Gärung  vom bis dahin zusätzlich intensiv mechanisch extrahierten (durch Pigeage usw.) Wein trennen. Man nennt dies ausgedehnte Maischegärung.

Geht es um Eleganz, um Kühle und Frische in seinem Rotwein, um ausgereizt feine Gerbstoffqualität, wird man die Beerenschalen nur kurz und schonend, ohne große mechanische Beeinflussung der Maische, mazerieren und extrahieren. Da trennt man dann - je nach Qualität und Beschaffenheit der Beerenschalen und des Schalen-Saft-Verhältnisses - schon kurz nach Beendigung der alkoholischen Gärung die Beerenschalen vom Wein in der Presse, um diesen dann weiter auszubauen. 

Die Art und Weise und die Dauer der Extraktion der Beerenschalen sind die allesentscheidenden Stil- und Qualitätsmerkmale für einen Rotwein. Sie sind, wie wir in den letzten 20 Jahren gesehen haben, maßgeblich Zeitgeist und Beeinflussung durch Medien, Journalisten und Sommeliers unterworfen. Konnten in den letzten 20 Jahren die Rotweine gar nicht massiv, konzentriert und extrahiert genug sein (d.h. ausgedehnte Maischegärung plus intensive mechanische Maischeextraktion), suchen heute die besten Winzer*innen der Welt wieder Feinheit und Frische in ihren Rotweinen. Sie mazerieren und extrahieren nicht nur kürzer, sondern auch mechanisch sehr viel schonender oder gar nicht mehr, ziehen also auf jeden Fall früher von der Maische ab als ihre Konzentrations-Kollegen.

Weißwein

Während schnelle Reduktiv-Winzer:innen ihren Weißwein schon kurze Zeit nach der Gärung von der Hefe abziehen, wozu sie aus Zeitgründen Zentrifugen oder Filteranlagen benutzen, legen wir großen Wert darauf, dass unsere Weine möglichst lange auf der Hefe reifen können, um so Schwefel einzusparen und die Weine geschmeidiger im Mundgefühl zu machen. Weil unsere Winzer:innen spontan vergären, entschleunigt bei ihnen die Gärkinetik. Ihre Weine gären je nach Jahrgangs-Chemie sehr viel länger als die ihrer Kollegen, die auf so schnelle wie sichere Vergärung mittels Reinzuchthefe setzen. Bei unseren Winzer:innen dient der erste Abstich der Entfernung der Gärhefe, während ein eventueller zweiter und dritter Abstich den Wein nur noch auf natürliche Weise klärt. Beim Abstich gehen übrigens 2-3 % des Weins verloren. 

Ein langer Ausbau auf der Vollhefe ist z. B. für das Mundgefühl unserer langsamen Weißweine entscheidend. Damit derart schonend produzierte Weine aber auch mikrobiologisch und chemisch einwandfrei sind (siehe Acetaldehydbiogene Amine etc.), müssen von der Traube bis zum fertigen Wein viele verschiedene biochemische und mikrobiologische Parameter berücksichtigt und überwacht werden. So entscheidet z. B. der »richtige« pH-Wert des Mostes nicht nur den Verlauf der Gärung, sondern auch über wichtige mikrobiologische Prozesse.

Den langen und aufwendigen Weg vom lebendigen Boden bis zur einwandfreien Mikrobiologie im fertigen Wein, ohne die »Korrekturen« und Eingriffe der modernen Önochemie anwenden zu müssen, sind nur wenige erfahrene, ambitionierte und entsprechend kompetente Winzer:innen bereit zu gehen.

© K&U