Die österliche Colomba

Nicht ganz ausgebackener Sauerteig als große italienische Backkunst, die bei uns nur noch ganz wenige Bäcker beherrschen ...

Ist es nicht großartig, daß wir im kaum noch bewußt erlebten linearen Ablauf unseres Alltagslebens, in dem die Zeit unser Dasein diktiert - sie läuft, ob wir wollen oder nicht, ob wir reich sind oder arm - durch herausragende saisonale Produkte auf jene »andere« Zeit aufmerksam gemacht werden, die uns im Zyklus der Jahreszeiten und der Fest- und Feiertage erleben läßt, daß und wie schnell sie läuft und uns damit unsere Vergänglichkeit vor Augen führt?

Feiern wir nicht genau deshalb Feste, wie sie fallen? Sind nicht sie es, die uns durch ihren Zyklus bewußt machen, daß wir auf unserem Planeten, in den Zeitläuften der Natur gerechnet, nur sehr kurzfristig zu Gast sind ...  

.. weshalb wir z. B. auf Erdbeeren, die aus dem dramatisch trockenen Spanien unter nicht zu rechtzufertigendem Wasser- und CO2-Aufwand außerhalb ihrer natürlichen Saison zu uns gekarrt werden, nur damit wir in zeitlicher Entwurzelung und unsinnlicher Verwirrung Erdbeeren essen können, die nach nichts schmecken, verzichten sollten. In jeder Hinsicht vergeudete Resourcen, für ein Verlangen des Unterbewußtseins, dem wir uns nicht stellen, weil wir weder über die Zeit noch den Begriff der »Saison«, noch über unseren nur zu verständlichen Wunsch nach Farbe und Frische nach dem langen grauen Winter nachdenken.  

Die Macht der Uhr und ihrer linearen Zeit, der wir uns bedingungslos unterworfen haben, hat unser Empfinden für die Zeit und damit leider auch für unsere Sinne und unser Erleben entwurzelt. Dazu hier eine sehr lesenswerte Buchempfehlung

»Time is money« ist einer der dümmsten und fatalsten Sprüche zum Thema Zeit. Trotzdem scheinen wir weder bereit noch willens oder fähig zu sein, über seinen Unsinn und seine desaströse Bedeutung für uns, unsere Seelen und unsere Gesellschaften nachzudenken. Dabei hat er uns Menschen zu bedenkenlosen Untertanen eines »Fortschritts« und eines »Wohlstandes« gemacht, die uns nun end-

lich und erwartbar auf die Füße fallen. Wir sind mit existenzbedrohender Trockenheit konfrontiert, die wiederum dramatische Auswirkungen auf das Weltklima hat; unsere Gesellschaften zerfallen ob extremer sozialer Ungerechtigkeit und weltweit bedroht der reiche Norden die Existenz des globalen Südens im Namen besagten Fortschritts und Wohlstandes, die sich als überfällig zerstörerisch erweisen. Das alles im Namen der Zeit, Time ist schließlich money. 

Das könnten der Spargel, den wir essen, wenn er am besten schmeckt, weil es Zeit für ihn ist, die Kirsche aus der Region, die sehnsüchtig gut schmeckt, wenn sie optimal reif ist, und die Erdbeere vom Bauern um die Ecke, die nur dann so reif schmeckt, wie wir es (hoffentlich) aus unserer Kindheit kennen, wieder richten. 

Wir müßten uns nur den Gedanken darüber aussetzen; müßten begreifen, was Saison bedeutet; müßten deren zyklische Zeit im unwiderbringlichen Ablauf unserer Existenz auf diesem Planeten als Aufforderung verstehen, unser Leben so bewußt wie möglich zu gestalten und zu erleben. Im Verständnis mit dem Lauf der Dinge, statt im permanenten Kampf gegen ihn. Sind das nicht alles Voraussetzungen für das, was man unter Genuß verstehen kann?

Die italienische Colomba. Ein Symbol für den Zyklus der Zeit

Wenn die Fastenzeit vorbei ist, freut man sich in ganz Italien auf dieses so einfach wirkende, tatsächlich aber gar nicht einfach herzustellende Sauerteig-Gebäck.

Mit Ostern beginnt er, der Genuss dieses sehnsüchtig erwarteten kunsthandwerklichen Backwerks. Seine herrlich frische, fluffige Konsistenz verdankt dieses über viele Monate frisch bleibende Gebäck (MHD Mitte Juli) der Kunst, echten Sauerteig nicht vollständig auszubacken – was zum wesentlichen Unterschied führt zwischen den überall erhältlichen Colombe aus industrieller Produktion und unseren handwerklich hergestellten.

Unsere bleiben sehr lange frisch, wogegen die Industrie-Backwaren schnell verblühen, sie trocknen aus und werden ungustiös hart in bröckeliger Teigkonsistenz. Ursprünglich wurde die handwerkliche Colomba ausschließlich im reichen Norden Italiens regional genossen. Dann machte sie in den 1950er Jahren die Industrie durch Massenproduktion für alle Italiener verfügbar - und aus war's mit dem Sex der fluffigen Sauerteig-Konsistenz. Die braucht nämlich viel Zeit für die Verarbeitung, an der die Industrie stets spart, weil »time is schließlich money«. Das hat eine italienische Fachzeitschrift dazu veranlaßt, 15 nette Recycling-Rezepte für die vertrockneten Zeit-ist-Geld-Teiglinge zu publizieren:

Nicht für unsere ! Unsere Colombe werden nämlich noch, wie das historische Vorbild, nach alter Väter - und Mütter - Sitte rein handwerklich in überschaubarer Menge und mit viel Zeit für die Teigführung ausschließlich für die Zeit ab Ostern von den Brüdern Filippi aus echtem Sauerteig hergestellt. 

Damit sie so lange Freude bereiten, sparen die beiden Meisterbäcker nicht an hochwertigen Zutaten. Viel frische Butter und viele Eier sorgen für geradezu luxuriöse Üppigkeit des Teiges. Ihre sinnliche Konsistenz verdanken Filippis Colombe aber vor allem einer besonders langen, aufwendigen Teigführung. Sie ist unabdinglich, damit die natürlich vorhandenen, also nicht künstlich zugesetzten Hefen zusammen mit den Milchsäurebakterien die Inhaltsstoffe des Mehls aufschließen können. Dieses natürlich saure Milieu sorgt nicht nur für besonders lange Haltbarkeit, es verleiht dem edlen Gebäck auch seine charakteristisch luftige, weiche und unverwechselbar saftige Teigstruktur.

Sie können sich also, ganz im Sinne des italienischen Brauches, auch nach Ostern noch lange an den Colombe von Andrea Filippi erfreuen. Überall in Italien zieren sie jetzt die Auslagen der Pasticcerien. Auch unsere hier angebotenen wurden erst die Woche vor Ostern geliefert, weil sie erst ab Ostern zum kulinarischen Alltag der Italienerinnen und Italiener gehören. 

Colomba Classico »Avorie« Pasticceria Filippi

Inhalt: 0.5 kg (46,00 €* / 1 kg)

23,00 €*
Versandkostenfrei

36,00 €*

Inhalt: 0.75 kg (44,00 €* / 1 kg)

33,00 €*