Spontangärung


Spontanvergärung, wilde Hefen, Umgebungshefen. Der alles entscheidende Unterschied, zumindest für uns. Für unsere langsamen Weine ist die Vergärung mittels natürlicher Hefen Voraussetzung. Das ist wesentlicher Teil unseres Konzeptes, das geschmacklich Sinn macht und nachvollziehbar ist.

Bei der alkoholischen Gärung entsteht mittels wilder Naturhefen, auch Umgebungshefen genannt, im wesentlichen Ethanol, doch es werden zahlreiche weitere Stoffe gebildet, die für die Komplexität eines spontan vergorenen Weines von entscheidender Bedeutung sind. Man nennt sie Gär-Nebenprodukte. Sie sind vom Gesundheitszustand der Trauben, der Beschaffenheit der Moste und deren Gehalt an Zucker und anderen Stoffen, dem Einsatz von Spritzmitteln, der Umweltbeeinflussung, vor allem aber der Art der Hefe und äußeren Bedingungen wie der Gärtemperatur, der Gebindegröße und dem Gärverlauf abhängig. Werden nämlich Reinzuchthefen verwendet, so wird der Gärverlauf auf gewisse Weise manipuliert, anstatt ihn den natürlich vorhandenen Hefen zu überlassen.

Frischer Traubenmost enthält eine große Zahl verschiedener Hefen, Bakterien und Mikroorganismen. Ca. 1 - 10 % sind Weinhefen. Kaum hat die natürliche „spontane“ Vergärung begonnen, setzt auch schon harter Konkurrenzkampf aller Mikroorganismen um die Nährstoffe ein. Entsprechend ihres spezifischen Stoffwechsels sorgen die vielen Mikroorganismen für ein breites Spektrum an Gärnebenprodukten, bis die im Most zunächst dominierenden wilden Umgebungshefen im Verlauf der Gärung an Wirkung verlieren und sich schließlich ein Hefestamm durchsetzt, der auch für die Bierherstellung und als Backhefe verwendet wird: Saccharomyces cerevisiae. Sie ist es, die die Gärung schließlich zu Ende führt.

Alle Weinhefen und wilden Mikroorganismen im Wein bilden Gärprodukte. Sie unterscheiden sich aber beträchtlich in der Produktionsenge. Wilde Umgebungshefen bilden Geschmacks- und Geruchsstoffe in wesentlich höheren Konzentrationen als Reinzuchthefen, weshalb sich die Komplexität spontan vergorener Weine grundsätzlich von der reintönig linearen Fruchtigkeit der Reinzuchtgärung unterscheidet.

Über Jahrtausende hinweg ließ man Most mittels dieser Naturhefen zu Wein vergären. Eine gekonnt umgesetzte Spontanvergärung manifestiert sich in vielschichtigem, frisch duftendem Bukett, das weit weniger „fruchtig“ ausfällt als bei Reinzuchtvergärung. Im Mund sind spontan vergorene Weine nie bitter, weisen am Zungengrund eine weiche, saftige Rundung auf, sind lang, cremig und harmonisch im Mund, besitzen innere Dichte bei gleichzeitig präziser Frische und verblüffen bei moderatem Alkoholgehalt mit weit mehr Intensität im Geschmack als im Duft. Spontan vergorene Weißweine vor allem sind mit Weißweinen, die kalt und per Reinzuchthefen vergoren wurden, nicht vergleichbar. Sie reflektieren präzise und ungeschminkt Jahrgang und Terroir, reifen weit besser und konstanter als ihre reinzüchtigen Gegenspieler, sind deutlich sauerstoffstabiler im Glas, sollten also stets, weiß wie rot, dekantiert werden, und verblüffen insbesondere bei Weißweinen mit oft tagelanger positiver Entwicklung in der Karaffe.
© K&U