Kroatien ist in Sachen Wein ein schlafender Riese. Obwohl tausende von Deutschen dort jedes Jahr ihren Urlaub verbringen, haben wir Land, Leute und Küche kaum auf dem Radar, geschweige denn, daß wir von seiner uralten Olivenölkultur sprechen oder gar profitieren würden, die der weit berühmteren Italiens qualitativ um Längen überlegen ist, und die Jahrtausende alte Weinkultur zwischen Istrien und Mazedonien scheint uns noch immer nicht der Rede wert, obwohl sie einen phantastischen Mikrokosmos aus uns unbekannten Rebsorten, mannigfaltigen Stilen und traditionellen Macharten zu bieten hat. Er präsentiert sich äußerst spannend in Qualität und Vielfalt und kann längst auch in der handwerklichen Verarbeitung mit dem mithalten, was wir für »Spitze« halten, so daß eigentlich Kroatiens neue Weine Furore machen müßten auf dem Weltmarkt.
Doch Kroatien und mit ihm »der Balkan« scheinen weit weg. Sie liegen »im Osten« und damit für uns offensichtlich in einem mysteriösen Niemandsland zwischen Europa und Griechenland. Dabei reicht die Geschichte des Weinbaus in Kroatien weit zurück und hat doch »unsere« Weinwelt im Norden entscheidend mit geprägt. Die kroatische Rebsorte »Belina« zum Beispiel gehört zur uralten Familie des »Heunisch«, dem man nachsagt, Stammvater vieler Rebsorten zu sein. Es gilt als gesichert, daß aus der Kreuzung der ebenfalls sehr alten Rebsorte Pinot Noir und deren Verwandten mit dem Heunisch einige bekannte Rebsorten von heute hervorgingen, unter anderen z. B. Riesling und Chardonnay.
Im 19. Jahrhundert zwang die Reblaus auch in Kroatien viele Winzerfamilien in die neue Welt auszuwandern. Der kalifornische Zinfandel hat nicht umsonst kroatische Wurzeln. Die Folge war, wie fast überall in Südeuropa, der Niedergang des Weinbaus, der mühsam aufrechterhalten werden konnte, aber über Jahrzehnte nicht weiterentwickelt wurde. Während der sozialistischen Ära zählte auch in Kroatien nur der Ertrag und es dauerte bis zum Kriegsende, bis es mit dem Weinbau allmählich wieder aufwärts ging. Heute boomt der Weinbau überall im Land, Wein wird nicht nur in den vielen guten Restaurants getrunken, die sich inzwischen etabliert haben, sondern er ist längst auch fester Bestandteil kroatischer Alltags-Kultur geworden. Längst wird er auch exportiert, vor allem in die USA, und so mancher ausländische Investor hat das Potential des Weinbaus in Kroatien erkannt und investiert in ihn.
Die Weine Kroatiens weisen durch extrem unterschiedliche Klimazonen und Böden auf engem Raum eine enorme Vielfalt auf. Viele autochthone Rebsorten und unterschiedliche Weinbereitungsverfahren, von technisch »modern«, also fruchtig, bis traditionell maischevergoren, also »orange«, sorgen für ein breites Spektrum an Geschmacksrichtungen. Weil die kroatische Weinwirtschaft in ihrer heutigen Erscheinungsform jung ist, der Arbeitsaufwand in den oft kleinen Parzellen hoch und die Erträge gering, sind die guten Weine des Landes nicht billig, ihren Preis aber sind sie wert, weil sie ihn mit Originalität und unverwechselbarem Charakter rechtfertigen. Die guten Winzer des Landes sind inzwischen gewitzte Qualitätsfanatiker. Deren spannend andere Weine gilt es in den kommenden Jahren zu entdecken.