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Bordeaux kann auch Preis wert ...
In den letzten zwanzig Jahren haben rund 30 weltberühmte Châteaux das Geschehen in Bordeaux bestimmt. Deren Marktwert wird sogar auf einer Börse in London notiert und verfolgt. Doch die Zeiten sind auch in Bordeaux vorbei, wo jeder neue Jahrgang aufs Neue den einschlägigen Bordeauxfreunden den Kopf verdreht. Die sogenannte »Subskription«, der unbesehene und unprobierte Kauf im Voraus, meist nach Bewertungen so selbstgefälliger wie eitler Vorkoster, lohnt sich schon lange nicht mehr. Die allermeisten Weine der letzten Jahrgänge sind noch immer zu günstigen Preisen bei den Importeuren zu haben. Sie liegen auf Halde. Nur wenige echte Blue-Chip-Châteaux, die Besten der Besten eines Jahrgangs, sind davon ausgenommen.
Seit die Châteaux 2007 begannen, die Margen des Vorverkaufs selber einzustreichen und den Handel mit ihren Weinen besser zu kontrollieren, lohnt sich der Kauf im Voraus, - »en primeur«, in Subskription -, nur noch für wenige Ausnahme-Weine. Zwar versuchen die klassischen Bordeaux-Händler noch immer jedes Jahr aufs Neue die Begehrlichkeit der Jäger und Sammler zu wecken, doch gelingt ihnen das nur bei jenen Unverbesserlichen, die noch immer glauben, daß Bordeaux der Nabel der Welt sei.
Kein anderes Weinbaugebiet der Welt hat die Gier nach hochpreisigem Luxus und sozialem Geltungsbedürfnis seiner Kunden so geschickt bedient, wie Bordeaux. In den neunziger und zweitausender Jahren war es damit prägend für den Weinmarkt. Doch das ist Vergangenheit. Die Realität des internationalen Weinmarktes hat Bordeaux mit seinen hochtechnischen Kopien kalifornischer Monstertropfen als traurigem Erbe der Parker-Ära nachhaltig eingebremst. Andere Weinbaugebiete wie z. B. Kaliforniens Napa Valley, Italiens Maremma oder das Piemont kommen mit Weinen zu nicht minder sozialprestigeträchtigen Luxuspreisen auf den Markt, erhalten ähnliche Bewertungen, sind aber rarer und noch schwerer zu kriegen und haben so Bordeaux auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten den Rang abgelaufen.
Was Bordeaux heute wieder richtig spannend macht, sind besonders ambitionierte Weine besonders ambitionierter Winzer, deren »normale« Bordeaux bis vor kurzem noch als schwer verkäuflich galten. Es ist noch nicht lange her, da wurden Millionen von Hektolitern mit EU-Subventionen zu Industriealkohol destilliert. Pleiten von Winzern machten Schlagzeilen. Die lokale Presse berichtete von Selbstmorden unter Winzern. Weinbauern mußten Sozialhilfe beantragen. Bordeaux ist ein Weinbaugebiet wie viele andere. Viele einst unbekannte Regionen im Hinterland haben qualitativ mächtig aufgeholt und ein breiteres Spektrum an Stilen und Qualitäten zu bieten, zu meist viel günstigeren Preisen. Zudem braucht die neue Weintrinker-Generation die großen Namen der Vergangenheit nicht, sondern sucht nach geschmacklicher Abwechslung, nach Viefalt und dem Reiz des Unbekannten.
All dies hat Bordeaux heute wieder zu bieten in den Weinen jener Châteaux, die saubere handwerkliche Qualität zu wertem Preis produzieren. Echter Bordeaux, verhalten im Alkohol, natürlich transparent in der Farbe, mit Gerbstoffen, die präsent sind und nicht weichgespült, nur moderat bis zahm im Holzeinsatz. Diese Weine sind es, die derzeit mächtig an Markt gewinnen und ihren Winzern neue Chancen bieten. Sie haben sich aus dem Teufelskreis von Punkten und Preisen verabschiedet und vermarkten direkt. Es sind engagiert geführte, oft kleine, kaum bekannte Châteaux im Hinterland, die man suchen muß, um sie zu finden. Dort wird man dann von Chefin oder Chef persönlich empfangen, die in ihre Gummistiefel schlüpfen, um in Weinberg und Keller persönlich Rede und Antwort zu stehen. Und siehe da, die neue alte Bordeaux-Stilistik stammt meist von biologisch bewirtschafteten Weinbergen (und nicht nur aus modernster Kellertechnik). Von nichts kommt auch in Bordeaux nichts. Die realistisch preiswerte Zukunft einer geschundenen Region. Wobei »seinen Preis wert« hier auch ist, was andere als »teuer« abtun. Es ist nicht nur der geschmackliche, sondern auch der philosophische Anspruch, der den Wert eines Weines bestimmt, ganz gewiß aber nicht jenes »Preis-Leistungs-Verhältnis«, dessen Leistung die, die sie zitieren, meist nicht zu bringen imstande sind. Die Zukunft gehört in Bordeaux jener neuen Realität, der wir uns mit Lust und Laune widmen werden.
Das Bild obern zeigt Chateau Le Tertre Roteboeuf in Saint Emilion. Ein winzig kleines »Chateau« mit ebenso winziger Produktion, mit dem wir seit 1985 zusammenarbeiten. Nur solch handwerklich arbeitende Familienbetriebe interessieren uns in Bordeaux. Dort erwartet uns Besitzer François Mitjavile zusammen mit Tochter Nina, die seit ein paar Jahren für die Weine der drei Familien-Weingüter Domaine de Cambes, Roc de Cambes und Le Tertre Roteboeuf verantwortlich zeichnet. Viel Spaß mit ihren grandiosen Weinen, die in Bordeaux jene kleine Revolution auslösten, um die es uns hier geht..