Savagnin Blanc ist laut DNA-Analyse 900 Jahre alt
  • Von Martin Kössler
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  • 11.06.2019
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Die eurasische Weinrebe »Vitis vinifera« ist heute fast ausschließlich weltweit für die Weinproduktion verantwortlich. Sie wird klonal vermehrt, weshalb moderne Sorten eine große morphologische und genetische Vielfalt aufweisen. In historischen und zeitgenössischen Aufzeichnungen werden Tausende von Rebsorten beschrieben. Einige lassen sich tatsächlich bis ins Mittelalter zurückverfolgen, die genetischen Zusammenhänge zwischen den meisten alten und modernen Reben sind bis heute aber weitgehend ungeklärt.

 

Jetzt ist es einem britisch-dänisch-französisch-spanisch-deutschen Team von Wissenschaftlern gelungen, veröffentlicht in der Zeitschrift »Nature Plants« (Volume 5 Issue 6, June 2019), anhand von DNA-Analysen an 28 bei diversen Grabungen in Frankreich entdeckten Traubenkernen aus der Eisenzeit, der Römerzeit und dem Mittelalter nachzuweisen, daß diese eng mit Sorten verwandt sind, die heute zur Weinherstellung verwendet werden. Dazu identifizierten sie Saatgut mit identischen genetischen Signaturen, das an verschiedenen römischen Standorten gefunden wurde, und verglichen dieses mit Saatgut, dessen Beziehungen zwischen Eltern und Nachkommen mit heute angebauten Sorten bekannt sind.

Bei einem der Traubenkerne, der auf ca. 1100 n. Chr. datiert wurde, fand man eine überraschende genetische Übereinstimmung mit der Rebsorte »Savagnin Blanc«, die heute noch im Jura und in der Schweiz angebaut wird. Sie interpretieren die Wissenschaftler als Beweis dafür, daß diese Rebsorte seit 900 Jahren ununterbrochene vegetative Vermehrung fand. Bemerkenswert daran ist, daß ihr genetisches Material erhalten blieb, obwohl es durch klonale Vermehrung weitergegeben wurde, also über fast 1.000 Jahre hinweg Stecklinge entnommen wurden.

Der mittelalterliche Savagnin-Traubenkern wurde in der Nähe von Orléans an der Loire gefunden, was darauf hindeutet, dass diese Rebsorte in der Vergangenheit in Frankreich weiter verbreitet war, als sie es heute ist.

 

Die genetischen Informationen aus den Traubenkernen, die man in Grabungen an verschiedenen Orten in ganz Frankreich fand, ergaben auch, daß die Römer schon damals Wein aus Trauben herstellten, die genetisch unmittelbar mit den heutigen Rebsorten Pinot Noir und Syrah verwandt sind.

 

Genetische Ähnlichkeiten zwischen den Traubenkernen, die an verschiedenen Orten, die gelegentlich hunderte von Kilometern voneinander entfernt liegen, gefunden wurden, deuten darauf hin, dass die Stecklinge unter den Weingütern im alten und mittelalterlichen Frankreich weitergereicht wurden.

 

In einer Gruppe von Traubenkernen aus der Römerzeit fand man genetische Ähnlichkeiten mit der Rebsorte »Mondeuse Blanche«, die heute nur noch in Savoyen, im äußersten Osten Frankreichs, angebaut wird.  Sie scheint ein direkter Nachkomme der gefundenen alten Genetik zu sein und gilt heute, zusammen mit der Rebsorte »Dureza«, als Mutter der Syrah. Es scheint also über 2000 Jahre hinweg einen Fortpflanzungszyklus zwischen den Römern und heute zu geben. Das bestätigt die Vermutungen und Spekulationen vieler Genetiker, daß bestimmte Rebsorten von europäischen Winzern seit Hunderten, wenn nicht gar Tausenden, von Jahren verwendet werden.

Als solche werden in dem Artikel erwähnt: Pinot Noir, Gamay und Savagnin (der bei uns in Deutschland »Traminer« genannt wird), die Elternteil oder Nachkomme von Pinot Noir sind und damit Elternteil von Sauvignon Blanc, Chenin Blanc, Trousseau, Silvaner und Verdejo.

 

Andere Rebsorten zu identifizieren erwies sich bisher als sehr schwierig, weil in der Historie klare Namenskonventionen fehlen oder die Sorten nicht mit Namen erwähnt wurden. Die moderne Gen-Forschung eröffnet jetzt die Möglichkeit, Sorten zu finden, die schon unsere Vorfahren anbauten. Ständig wachsende Datenbanken mit genetischen Daten moderner Nutzpflanzen und optimierte paläogenomische Methoden erlauben es, die Geschichte der Rebe genauer als bisher zu analysieren. Über den Geschmack und Stil dieser Weine werden wir nie etwas erfahren, immerhin könnten die Erkenntnisse aber dazu dienen, einige der alten Rebsorten neu zu bewerten. Auch wenn sie heute nicht mehr oder nur noch sehr lokal angebaut werden, scheinen sie doch einst von Weinliebhabern geschätzt worden zu sein und sind es damit vielleicht wert, wieder entdeckt zu werden.

Immerhin waren sich in einer statistisch relevanten Umfrage unter 20.000 Meinungsbildnern der Weinbranche kürzlich alle erstaunlich einig darin, daß den vergessenen, unbekannten und alten Rebsorten wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse. In der Umfrage wurden autochthone und alte Rebsorten sogar zum nächsten heißen Trend in der Branche proklamiert ….

Ach ne. Na dann mal los. Wir haben derzeit ca. 95 Rebsorten im Angebot….

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