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- 07.01.2019
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Der deutsche Discounter ALDI vermeldet, so die Zeitung »The Drinks Business«, daß die Woche vor Weihnachten, beginnend mit dem 17. Dezember 2018, die umsatzstärkste Woche seit 1990, dem Jahr, in dem Aldi nach UK kam, gewesen sei. Um 10% sei der Umsatz gestiegen. Das sei vor allem den hauseigenen Premium-Marken zu verdanken, die maßgeblich dazu betrugen, daß der Discounter im Dezember einen Umsatz von fast einer Milliarde Pfund verzeichnen konnte.
Aldi teilte mit, täglich das Äquivalent von 3,2 Millionen Gläsern Champagner und Prosecco verkauft zu haben. Um das zu erreichen, senkte der Konzern in England u. a. den Preis für den hauseigenen Champagner »Veuve Monsigny«, den das Champagnerhaus Philizot & Fils in Reuil für ihn produziert, auf 9,99 £ , statt vormals 11,49 £, und legte sich mit seinem Konkurrenten Waitrose an, indem es einen englischen Schaumwein von Denbies Estate um 4 £ billiger anbot.
Aldi England hat sich mit einem Marktanteil von 7,6 % als der schnellstwachsende Discounter auf der Insel etabliert und hat vor, sein heute aus 827 Filialen bestehendes Netz auf der Insel bis 2025 auf 1200 Filialen zu verdichten. Alleine 2018 eröffnete Aldi 65 neue Filialen auf der Insel.
Man darf gespannt sein, wie sich der anstehende Brexit auf die Geschäfte auswirken wird, vor allem aber, wie sich der harte Kampf um Marktanteile auf die Mitbewerber Waitrose, Saintsbury, Tesco, Asda und Morrisons auswirken wird. Immerhin verlor der sich in seinen Filialen qualitativ und optisch viel hochwertiger als ALDI präsentierende Waitrose-Konzern in Umfragen den ersten Platz in der Gunst der Kunden. Er kommt nur noch auf den vierten Platz in der Kundenhitliste des Verbrauchermagazins Wich?, nach Aldi, Marks & Spencer und Lidl – und die Zeiten könnten noch härter werden. Bekanntlich gilt der deutsche Lebensmittelmarkt als der härteste der Welt. In keinem anderen Land sind die Preise im Verhältnis zur Kaufkraft so niedrig, die Gewinnmargen der Händler so klein. Trotzdem liefern sich die Discounter mit den großen Supermarktketten immer wieder Preiskämpfe um Eier, Milch und Butter, die für Schlagzeilen sorgen und Unmut bei den Lieferanten.
Diesen harten Kampf um den besten Preis trugen Aldi und Lidl nach Großbritannien und expandieren nun damit auf der Insel aggressiv und mit großem Erfolg. Der britische Marktführer Tesco kämpft nicht umsonst mit der schlimmsten Krise seiner fast hundertjährigen Firmengeschichte. Seine Lage ist so dramatisch, daß Investitionen halbiert, die Kosten massiv gesenkt und Geschäftsteile verkauft werden mußten, sogar die Konzernzentrale wurde aufgegeben.
Dabei galt vor wenigen Jahren noch der Einkauf bei den deutschen »Hard-Discountern«, wie Aldi und Lidl in Großbritannien genannt werden, als nicht standesgemäß. Die spartanisch eingerichteten Märkte schreckten viele Kunden ab, galten als Versorgungsstellen für die Unterschicht. Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise aber entdeckte die Mittelschicht die Discounter für sich. Viele der Neukunden von damals scheint das Angebot so überzeugt zu haben, daß sie heute noch bei Lidl und Aldi einkaufen.
Dabei ist der Siegeszug der Discounter alles andere als selbstverständlich, denn das Einkaufsverhalten der Briten unterscheidet sich von dem der deutschen Kunden erheblich. Sie kaufen vor allem in großen Selbstbedienungs-Kaufhäusern, in denen nicht nur Lebensmittel verkauft werden, sondern auch Haushaltsartikel bis hin zu Fernsehern und Kleidung. Entsprechend groß sind diese Supermärkte. Tesco-Filialen z. B. haben oft 15.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, während Aldi– und Lidl-Märkte nur 800 bis 1200 Quadratmeter groß sind. Doch gerade das eingeschränkte Angebot der deutschen Hard-Discounter scheint für Kunden eine Erleichterung zu sein, die sich durch das Riesenangebot der Mitbewerber überfordert fühlen.
Auch Großbritanniens Marktführer Tesco mit 3300 Filialen wird sich dem unbequemen Preiskampf stellen müssen. Am Ende ist vermutlich der gesamte britische Lebensmittelmarkt vom Wandel im Handel betroffen und wird sich, ob er will oder nicht, auf die Preis-Aggressivität der Deutschen einstellen müssen. Während in Deutschland die Umsatzrendite im Lebensmittelhandel bei einem mageren Prozent liegt, waren es in Großbritannien bisher stolze drei Prozent. Aldi und Lidl sind die Mini-Marge aus ihrem Heimatmarkt gewohnt und können damit umgehen, Tesco und Mitbewerber auf der Insel müssen diese Lektion noch lernen und dabei auch noch überleben.
Ob sich der englische Verbraucher allerdings nachhaltig auf das freudlose Preisargument der deutschen Hard-Discounter einläßt, oder doch das lebensfrohere und hochwertigere Einkaufserlebnis z. B. bei Waitrose vorzieht, werden die kommenden Jahre zeigen.
In Deutschland wachsen die Discounter derzeit kaum noch. Hier scheint sich der Konsument zögerlich noch, aber immerhin, den hochwertiger präsentierenden Supermarktketten wie Rewe und Edeka zuzuwenden. Ein jeder ißt, was er sich wert ist….
Aldi und Lidl wollen auch auf dem traditionellen englischen Weinmarkt den Preis zum schlagenden Kaufargument machen. Oben im Bild die englische Online-Werbung von Aldi aus dem Januar 2019. Kein Thema und kein Fachbegriff bleibt von den Hard-Discountern in der Werbung verschont (siehe »vegan«, »organic« oder »Handlese«), wird dem Fachhandel aus der Hand genommen und verliert damit an Bedeutung. Wir sind gespannt, wie der zwar konservative, aber überaus preisorientierte und fachlich gut aufgestellte englische Weinhandel auf die Preiskämpfer aus Deutschland reagiert.
Hierzulande haben die einschlägigen Discounter den Weinmarkt so nachhaltig aufgemischt, daß dem sogenannten Fachhandel über kurz oder lang der Niedergang droht. Bereits rund 80% aller in Deutschland verkauften Weine stammen aus den Selbstbedienungsregalen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH). Ein Kulturverlust, der Wein zum Wirkungsgetränk degradiert und ihn so beliebig macht, wie er beliebig verfügbar geworden ist. Ohne Geschichte, ohne Herkunft, ohne Identität.
Ja, man kann die Weine der Discounter inzwischen trinken. Mehr als globale Uniformität und das Klischee auf technisch mehr oder weniger einwandfreiem Niveau sind von ihnen aber nicht zu erwarten. Daß sich so mancher Test lobend über sie äußert, beweist, in welch traurigem Zustand sich das Wissen um Wein hierzulande befindet. Das berühmte Schnäppchen, das immer wieder kolportiert wird, findet einzig auf der Zunge seines Käufers statt und gehört darüberhinaus ins Reich der Märchen.
Banalisierung und Infantilisierung des Geschmacks auf der einen Seite des Marktes eröffnen eine Nische auf der anderen. Diese bietet uns Platz für Qualität, Individualität und Charakter im Wein. Der anonymen Massen-Reb-Haltung aus konventionellem Anbau steht eine bemerkenswert nachhaltige Individualisierung seitens einer engagierten Winzerschaft gegenüber, die sich vom Anbau im Weinberg bis zum Erscheinungsbild im Glas nicht mehr an überkommene Vorstellungen halten will. Diese Nische fordert den Handel mit Wein existentiell heraus. Profundes Engagement, Leidenschaft und Kompetenz sind da gefragt, denn Kunden, die sich in dieser Nische tummeln, sind am geschmacklichen Wert mehr interessiert als am Preis. Sie wollen im Wein mehr erleben als nur die Wirkung. Sie sind offen für Neues, sind anspruchsvoll und kundig.
Der Wandel im Handel macht guten Wein abseits des Rabatt-Dauerbeschusses und des aussichtslosen Kampfes um den niedrigsten Preis spannender denn je. Wir als engagierter Fach-Händler wittern jedenfalls Morgenluft.