- |
- 16.08.2018
- |
- Keine Kommentare
Ein Besuch bei Griesel & Compagnie in Bensheim an der hessischen Bergstrasse.
Niko Brandner hat auf unserer Hausmesse ausgestellt, wir bieten seine Sekte seit geraumer Zeit an, heute besuchen wir ihn in den Räumen der einstigen Hessischen Staatsweingüter, die seit 2013 das Sektweingut Griesel & Compagnie beherbergen.
Niko ist gerade dabei, einen Teil seines Jahrgangs 2017 zur zweiten Gärung in Flaschen zu füllen. Das ist der wichtigste und elementarste Schritt der Sektbereitung per traditioneller Flaschengärung: Dem durchgegoren trockenen Grundwein wird eine präzise definierte Lösung aus Zucker und Hefe zugegeben (Bild unten). Die Hefe vergärt den zugesetzten Zucker in Alkohol und CO2. Weil das Kohlenstoffdioxid nicht entweichen kann, löst es sich im Wein, die Blasenbildung beginnt. Die Zusammensetzung der Zucker- und Hefelösung entscheidet über den dabei entstehenden Flaschendruck, die Rebsorten des Grundweines und die Dauer des Hefelagers auf der Flasche über Art und Qualität der Perlung.
Was sich so einfach anhört, erweist sich als technisch heikler Schritt in der Versektung, denn es sollen ja alle Flaschen gleich sprudeln, also identischen Druck aufbauen, gleich wirken im Mundgefühl und auch gleich schmecken. Passieren in diesem Schritt Fehler, müssen im schlimmsten Fall alle Flaschen wieder geöffnet und erneut mit Zucker und Hefe beimpft werden. Deshalb zieht Niko Brandner z. B. die Hefestämme, die den Zucker auf der Flasche vergären sollen, vorher über mehrere Tage im Wein an, um sie an den Alkohol, der ihre natürliche Aktivität reduziert, zu gewöhnen.
Das Anderssein der Griesel-Sekte steckt im Detail . . .
. . . aber das Wissen darum eröffnet selbst dem absoluten Schaumwein-Neuling nicht nur den Zugang, sondern auch verständliche Kriterien zur Beurteilung.
Niko Brandner vergärt seine Grundweine grundsätzlich spontan, also nur mit den natürlich vorhandenen Weinbergs- und kellereigenen Hefestämmen.
Um den Grundweinen Struktur und Frische zu vermitteln, filtriert er sie nicht und läßt sie bis zur Versektung auf der Vollhefe reifen, viele davon in kleinen Holzfässern. Das ist ihm wichtig, weil die nach der Gärung in Schwebe befindliche Hefe reduzierend wirkt, dem Wein also Frische verleiht, ohne daß er nach Schwefel schreit (den ihm Niko Brandner in diesem Stadium nicht zusetzen will), sie setzt Mannoproteine und Aminosäuren frei, die spürbar mehr Mundfülle und Körper im Wein bewirken, und sie adsorbiert vorhandene Schwermetalle und Gerbstoffe, die in der Sektherstellung problematisch sind, weil sich während der Flaschengärung das entstehende Kohlensäuredioxid an die Gerbstoffketten anlagert, was zu weniger aktiver Perlung führt.
Die Mannoproteine puffern geschmacklich auch die Säure ab, die für die Schaumweinherstellung bei der Ernte viel höher erwünscht ist, als für die Stillweinproduktion: Ein niedriger pH-Wert hält den Wein mikrobiologisch stabil, ist für den Gärverlauf entscheidend und macht eine zusätzliche Schwefelung unnötig. Niko Brandner schwefelt, wenn überhaupt, nur so gering wie unbedingt nötig.
Guter Schaumwein entsteht aus dem komplexen Zusammenspiel zahlreicher Faktoren, von denen viele schon im Weinberg berücksichtigt werden müssen.
Im Faßkeller
Zwiegespräch: Schaumweinqualität bedeutet Wissen ums Detail
Der deutsche Sekt – und der VDP
Die Zeichen für mehr Qualität im deutschen Sekt stehen gut. Das Interesse an hochwertigen Schaumweinen ist groß, die Produzenten verfügen über mehr Know-how als noch vor wenigen Jahren und die kürzlich verlautbarte Ankündigung des renommierten Verbandes deutscher Prädikatsweingüter (VDP), demnächst auch für die Sekte seiner Mitglieder verbindliche Statuten herauszubringen, dürfte der Entwicklung in den kommenden Jahren spürbaren Auftrieb verleihen.
Der VDP will Sekt nach strengen Richtlinien produzieren, die sich an der Champagne orientieren. Das könnte zum Ritterschlag für den deutschen Sekt werden, leidet dieser doch bis heute unter miserablem Billigimage durch die einschlägig bekannten Marken, die ihn so billig wie möglich aus italienischen oder spanischen Billiggrundweinen für das bundesdeutsche LEH-Regal zurechtbasteln.
Noch scheint sich der Verbraucher damit glücklich zu trinken, worauf die aberwitzigen Verkaufszahlen der einschlägigen Sektmarken hindeuten, doch auch dieser Markt befindet sich in rasantem Wandel und warum sollte es dem deutschen Sekt nicht vergönnt sein, zu dem zu werden, was er sein könnte: Eine ernsthafte und selbstbewußte Alternative zu Spumante, Sparkling, Cava, Crémant und Champagner.
Der VDP strebt für die Sektproduktion Qualitätskriterien und Richtlinien an, die er mit der Klassifikation der besten Lagen Deutschlands verbinden will. Wie soll das gehen? Wollen die Winzer des VDP aus den GG-Lagen, aus denen ihre besten Weine kommen, in Zukunft auch die Trauben für VDP.Sekt holen? Klar ist nicht, was der VDP da vor hat. Die Anforderungen an die Produktion von Schaumwein sind im Weinberg grundlegend andere als die an Stillwein.
Die maßgeblichen Schaumweine der Welt kommen fast ausnahmslos aus Regionen oder von Betrieben, die sich nur der Produktion von Schaumweinen verschrieben haben. Da spielen vor allem die Beschaffenheit des Bodens und die Pflanzungsdichte eine tragende Rolle und über die Reberziehung steuert man die Traubenreife, also den Alkohol, den pH-Wert und die Säuren. Weinbau für die Schaumweinproduktion setzt bestimmte technische Bedingungen voraus, die weniger mit der Qualität der Lage, wie sie für Stillwein entscheidend ist, als mit der Qualität und Beschaffenheit der Trauben zu tun hat. Die Champagne klassifiziert ihre Premier- und Grand Cru-Lagen über deren Bodenqualität und Beschaffenheit in Regionen und Gemeinden, nicht aber über die einzelne Lage.
Der VDP scheint, so liest sich die Pressemitteilung, in seiner deutschen Lagen-Denke tatsächlich auch die seine besten Stillweine hervorbringenden Weinberge und Einzellagen für die Produktion hochwertiger Schaumweine für geeignet zu halten. Demnach würde es dann Erste Lage®- oder Große Lage®-Sekt aus dem »Rüdesheimer Berg Schlossberg«, dem »Escherndorfer Lump« oder dem »Ihringer Winklerberg« geben.
Drucküberwachung an der Flasche: Knapp 6 bar
»Das«, meint Rachel Trautmann, seit 2017 als Außenbetriebsleiterin bei Griesel & Compagnie für die zahlreichen kleinen Parzellen in und um Bensheim verantwortlich, »sehe ich kritisch. Die meisten unserer für hochwertigen Stillwein optimalen Lagen in Deutschland sind zu exponiert. Sie bekommen zu viel Sonne, ihre Trauben werden zu reif, die pH-Werte zu hoch, davon kann man kaum einen wirklich spannenden Schaumwein keltern. In kühlen Jahren mag das noch funktionieren, in warmen Jahren sind diese Lagen schlichtweg zu warm für guten Schaumwein.«
Wer hochwertige Schaumweine produziert, denkt im Weinberg anders. Die Ansprüche an die Trauben sind andere als für die Stillweinproduktion. Es geht um ganz bestimmte physiologische Eigenschaften der Trauben, damit der aus ihnen gekelterte Grundwein zu einem hochwertigen Sekt verarbeitet werden kann, der straffe Frische und feinperlige Finesse, Präzision und geschmackliche Tiefe besitzt, also nicht reif und breit wirkt und nicht zu weinig ausfällt, damit er den Trinkfluß beschert, den wir in ihm suchen. In den Weinberg übersetzt heißt das: frische Säure, wenig Phenole, also wenig Gerbstoffe bzw. Tannin, und vor allem moderaten Ertrag. Diese für Stilistik und Qualitätsvorstellungen wesentlichen Stellschrauben müssen im Weinberg vorgegeben werden. In der Stillwein-Produktion geht es um gänzlich andere geschmackliche Parameter, weshalb hier der Lage eine so wichtige Rolle zukommt. Die Sekte von Raumland oder Griesel & Compagnie stehen eindrucksvoll für diesen Unterschied.
Warum pflanzt man in der Champagne so dicht und pflegt eine eigene Form der Reberziehung? Warum regelt die Champagne die Erträge so wie sie es tut? Warum wird dort die Pressausbeute penibel überwacht und als Qualitätsfaktor sogar bezeichnungsrechtlich geregelt? Warum besteht die Champagne auf manueller Lese – um ein paar der dort wesentlichen Qualitäts-Faktoren zu benennen.
Die Champagne gibt präzise Kriterien für die technische Qualität ihrer Schaumweine vor. Die will der VDP nun auch für seine Sekte in Anspruch nehmen, was die Vorstellung des deutschen Sektes, wie sie bisher besteht, radikal verändern wird. Ob sich das hehre Ziel aber auch auf den besten Lagen der VDP.Qualitätspyramide erreichen läßt, bezweifeln wir.
So gut die Ansätze des VDP und so visionär die Sekte von Volker Raumland und Griesel & Compagnie sind, es verspricht ein weiter Weg zu werden zum tieferen Verständnis dessen, was hochwertiger Sekt aus deutscher Produktion sein kann. Zwar haben auch bei uns die Winzer mitbekommen, daß für Schaumwein in Weinberg und Keller eigene Regeln gelten. Doch viel zu oft wird noch immer irgendein nicht reif geernteter Grundwein mit wenig Alkohol zu Sekt verarbeitet. ´Für den Sekt taugt er noch`, heißt es dann. Es steht zu befürchten, daß derart belanglose Weine mit Blasen noch viele Jahre auf den Preislisten deutscher Winzer zu finden sein werden.
Rachel Trautmann erläutert Schaumweinkriterien im Weinberg
Immerhin: Der deutsche Sekt ist in Bewegung. Unabhängig von den Irrungen und Wirrungen des Lagen-Fetischismus des VDP kündigt sich ein neues deutsches Sekt-Wunder an.
Das will sich nicht mehr mit dem Billig-Schäumer aus Tanklastzug-Grundweinen zufrieden geben, für den deutscher Sekt bisher steht. Es will Sekt produzieren, der Freude macht, weil er aus Trauben gekeltert wird, die mit Sinn und Verstand speziell angebaut werden, an deren Qualität in Perlung und Wirkung also schon weit vor der Lese gedacht wird, produziert von passionierten Winzern, die den Unterschied zwischen still und blubbernd im Wein so gut kennen, daß sie sich für eine der beiden Welten entscheiden und diese dann besonders gut machen. Niko Brandner ist überzeugender Beweis.
»PinotZero«
Die Zusammenarbeit mit Niko hat uns in Sachen »Sekt« so beflügelt, daß wir ein gemeinsames Projekt beschlossen haben, das sich jeweils einem grundlegenden Kriterium der Sektherstellung widmet.
Im Herbst 2018 steht die erste Ausgabe an: »PinotZero«.
Rebsorte und Machart dominieren über die Herkunft. Sekt ist schließlich nicht Wein, auch wenn er aus ihm hervorgeht. Pinot Noir- & Pinot Meunier-Trauben, weiß gekeltert, im kleinen Holzfaß ausgebaut, ungeschwefelt und besonders lange auf der Hefe gereift, ohne Dosage als »Brut Nature« von der Hefe gezogen. Nackiger und natürlicher geht es kaum. Eine K&U-Sonderedition mit sprudelndem Mehrwert.
Er lauscht ihnen hinterher, den Blasen im neuen »PinotZero«: Christoph Schlee von K&U
Die Zukunft ist nach vorne offen … zumindest im Hause Griesel & Compagnie
Wie dynamisch und experimentierfreudig Niko Brandner ans Werk zeigt, zeigt sein neuestes Projekt, ein Riesling-»Solera«-Sekt.
Seit 2013 liegt bei Niko Brandner ein stiller Riesling-Grundwein auf der Vollhefe im Tank. Wenn er die Hälfte des Weines versektet hat, füllt er die verbleibende Hälfte mit dem nächsten Jahrgang auf. So geht das seit 2013. Dieses Jahr wird es nun den ersten Sekt aus diesem Solera-Rieslinggrundwein mit den Jahrgängen 2013 bis 2016 geben. Es wurde wieder nur die Hälfte der Menge versektet, die andere Hälfte wurde weiter im Solera gehegt und gepflegt.
Wir haben den Sekt probiert und staunten nicht schlecht. Durch die lange Lagerung auf der vollen Hefe wird die Säure des Weines gepuffert und durch die zunehmend vorhandenen Mannoproteine sind jene nussig hefigen Aromen entstanden, die typisch sind für lange Reifung auf der Hefe. Er präsentiert sich mundfüllend stoffig und cremig, durch die Reduktionskraft der Hefe unerwartet frisch und zudem viel jünger, als erwartet. Vor allem aber entfaltet er Gaumen die Länge und Intensität eines großen Weines.
Ein in jeder Hinsicht selbstbewußter und anspruchsvoller Schaumwein, der, weit mehr als nur »Sekt«, den Begriff in seiner Assoziationskraft neu definiert. Fast schon mühelos löst er die Grenzen zu den großen Schaumweinen der Welt auf. Sie werden staunen, wie wir gestaunt haben. Bravo!
Griesel & Compagnie ist eine Reise wert, sei es vor Ort in Bensheim oder bei Ihnen zu Hause im Glas. Auf Ihr Wohl!
© Julian Dittmann, Christoph Schlee, Martin Kössler, K&U