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- 15.08.2016
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Präsentation 2016 der fränkischen Ökowinzer auf der Vogelsburg über Volkach.
Zum 10. Mal luden sie auf die Vogelsburg über der Mainschleife bei Volkach ein, die FÖW, 22 fränkische Ökowinzer. Ein Traumtag, dieser 15. August 2016. Blauer Himmel, Sonnenschein, wie gewohnt fröhliche Stimmung und mehr Besucher denn je zuvor, der Herrgott meinte es gut mit den fränkischen Ökos, kein Wunder, ist der Weg zu ihm hier oben doch kürzer als anderswo. Einmal im Jahr nämlich wird der Garten der Augustinusschwestern, die hier oben unter Leitung von Schwester Hedwig Mayer residieren, geöffnet, damit die Ökowinzer Frankens dort ihre alljährliche Präsentation veranstalten können. Ein Rahmen, der einzigartig ist, nicht nur, weil man von hier oben einen phantastischen Blick über die Mainschleife hat.
Auf der Vogelsburg wird immerhin seit dem Jahr 906 nachweislich Weinbau betrieben. 1895 wurde die Anlage an einen Würzburger namens Josef Walter verkauft, der dort eine Ausflugsgaststätte errichtete. Es ist dessen Tochter Philippine zu verdanken, daß dort jenes religiöse Zentrum entstand, das sie nach dem Tod des Vaters 1957 an die Gemeinschaft der Augustinusschwestern übertrug. Die widmeten sich dem Weinbau intensiv und stellten visionär 1964 auf ökologische Anbauweise um.
Uns von K&U verbindet mit diesem Ort intensive Erinnerung. Wir kauften bereits 1982 die Weine der Schwestern, die schon damals aufregend anders schmeckten, weil sie inmitten der Reinzuchthefe-Wüste Main-Frankens wie Exoten aus dem Jenseits wirkten: Weil sie spontan auf der natürlichen wilden Hefe vergoren waren, besaßen sie keinerlei Frucht, fielen aber mit trockenem, würzigen Spiel im Duft und ungewohnt saftiger Fülle im Mund auf , was wir damals kaum verstanden, aber aufregend anders fanden. Hier oben liegt die Wiege des fränkischen Bioweines, den Schwestern sei Dank! Schade, daß dies heute weitgehend vergessen ist. Sie bauten übrigens damals schon ihre Weine konsequent und unbeirrt im Holz aus, was von den Winzern der Region allerdings als völlig rückständig belächelt wurde. Kommt einem das nicht alles bekannt vor?
Weil die Schwestern keine Nachfolgerinnen finden konnten, wurde der Gesamtbesitz der Vogelsburg im Januar 2011 an die Stiftung Juliusspital in Würzburg übertragen, die den Betrieb heute führt. Ein historischer Ort also für den Biowein in Franken, aber auch für uns, weil wir als junge Firma, die gerade erst begonnen hatte zu existieren, die Weine schon damals so spannend fanden, daß wir sie als einzige Frankenweine in unser Sortiment aufnahmen.
Ein Winzer, dessen Weine mich heute auf der Präsentation so spontan wie nachhaltig an die Weine der Augustinusschwestern von damals erinnerten, ist Rainer Zang aus Nordheim. Biowinzer der ersten Stunde, der es bis heute aber nicht geschafft hat, sich im lauten Werben um die Gunst der Kunden das Gehör zu verschaffen, das er verdient hätte. Marketing ist halt nicht sein Ding. Verkaufen scheint er zu hassen wie der Teufel das Weihwasser, im Land herumzufahren, um seine Weine wie Sauerbier anzubieten, kommt für ihn nicht in Frage. Er wartet, bis die Kunden zu ihm finden. Das ist in heutigen Zeiten eine harte Nummer, weil ihm z. B. die Superlative, mit denen er seine Weine von denen seiner Kollegen abheben könnte, nicht über die Lippen gehen. Andere bauen für Unsummen architekturpreisverdächtige Vinotheken, die ihre Weine aufwerten und verkaufen helfen sollen, bei ihm probiert man in einer kultig gruftigen Stube im Charme der siebziger Jahre. Er steckt seine Energie, seine Gedanken und seine Arbeitszeit in seine Weinberge. Die interessieren aber weder den Handel noch die meisten Kunden. Sie helfen ihm nicht, seine Weine zu verkaufen. Und so geht es Rainer Zang wie so vielen ambitionierten, vom Marketingvirus aber nicht befallenen Winzern: sie müssen kämpfen, um überleben zu können.
Rainer Zang ist ein guter Typ (oben im Bild mit seiner Frau in Aktion), ein Winzeroriginal, ein Winzerideal. Seine Weinberge sind eine Pracht. Mehr Bio geht kaum. Im Keller aber versuchten ihm Önologen und Weinbautechniker über Jahrzehnte hinweg den Glauben an die Natur auszutreiben: »Das geht nicht und das darfst du auf keinen Fall machen, das wollen die Kunden nicht etc. etc…«.
Wenn es um die Kellerwirtschaft ging, wirkte Rainer Zang deshalb auf mich fast wie ein gebrochener Mann. Doch seit ein paar Jahren kommt das Selbstvertrauen und die Sicherheit im eigenen Geschmack zurück. Er probiert viel, er experimentiert viel, er beginnt sich erfolgreich von den Schatten der Vergangenheit zu befreien. Zwei seiner Weine haben mich heute nachhaltig beeindruckt, nicht nur, weil sie mich an die früheren Augstinusschwestern-Weine unserer Weinvergangenheit erinnerten, sondern weil sie im Hier und Jetzt richtig gut dastehen: Seine Müller-Thurgaus 2014 und 2015.
Ausgerechnet Müller-Thurgau! Die beiden Jahrgänge völlig verschieden, brillant realisiert, selbstbewußt umgesetzt, mutig »altmodisch« und deshalb wohltuend avantgardistisch. Sie leisten sich keine Frucht, sondern tiefgründig erdige Würze, fränkische Würze, wie man sie heute in den meisten Weinen aus Franken vergeblich sucht. Spontan vergoren im Holzfaß. Viel Zeit auf der Hefe. Total entspannte Weine mutig eigener Ausstrahlung. Samtig, ja irgendwie fast sahneartig in ihrer Konsistenz, aber auch frisch und lebendig im Säurespiel. Reif, aber agil und vibrierend vor Mut zu Sturm und Drang. Durchaus schräg, vom Rand des großen Tellers und eher der Naturweinabteilung zuzuschreiben als typisch deutscher Sicherheits-Önologie, aber genau deshalb so erfrischend anders als viele andere Weine dieser Präsentation, über die ich besser kein Wort verliere, weil sie mich, ganz ehrlich, schlicht und ergreifend nicht interessieren. Auch bei Rainer Zang ist nicht alles Gold was glänzt. Man merkt einigen seiner Weine an, daß ihm die eine Sorte mehr liegt als die andere. Sie alle aber wagen mutiges Anderssein und Charakter, sind ur-fränkisch, ur-ehrlich, absolut authentisch und ungeschminkt und insofern fragt man sich, warum dieser bescheiden auftretende Winzer bis heute so gut wie unentdeckt seinen Alltag im Weinberg verbringen kann. Wer sich so mutig kompromißlos abseits von Kommerz und Mainstream bewegt, hätte die Aufmerksamkeit seitens der engagierten Gastronomie und jener Kunden, die ihrem eigenen Geschmack mehr trauen als Schall und Rauch, allemal verdient.
To make a long story short:
> Begeistert und erstaunt haben mich heute die Weine von Christian Deppisch aus Theilheim, der in rasantem Tempo seinen Weg zum eigenen Stil gefunden hat, der das schmeckbar macht, was er im Keller denkt und fühlt und im Weinberg macht. Ein kleiner Betrieb, den Christian Deppisch quasi im Nebenerwerb betreibt. Um so bemerkenswerter seine Weine, deren Entwicklung zu folgen sich unbedingt lohnt.
> Christian Ehrlich, der Hüne aus Rödelsee, präsentiert mit seinen »Drei Zeilen« in 2014 und 2015 ein überzeugendes Portfolio, das stilistisch stringent und handwerklich engagiert ein breites Spektrum an Rebsorten mit Weinen abdeckt, die es in sich haben, weil sie Charakter wagen und Eigenart haben. Eine so unkonventionelle wie entspannte Bereicherung der fränkischen Weinszene, die sich, sehr angenehm, nicht wichtiger nimmt, als sie ist. Einige Weine von Christian Ehrlich sind aber nur in homöopathischer Dosierung verfügbar, Eile ist also geboten.
> Uli Luckert zeigt mit seinen souverän in sich ruhenden, unaufgeregt entspannten Silvanern, wie stilbildend fränkisch störrische Ausdauer, gepaart mit Erfahrungswissen, sensorischer Professionalität und profunder Kompetenz, sein kann, wenn man denn bereit und intellektuell in der Lage ist, sich selbstkritisch im Spiegel des internationalen Weinmarktes mit der eigenen geschmacklichen Heimat und Identität auseinanderzusetzen. Seinen Silvaner »Alte Reben« halten wir in seiner Machart für eine Referenz der Rebsorte im Jahrgang 2015.
> Stephan Kraemer aus Auernhofen im Taubertal hat sich vom Gelegenheitswinzer zum selbstbewußt forsch auftretenden Wegbereiter in Franken entwickelt, der sich mit mutig knochentrockenen Weinen mit mehr oder weniger Maischegärungsanteilen so risikobereit wie risikobewußt zwischen Orange- und Naturwein ansiedelt, um stilistisch jenem eigenen Weg zu folgen, den ihm seine Weinberge vorgeben. Simone und Stephan Krämers Weine mag man, oder man lehnt sie ab. Ich finde sie so auf- wie anregend, tragen sie doch eines der spannenden Puzzlestückchen zum großen Kuchen »Biowein in Franken« bei.
> Sandra und Ludwig Knoll vom Weingut am Stein, Leuchtturm und Aushängeschild in Franken, hatten es unter den oben genannten selbstbewußten Individualisten heute nicht leicht, sich mit ihren Weinen zu profilieren. Sie gehörten, wie zu erwarten, zu den besten dieser Veranstaltung, sind technisch brillant in Szene gesetzt, schmecken lecker, sind richtig gut, spannend oder gar aufregend aber fand ich sie heute weniger als erwartet. Überzeugt haben mich ihre Erste Lage-Weine des Jahrgangs 2015. Vermutlich hängt das mit der Größe ihres 30-Hektar-Betriebes zusammen. Knolls wollen und müssen alle Marktsegmente mit ihren Weinen bedienen. Sie waren in vielerlei Hinsicht wegweisend in und für Franken. Sie werden auch in Zukunft die Zeichen der Zeit erkennen und den Weg weisen, wenn ihnen danach ist. Gerüstet dafür sind sie wie kaum ein anderer Betrieb in Franken.
Mein Fazit: Wieder eine wunderschöne Veranstaltung, die ich allen interessierten Bio-, vor allem aber Nicht-Biowein-Freunden empfehlen kann. Schön, daß es diese Präsentation gibt! Traumstimmung, eine Atmosphäre, wie sie unter den Obstbäumen des Privatgartens der Augustinusschwestern schöner nicht sein könnte, ausreichend Platz auch für Kinder (siehe im Bild oben der Sohn von Uli Luckert), viele nette Weinfreunde und viele gute Weine von vielen netten Winzern, die sich viel Zeit für ihre Besucher und Gäste nehmen, die sie im Alltag oft nicht haben. Es gibt wunderbare Bio-Käse und Käseteller zu kaufen und in der Gaststätte der Vogelsburg kann man auf der Terrasse sitzen, den Blick schweifen lassen, ein Bier trinken, Kaffe und Kuchen verzehren oder auch fränkisch deftige Gerichte genießen.
> Der Eintritt zur Bioweinpräsentation beträgt 12.- Euro, die bestens angelegt sind, und als Pfand für das Glas werden 3.- Euro fällig, die man am Ausgang wieder zurückbekommt. Nächstes Jahr, so hoffe ich, sollten wir uns dort wieder treffen!
> Die Präsentation 2017 findet wieder an Maria-Himmelfahrt statt. Wieder auf der Vogelsburg. Informationen dazu hier.