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- 02.05.2016
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Ein wunderschöner 2. Mai 2016 in Main-Franken.
Der Frühling ist, wie jedes Jahr, Round-Up-Hoch-Saison. Da sind sie wieder im Einsatz, die Giftspritzer-Winzer. Ich dokumentiere ihre »Arbeit« in vielen Weinbauregionen in Tausenden von Bildern, nicht nur in Franken wie hier. Herbizide wie das berühmte »Round Up« werden, trotz genauer juristischer und technischer Vorgaben, seit ein paar Jahren wieder mehr oder weniger flächendeckend, und damit abseits der beschworenen »guten fachlichen Praxis«, so intensiv eingesetzt, wie lange nicht mehr. Sie sind billig geworden, seit das Monsanto-Original-Patent erloschen ist. Über 250 Nachahmerprodukte hat der Markt zu bieten. Selbstverständlich auch für den heimischen Gemüsegarten.
Glyphosate sparen teure Handarbeit und machen so billige Preise für billig schmeckende Weine möglich. Der deutsche Kunde will ihn billig, seinen Wein. Wie der Inhalt der Flasche entsteht und wie sein Preis zustande kommt, scheint ihn nicht zu interessieren. Das ist beim Wein übrigens so, wie beim Schwein aus der Massentierhaltung: Ich finde das ja alles grausam und ganz schrecklich – aber mein Fleisch darf nicht mehr kosten . . .
Mainfranken/Volkach, 2. Mai 2015. Nur ein Weinberg von vielen. Harter Glyphosateinsatz ohne Bodenbearbeitung. Konventioneller Weinbau, wie er heute leider üblich ist. Die Ausnahmen bestätigen nur die traurige Regel…
Daß selbst viele Spitzenwinzer auf den hier in beispielhaften Bildern dokumentierten Herbizideinsatz setzen, beweist, daß sie so Spitze nicht sein können. Es zeigt aber auch, wie inkompetent und desinteressiert eine ganze Branche, vor allem aber der Handel mit Wein, agiert, denn die Wahrheit draußen im konventionell bewirtschafteten Weinberg ist grausam. Vielleicht will sie deshalb niemand sehen? Sie geht auf Kosten der Umwelt, der Allgemeinheit (Grundwasser, Erosion, Nitrateintrag und Glyphosat im Trinkwasser etc…) und der Winzergesundheit, doch wen schert das schon. Hauptsache, der Wein ist billig. Nach dem Wert dessen, was man da in sich hineinkippt, fragt ohnehin niemand mehr. Es scheint ihn auch kaum noch jemand beurteilen zu können, diesen Wert.
So wird aus dem einstigen Kulturgut Wein ein im besten Fall »getränketechnologisches Erzeugnis«. Das kommt nur zu oft über das »alkoholhaltige Wirkungsgetränk« nicht hinaus. Ein agrarindustrielles Erzeugnis. Die Massentierhaltung im Wein …
Die üblichen Glyphosat-Einsatz-Spuren. Wenn der Randstreifen zur Strasse zur ökologischen Nische verkommt . . . traurig.
Von all dem will die Weinbranche nichts wissen. Leider interessiert auch viele Sommeliers und Masters of Wine, vom Handel ganz zu schweigen, die Schattenseite ihres glorreichen Businesses wenig bis gar nicht. Paßt nicht zum sauberen Berufsbild und schadet dem Geschäft. Sie schweigt, die elitäre Weinwelt. Betrug am Gast, am Kunden, an der Öffentlichkeit? Keiner kratzt dem anderen ein Auge aus. Schließlich ist ja alles »Spitze« und »groß«, Superlativ hat man in der Branche ohnehin schnell zur Hand.
Tatsächlich wird auf Winzerseite gelogen, daß sich die Balken biegen, und auf der anderen Seite des Marktes propagiert man lieber »Spitzenweine«, als daß man ehrlich sagen würde, was Sache ist. Ob die vermeintlichen Spitzentropfen auf malträtierten Rebflächen von rücksichtslos gierigen Winzern produziert werden, deren monetäre Ambitionen wichtiger sind als die Qualität, die im Keller von berühmten Önologen hingetrickst werden muß, weil sie auf natürliche Weise nicht gewachsen sein kann, wird weder hinterfragt, noch scheint es zu interessieren.
Schön, daß die Naturweinbewegung hier Bewegung und Gedanken in den Markt gebracht hat. Sie hat so manchen renommierten Winzer wachgerüttelt und dazu geführt, daß über Wein und seine Produktion grundsätzlich nachgedacht wird. Viele haben ihre Weinbereitung daraufhin überarbeitet, so mancher ist konvertiert zum biologischen oder biodynamischen Weinbau. Der Klimawandel tut das Seine dazu. Um auf dessen Herausforderungen zu reagieren, beschäftigen sich immer mehr engagierte Winzer so intensiv wie noch nie mit Bodenbearbeitung, Begrünung und Physiologie der Rebe. So hat die noch immer vom klassischen Handel belächelte und kritisierte Naturweinszene quasi von hinten durch die Brust einen erstaunlich nachhaltigem Wandel bewirkt, der noch für so manche Überraschung sorgen wird. Im positiven Sinne.
Dagegen ist die angelsächsisch dominierte Ausbildung der Sommeliers und Master of Wine (WSET) nicht dazu angetan, Licht in das Dunkel zu bringen. Sie zementiert mit borniert geschmäcklerischer Oberflächlichkeit das von der Agrarchemie geprägte Bild des Weines und macht um dessen unbequeme Realität einen großen Bogen. Von wegen Ehrenkodex. Jahrgänge, platte Regionscharakteristika, berühmte Chemieäcker und läppische Gemeinplätze zu lehren scheint einfacher, als nachvollziehbare Kriterien für Qualität in Weinberg, Boden und Klima zu vermitteln.
Langjähriger Einsatz von Glyphosaten führt zu Bodenverdichtung. Es kommt zu charakteristischem Moos-Bewuchs, wie er in biologisch bewirtschafteten Weinbergen nicht existiert.
Wer seine Weinberge so respektlos behandelt, wie hier in den Bildern aus dem Mai 2016 in Mainfranken zu sehen ist, der arbeitet auch im Keller nur nach technischem Rezept.
Dieser Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird in immer mehr Weinen spür- und schmeckbar. Die Verdichtung der Böden durch Glyphosat-Einsatz zerstört das Bodenleben. Weil dadurch auch die Mykorrhiza-Kulturen am Wurzelsystem der Rebe nachweislich zerstört werden, ist die lebenswichtige Versorgung mit Spurenelementen und Nährstoffen nicht mehr gewährleistet. Es kommt zu Nährstoffmangel in Rebe und Traube, der Gärprobleme verursacht. Warum werden im konventionellen Weinbau die Moste fast schon systematisch vitaminiert und künstlich ernährt? Damit die zugesetzten synthetischen Reinzucht-Hefen die Nahrung finden, die sie benötigen, um einen reibungslosen Gärverlauf garantieren zu können. Und es wird gedüngt. Völlig überflüssig mit Stickstoff und Phosphor. In fast allen konventionellen Weinbergen ist viel zu viel Stickstoff in Boden und Blättern, erkennbar an der intensiv dunkelgrünen Farbe der Blätter und deren Nichtabreifen im Herbst.
Derartige Weine sind von dem, was wir »lebendigen Wein« nennen, Lichtjahre entfernt. Es sind statische, technisch korrekte Weine, die über das Niveau vieler weit billigerer Weine aus dem LEH-Regal aber kaum hinauskommen. Denen hat nämlich die moderne Önologie in den letzten Jahren mächtig auf die Sprünge geholfen. Das Ergebnis ist ein Heer von uniform »fruchtigen« Weinen, die austauschbar banal riechen und schmecken, damit aber exakt die Erwartungshaltung vieler Weintrinker treffen, denen dieses Niveau an technisch definierter Mindestqualität reicht. Das ist er, der Strukturwandel, der vielen konventionell wirtschaftenden Winzern noch zum Verhängnis werden wird, weil sie niemals so billig produzieren können, wie es die globalen Großkonzerne der internationalen Weinindustrie können.
Als Reaktion auf diese Entwicklung lassen sich ambitionierte Winzer biologisch zertifizieren. Es geht ihnen dabei nicht um »Bio« als Marketingtool oder Verkaufshilfe, es geht ihnen um die Abgrenzung zu den zahlreichen Trittbrettfahrern, die es inzwischen im konventionellen Bereich gibt. Die behaupten in unverfrorener Frechheit, »fast biologisch« zu arbeiten, die Zertifizierung aber nicht bezahlen zu wollen. Das ist billige Ausrede und unseriöses Geschäftsgebahren. Es gibt nur noch Bio oder Nicht-Bio. Alles andere ist unseriös. Das Studium zahlreicher Webseiten konventioneller Winzer spricht diesbezüglich Bände. Wenn die alle wirklich so »naturnah« und »traditionell« arbeiten würden, wie sie es dort vorgeben, wären ihre Weine weniger statisch und ihre Weinberge sähen anders aus.
Reben, die mit sich und ihrer Umgebung in Balance stehen, bringen Weine hervor, die spürbar »anders« riechen und schmecken als konventionell produzierte Weine. Erkennbar an ziemlich radikalem Paradigmenwechsel: Würze statt Frucht, Länge statt Breite, Schmelz statt magerer Bitterkeit am Gaumen, präzise Reife statt Überreife und spürbare Dichte im Mundgefühl, die physische Struktur dem simplen »Geschmack« entgegensetzt. Nur in Weinen von lebendigen Böden läßt sich von der Arbeit im Weinberg auf den Inhalt der Flasche schließen. Nur sie machen Wein zum Kulturgut.
Gehts noch »töter«? Steillagenweinbau ist anspruchsvoll, gewiss, aber so tot muß er nicht aussehen. Massiver Bodenabbau statt Aufbau. Erosion. Inkompetenz und Desinteresse. Offenbarungseid des Winzers.
Wer ohne Glyphosat auskommen will, muß sich intensiv mit seinem Boden und dessen Struktur beschäftigen. Er muß sich um die richtige Begrünung und deren Management ebenso kümmern, wie um den Wasserhaushalt seiner Reben. Er muß seine Reben kennen und überzeugt sein von dem was er tut. Er muß handwerkliches Können beherrschen und die Kompetenz besitzen, die Physiologie seiner Reben in entsprechendes Mundgefühl zu verwandeln. Er muß eine eigene, auf dieser Physiologie basierende Qualitäts-Philosophie verfolgen, die sich nicht am Preis für eine bestimmte Kundschaft orientiert, sondern an einer definierten Vorstellung von Qualität, die identifizierbar und unverwechselbar sein muß und stringent verfolgt und weiterentwickelt werden muß. Wer ohne Glyphosat im Weinberg arbeitet, muß sehr nahe an seinen Reben sein, sonst sind Lagenqualität, Herkunft und Regionalität das, was sie im Wein leider meistens sind: Lügen, Märchen und Illusionen.
Eine der berühmtesten Steillagen Frankens. Glyphosat reichlich, plus Bewässerung. Das nennt man dort Qualitätsweinbau und verlangt viel Geld für die Weine. Begrünung mit Bewässerung wäre sinnvoller für Ökologie und Qualität.
Ginge jeder Weinhändler mit jedem seiner Winzer in die Weinberge, um sich dort die Philosophie der Arbeit erklären zu lassen, könnte der Handel seinen Kunden die dringend benötigte Transparenz bieten. Würde man im Falle, daß einem die Arbeit dort nicht gefällt, die Konsequenzen ziehen, wäre viel gewonnen. Eine andere Sprache scheinen unbelehrbare Winzer nicht zu verstehen.
Handel und schreibende Zunft müßten die Sensibilität und Kompetenz aufbringen, mit Winzern auf Augenhöhe über deren Arbeit im Weinberg sprechen zu können. Dann würde sich der »Spitzenweinbau« schnell neu definieren und anders aussehen. Dann würde so mancher vermeintliche »Spitzenwein« zum ganz normalen Industrietropfen desillusioniert und man käme dem bereits erwähnten Trittbrettfahrer-Gerede vom biodynamischen Weinbau nicht minder schnell auf die Schliche. Der ist nur zu häufig nicht das, was er vorgibt zu sein und wenn wir dies mit einem Blick in den Weinberg beurteilen und entlarven können, kämen wir einer dem Kunden oder dem Gast gegenüber ehrlichen Transparenz in Sachen Qualität deutlich näher.
Bis dahin können sich Gemeinden auch weiterhin mit idyllischen Ortseinfahrten wie dieser schmücken: Brutaler Glyphosateinsatz im Frühling, die beste Werbung für einen »modernen« Weinort. Merken diese Leute nicht, wie entwurzelt sie sind? Wie sie ihr Handwerk verraten? Im Krieg gegen die Natur entlarvt sich die Perversität deutschen Reinlichkeitswahns. Beste Werbung für den örtlichen Agrarchemieweinbau. Danke, da geh ich gleich wieder. »Saubere« Weinwelt in Köhler am Main.