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- 03.01.2015
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Nicht nur Liebe, auch Heimat geht durch den Magen. Das Brot der Kindheit, regionale Spezialitäten oder familiäre Festtagsgerichte definieren unsere Herkunft und unser Zuhause. Gastfreundschaft lädt dazu ein, dieses Zuhause mit dem Besucher zu teilen oder, als Eingeladener, an der Heimat des Gastgebers teilzuhaben. In seiner Küche entdecken wir den Menschen als Individuum. Sie ist wesentlicher Bestandteil seiner Identität.
Ausgerechnet ein Kochbuch macht in Zeiten von Antisemitismus und Fremdenhass vom Nordkap bis an die Südspitze Italiens Hoffnung auf Verständigung. Eine Verständigung, die durch den Magen geht.
»Jerusalem«. Bereits 2013 erschienen im Dorling-Kindersley-Verlag. Das wunderbare Kochbuch der Londoner Kultköche Yotam Ottolenghi (Bild oben) und Sami Tamimi macht vor, wie es gehen kann. Der eine Jude, der andere Araber. Beide aus Jerusalem.
Gemeinsam haben sie dieses Kochbuch geschrieben, gemeinsam betreiben sie in London vier Coffeeshops und ihr Restaurant Nopi. Die beiden Köche reden nicht lange um den heißen Brei herum. Sie stellen sich ihrer Vergangenheit und der schwierigen politischen Realität, sehen aber gerade in ihrer kontroversen Herkunft eine Bereicherung, die weit über die Kulinarik hinausgeht. Ein Kochbuch, das politisch ist, weil es Verständnis für die unterschiedlichen Kulturen seiner beiden Macher praktiziert. Ein Kochbuch, das versöhnlich stimmt, weil es vormacht, wie sehr wir vom Kennenlernen anderer Kulturen und Küchen, Gewürze, Gerüche und Geschmäcker kulinarisch profitieren können. Ein Buch, das sich mit sensiblem Respekt der Küche des jeweils anderen nähert. Ein Buch, das aus der Identität zweier geschundener Völker die Kraft schöpft, die jeweils andere Küchenkultur zu genießen.
Der Palästinenser Tamimi (links) und der Israeli Ottolenghi bedienen sich der bunten Einflüsse, die in der Küche ihrer gemeinsamen Heimatstadt Jerusalem zusammenfinden, und setzen daraus ein spannendes Puzzle von 126 Rezepten zusammen, deren Reiz man sich kaum entziehen kann. Viele kleine Geschichten erläutern die teilweise einfachen, aber höchst animierenden Gerichte, die nicht minder animierend abgelichtet sind. Sie können auch von Anfängern präpariert werden und versprechen bewundernswert andere Abwechslung auf dem Teller. Das Mittelmeer und seine vielfältigen Kulturen und Etnien finden hier zusammen. Jüdische und arabische, türkische und italienische Einflüsse treffen auf nordafrikanische Würze und lassen der kochenden Phantasie viel Spielraum.
Ein mundwässernd gut gemachtes Kochbuch, das Leben in die Alltagsküche bringt und Identität vermittelt, von der wir für unsere deutsche Küche nur lernen können. Es ist diese Art »einfacher« Küche, die Ottolenghi und Tamimi Kultstatus in Londons Restaurantszene gebracht hat. Keine elaborierte Hochküche, die eine ganze Brigade an Zuträgern braucht, um schließlich irgendwann künstlerisch wertvoll auf dem Teller zu landen, sondern eine von der Alltagsküche Jerusalems inspirierte moderne Küche aus ganz normalen, überall erhältlichen Zutaten, die unsere heimischen Küchengewohnheiten um köstliche Würze (Sumach und Tahin) und neue und ungewohnte Präparationen (kalt/warm) in einer faszinierend neuen Geschmackswelt bereichern. Völkerverständigung, die durch den Magen geht.
Jerusalem, das Kochbuch, Yotam Ottolenghi & Sami Tamimi, DK-Verlag 24,95 €