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Das Wasser, der Boden, der Mensch und der Wein

Wasser ist plötzlich knappe Ressource. Die Klimakrise manifestiert sich, von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, in unseren Böden. Deren Wasserspeichervermögen sinkt durch den Chemiekrieg auf Acker, Feld und Weinberg, Grundwasser, das wir nach wie vor hirnlos ausbeuten, wird dadurch kaum noch aufgefüllt. So werden die nächsten Kriege um das Wasser geführt werden. Wir wollen einfach nicht lernen, damit schonend umzugehen, weil wir glauben, in unseren Breitengraden vom Mangel nicht betroffen zu sein.

Das stimmt so aber nicht. In vielen Regionen Europas kämpfen Landwirtschaft und Weinbau mit Wassermangel. Südafrika und Australien sind von Hitze- und korrespondierenden Wasserproblemen derart stark betroffen, dass diese den Weinbau dort nachhaltig beeinflussen und verändern werden.

Trockenschäden und Hitzestress lassen Weine am Gaumen charakteristisch bitter schmecken. Deshalb haben sich in Kalifornien ambitionierte Spitzenwinzer:innen zusammengetan, um dort einen völlig neuen Weinbau zu etablieren, der die Physiologie der Rebe für niedrigen Alkohol - bei Verzicht auf künstliche Tröpfchen-Bewässerung - durch Verzicht auf jedweden Stress für den Rebstock auf neue, schonende Art und Weise zu beeinflussen versucht. Der Erfolg gibt ihnen recht, wir haben einige dieser Weingüter im Programm, und ihre Arbeit wird wegweisend sein - auch für unseren europäischen Weinbau.

Ohne regenerative Bewirtschaftung werden unsere Böden sterben

Die durch intensiven Glyphosat- und Düngemitteleinsatz nachhaltig verdichteten und damit weitgehend aus der natürlichen Balance gebrachten Böden der konventionellen Landwirtschaft und des konventionellen Weinbaus sind nicht mehr in der Lage, Wasser halten zu können. Ihre dafür notwendigen Mykorrhiza-Kulturen sind zerstört. Deshalb kommt es zu zwangsläufigem Nährstoffmangel durch Bodenverdichtung, mangelnde Bodengare, zerstörte Bodenbiologie und -morphologie. Durch den Klimawandel bleiben die früher so wichtigen Landregen, die oft über mehrere Tage die Böden so mit Wasser versorgten, dass diese das Wasser aufnehmen, halten und schließlich versickern lassen konnten, aus. Heute gehen unwetterartige Regengüsse mit vielen Litern pro qm auf Böden nieder, die keinerlei Wasserhaltevermögen mehr besitzen, es kommt zu Erosion der besten Krume, Bodenverdichtung durch Feuchtigkeit aufgrund mangelnder Bodengare (im Weinbau z. B. Chlorose) und wenn es nach den Regengüssen warm wird, zu betonartiger Verhärtung der Bodenoberfläche, weil Krume und Gare nicht fachgerecht vorhanden sind, mit entsprechenden Wachstums- und Ertragsproblemen. Traurige, beängstigende Realität im modernen Agrarindustrielandbau, der nicht zu merken scheint, dass er nicht nur wegen oben beschriebener Phänomene, sondern auch wegen  kaum beherrschbarer Resistenzen gegen immer häufiger zu wechselnde und einzusetzende Spritzmittel, langsam aber sicher an die Wand fährt. Auf kaputten Böden wird das dringend benötigte Wasser plötzlich zum Problem.

In der regenerativen Bewirtschaftung nehmen die lebendigen Böden das Wasser sicht- und fühlbar anders auf. Auf ihnen steht selten Wasser, weil die Krume gesund und feinkörnig ist und deshalb durch Dauerbegrünung auch nicht so verdichtet wie konventionell bewirtschaftete Böden. Derart lebendige Böden besitzen entsprechende Gare und Morphologie der Krume, dort sorgen Mykorrhiza-Pilz-Netzwerke selbst in extremen Trockensituationen für mikroskopische, aber ausreichende Wasser- und Nährstoffversorgung. Deshalb wirken hochwertige Bio- und Biodynamik-Weine von Weingütern, die ihre Arbeit im Weinberg beherrschen, so entspannt »anders« im Mundgefühl. Deshalb erntet man in der Bio- und Biodynamik-Landwirtschaft zwar niedrigere Erträge, diese aber sehr viel konstanter, also unabhängig vom Klimaeinfluss des Jahrgangs, und ihre Erntequalität ist, egal welche Frucht, in der Regel gesünder, stabiler und frei von Mykotoxinen, weil in ihren Böden sehr viel weniger oder gar keine Fusarien aktiv sind. 

Hier ein beeindruckend recherchierter Artikel über die Folgen konventioneller Landwirtschaft (aus: The California Sunday Magazine, Februar 2018). Ein Lehrstück in Sachen Turbo-Kapitalismus. Hier findet die Ausbeutung von Mensch und Natur in Riesendimensionen statt, in einem Teil der Welt, der vom Wasser lebt und es doch so unkontrolliert wie unbedacht verbraucht. Bei gleichzeitigem Pestizideinsatz, wie er nirgendwo sonst auf der Welt ähnlich intensive Anwendung findet. Man gräbt sich hier buchstäblich selbst das Wasser ab. Großer Journalismus.

Wasser zu Wein?

Bei der Hochzeit zu Kana, berichtet Jünger Johannes, ging der Wein zur Neige. Da vollbrachte Jesus sein erstes Wunder, indem er aus Wasser Wein machte. In der Mythologie steht der Wein für die irdische Freude. Damit ist, zumindest in Winzerkreisen, erstmal Schluß, denn der Weinbau bereitet den Winzern der Welt existentielle Sorgen: Reben brauchen (nicht viel, aber doch) Wasser, um aus Trauben Wein machen zu können.

Doch Wasser ist - alles andere als »plötzlich« - Mangelware. Für uns vom »Wohlstand« verwöhnte Menschen schien Wasser immer und überall verfügbar. Wir füllen Pools und spülen Klos mit Trinkwasser. Industrie und Landwirtschaft pumpen Millionen von Kubikmetern wertvollen und uralten Tiefengrundwassers aus dem Boden. Bauern zerstören noch immer mit Pflügen ihre Böden, so daß diese nur ungenügend Wasser mehr aufnehmen können. Wir haben Flüsse begradigt, deren Böschungen zerstört und ganze Landschaften ausgeräumt für mehr Ertrag und ökonomische »Effizienz«. Ohne Hecken und Bäume sind dies leblose Nutzflächen, deren Böden austrocknen und durch Wasser und Wind erodieren. Aus einstmals hochdiversen Ökosystemen haben wir öde Nutzholzplantagen gemacht, die wir »Wald« nennen. Unsere Gärten schmückt wertloses Baumarkt-Grün und noch immer pflastern wir jeden Tag hektarweise wertvollen Boden zu. 

Der Boden hat keine Lobby. Er findet in seiner Bedeutung für den Kreislauf des Wassers keine Beachtung. Wissenschaft und Politik sprechen über Klima und Wetter, Feinstaub und Ozon-Belastung, Trockenheit und Wassernotstand, doch daß wir unsere wertvollen Böden über Generationen synthetisch zu Tode gedüngt und durch den jahrzehntelangen Einsatz von Pestiziden aller Art ihrer existentiellen physikalischen, biologischen und chemischen Eigenschaften beraubt haben, wird nachhaltig verschwiegen. Die Agrarchemielobby hat Politik und Wissenschaft seit Justus von Liebig so fest im Griff, daß über den Boden und seine mögliche Bedeutung für unser Klima und unsere Gesundheit Stillschweigen herrscht.

Klimakrise und Mikrobiom-Forschung werden dafür sorgen, daß die Auswirkungen dieser unseligen Allianz nachhaltig aufgedeckt werden. An der ET-Zürich forscht Frau Professor Sereviratne über die Verdunstung als Klimatreiber, also über das Wasserhalte- und Speichervermögen von Böden, einem der brennendsten Themen unserer Zeit. Am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und Umweltökonomie der Humboldt-Universität zu Berlin beschäftigt sich Jesko Hirschfeld mit der Begrünung von Städten und der entsprechenden CO2-Taxonomie, mit der er nicht nur das Klima in den Städten verbessern, sondern auch wieder Wasser in den Kreislauf der Natur einspeisen will. Doch die Botschaften der beiden werden, stellvertretend für viele andere, hierzulande bislang kaum erhört. Dabei mehren sich die dramatischen Nachrichten in Bezug auf Wassermangel und Wasserqualität überall. 

In ganzen Regionen Europas fallen die Ernten kleiner aus, weil Saatgut nicht angeht oder Pflanzen nicht wachsen können. Landwirtschaftliche Erträge sind inzwischen fast weltweit von Trockenheit bedroht. Für Deutschland veröffentlicht das UFZ-Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung täglich seinen Dürremonitor.

Als Ausweg wird allenthalben und überall der Ruf nach Bewässerung laut. Doch selbst Donau, Po, Loire und Väterchen Rhein führen historisch wenig Wasser, an Schifffahrt ist kaum noch zu denken. Die Gletscher in den Alpen schmelzen und die Winter werden schneeärmer. Wo soll das nötige Wasser für die Flüsse herkommen in Zukunft? Wenn es mal regnet, tut es das so heftig, daß das Wasser abfließt, ohne in die ausgetrockneten, durch Kunstdünger und Pestizide versinterten Böden eindringen zu können. 

Deshalb machen sich inzwischen Fachleute selbst um das Tiefenwasser inzwischen Sorgen. Der Staat hat den deutschen Mineralbrunnen das Tiefengrundwasser anvertraut, aus dem unsere Mineralwässer stammen. Bislang wurden zu deren Nutzung Wasserrechte für Zeiträume von bis zu 30 Jahren bewilligt. Inzwischen werden nur noch jederzeit widerrufbare Bewilligungen ausgesprochen, was der gesamten Wasserbranche enorme Sorgen bereitet. 

Zwar ist nach Aussage der Behörden das Tiefengrundwasser noch nicht von akutem Notstand betroffen, damit das so bleibt, muß die Gesellschaft aber Sorge tragen, daß sich die Probleme nicht von der Oberfläche in die Tiefe fortsetzen. Und die Probleme sind groß, denn Wasserschutz kam bei bisher jeder »-wende« zu kurz. Deshalb gibt es viele Regionen in Deutschland, in denen das Tiefengrundwasser bereits unter Trockenstress leidet und beständig absinkt, weil es im Winter durch Trockenheit und kaputte Böden nicht mehr aufgefüllt wird. 

Wir werden uns darauf einstellen müssen, in Zukunft weniger Grundwasser zur Verfügung zu haben. Schlimmer ist nur noch die abnehmende Wasserqualität, denn verschmutztes Grundwasser ist zur hochwertigen Trinkwassergewinnung nicht oder nur zu sehr hohen Kosten einsetzbar. Das aktuelle »Schwarzbuch Wasser« weist nach, daß die Pestizidbelastung im Grundwasser in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat. 61 % aller Grundwassermeßstellen in Niedersachsen z. B. seien durch Pestizide oder deren Metabolite verunreinigt und 26,7 % aller bundesweiten Meßstellen liegen in den Nitratwerten über den Grenzwerten. 

Manchmal ist die EU weiter, als ihre Bürger glauben und wissen

Sie weiß, das trockene Böden keine Verdunstung verursachen, weil sie kaum noch Wasser enthalten, geschweige denn speichern können. Dieses Szenario, das viel zu wenig Beachtung findet, sorgt im Zusammenspiel mit ausgeräumten Landschaften und wertlosen Nutzholz-Plantagen, die sich »Wald« nennen, für klein- wie großräumige Klimaveränderungen, weil sich über solchen Flächen kaum noch kleinräumige lokale Wetter im Sinne von Wolken und Regen entwickeln und bilden können. Eventueller Regen verdunstet, bevor er gefallen ist, das Wetter wird großflächiger und damit weiträumig extremer (siehe das menschengemachte Hochwasser an der Ahr). 

Um das zu verhindern hat die EU im Juni 2022 ein Maßnahmenpaket zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation – SUR) angenommen, das eine EU-weite Verringerung des Einsatzes chemischer Pestizide um 50 % bis zum Jahr 2030 im Einklang mit den EU-Strategien »From Farm to Table« und »Biologische Diversität" anstrebt. Der Verordnungsvorschlag sieht zudem ein Anwendungsverbot von Pflanzenschutzmitteln in sogenannten empfindlichen Gebieten vor, zu denen Vogelschutzgebiete, städtische Grünflächen, öffentliche Parks oder Gärten, Spielplätze, Erholungs- oder Sportplätze, öffentliche Wege sowie Schutzgebiete gemäß »Natura 2000« gehören. Auch sollen weniger gefährliche nichtsynthetische Alternativen zu den bekannten Pestiziden zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden.

Was sagt der deutsche Weinbauverband dazu?

Der läßt wie folgt verlautbaren: »Der aktuelle EU-Vorschlag zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln kommt der Stilllegung eines Großteils unserer deutschen Rebfläche gleich. An der Mosel könnte die Weinerzeugung um fast 90 Prozent zurückgehen. Bekannte Einzellagen würden einfach ausgelöscht. Diese pauschale Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes sowie das komplette Anwendungsverbot von Pflanzenschutzmitteln insbesondere in den »Schutzgebieten« darf daher nicht Realität werden! Dafür müssen wir alle gemeinsam kämpfen! Wir empfehlen allen Winzern, sich mit ihren Kommunen und Landes- und Bundespolitikern sowie den europäischen Vertretern in Verbindung zu setzen und diese für die Unverhältnismäßigkeit der Auswirkungen des Vorschlags auf den Weinbau und die Kulturlandschaft vor Ort zu sensibilisieren.«

Demnach ist Weinbau in Deutschland ohne synthetische Pestizide nicht möglich. Meinen die das ernst? Es geht um eine Reduzierung um 50% bis 2030! Das Statement des DWV ist an Ignoranz und Rückständigkeit kaum zu überbieten. Man scheint tatsächlich hierzulande von offizieller Seite aus nicht bereit, auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, ob und was man verändern könnte und müßte, um die zwingend notwendige und überaus sinnvolle EU-Verordnung mit Leben zu erfüllen. Weiß man dort nicht, wie Herbizide und Dünger den Boden biologisch und physikalisch zerstören? Kennt man dort den Unterschied zwischen Boden als Kohlenstoffsenke und Quelle nicht? Will man weiterhin Böden abbauen, statt sie an organischer Masse (Humus) aufzubauen? In diesem Verständnis der »Effizienz« scheint der Boden nur als Substrat zu dienen, das den Reben Halt gibt.

Während in Frankreich Marc-André Selosse, Professor am Nationalmuseum für Naturgeschichte in Paris, landesweit eine so nachhaltige wie intensive Diskussion über die Wirkung natürlicher Pilzkulturen zur Rettung der Böden, allen voran mittels Mykorrhiza, ausgelöst hat, scheint es in Deutschland nur ein dumpfbackig beharrendes »Weiter so!« zu geben. 

Während man überall auf der Welt in Landwirtschaft und Weinbau versucht, über alternative regenerative Bewirtschaftungsformen und Agroforst- und Permakultur-Versuche besagte Pilzkulturen zur Verbesserung des Bodenlebens und des Wasserhaltevermögens in den Böden anzuregen und zu beleben, werden bei uns neue Rebsorten (Piwis, pilzwiderstandsfähige Rebsorten) und Bewässerung diskutiert, um bloß nichts ändern zu müssen im ach so bewährten Hochertragssystem. Kein Blick nach vorne. Kein Wagemut, kein Interesse, keine Kompetenz. Stattdessen: stures Beharren. Übrigens selbst von Seiten der »Wissenschaft« (siehe Julius-Kühne-Institut u. a.).

Daß die Klimakrise die Höchsterträge, die der deutsche Normalo-Winzer mittels teurer Agrarchemie auf Kosten der Allgemeinheit und der Natur für möglichst niedrige Preise erwirtschaften muß, nicht mehr liefern wird, ist zu diesen Menschen noch nicht vorgedrungen. Die Erträge werden sinken, die Probleme mit den trockenen Böden werden drastischer, die Preise für Wein werden steigen müssen. Wer da nicht mit überzeugender Qualität dagegenhalten kann, ist erledigt. Dazu kommen die Lieferketten-Probleme bei den billigen Überseeweinen, deren Frachtkosten den Weinpreis übersteigen, so daß der Billigstbereich im Wein schon bald Vergangenheit sein wird. Dazu kommen die steigenden Ansprüche der Verbraucher an Nachhaltigkeit und Transparenz in der Produktion, die Wein deutlich verteuern werden. Und schließlich darf die Anti-Alkohol-Kampagne der calvinistischen Mitgliedsländer der EU nicht vergessen werden, die schon bald mit dem Wein das machen wird, was sie mit der Zigarette erfolgreich vorexerziert hat: Sie wird Alkohol pauschal zur gesundheitsschädlichen Droge erklären und Ausschank und Verkauf entsprechend hart zu reglementieren versuchen. 

Da muß der Blick nach vorne schon ganz schön visionär sein. So einfach, wie ihn sich die deutschen Winzer machen, ist er jedenfalls nicht. In der Klimakrise steckt auch eine Riesenchance. Die EU hat sie gewittert und in juristische Form gebracht. Erneuerung, Wandel und radikale Abkehr von einem System, das den Einzelnen bereichert hat zu Lasten der Allgemeinheit. »Wohlstand«, der auf Zerstörung beruht. Deshalb muß der Wein von morgen grundsätzlich anders und grundsätzlich neu gedacht werden. Als billiges Freizeit-Wirkungsgetränk aus dem SB-Regal hat er schon bald ausgedient und das ist gut so. Als sinnlich und intellektuell anregendes, spannend diverses Kulturgetränk muß und wird er eine Zukunft haben, denn der Luxus von morgen ist eine Kennerschaft, die sich nicht am Preis orientiert, sondern an handfesten, transparenten Kriterien für Qualität, die beim lebendigen Boden beginnen und bei der wilden spontanen Vergärung noch lange nicht aufhören.

© K&U