Mykorrhiza. Das Bodennahrungsnetz der Pilze


Ein Begriff, den Sie sich merken sollten. 


Er steht für ein Pilznetzwerk im Boden, das den Wurzelraum von Nutz- und Wildpflanzen besiedelt. Dabei kommt es zu einem symbiotischen Stoffaustausch, der erst seit ungefähr einem Jahrzehnt bekannt, aber noch immer nicht vollständig verstanden ist, zwischen dem Pilz-Netzwerk und dem Feinwurzelsystem der entsprechenden Partner-Pflanzen.

Im Mykorrhiza-Nahrungsnetzwerk sehen Wissenschaftler ganz wesentlich die Zukunft der Landwirtschaft und des Weinbaus, denn die Mykorrhiza-Pilze liefern den mit ihnen verbundenen Pflanzen Nährstoffe und Wasser, während die grünen Pflanzen über die Ausscheidungen ihrer Wurzelsysteme dem Pilznetzwerk einen Teil der durch die Photosynthese erzeugten Glucose (Zucker) als Nahrung zur Verfügung stellen.

Daraus ergibt sich eine wichtige Erkenntnis: Werden grüne Pflanzen durch Glyphosat abgetötet, stirbt ihr Wurzelsystem und damit auch das Mykorrhiza-Netzwerk, sofern es überhaupt vorhanden war. Dadurch verarmt der Boden mit der Zeit an biologischer und organischer Masse, es kommt zu physikalischer Bodenverdichtung mit den bekannten katastrophalen Konsequenzen für Boden und Pflanzen. Dann geht ohne Düngung nichts mehr und die Bodenzerstörung nimmt ihren Lauf.

Es ist eine faszinierend lebendige Symbiose zwischen den Mykorrhiza-Pilzen und ihren Partner-Pflanzen. Die Pilze sind auf die Versorgung durch die Wurzel-Exsudate ihrer Pflanzen angewiesen, sie liefern ihnen dafür Nährstoffe und Wasser, die sie mit ihrem weitverzweigten Mikronetzwerk aus dem Boden besser lösen können als die Pflanzen. Durch diese symbiotische Beziehung werden Wachstum und Gesundheit der mit dem Pilz »befallenen« Pflanzen positiv beeinflusst, weil ihre Wasser-, Stickstoff- und Phosphat-Versorgung verbessert wird, womit ihre Trockenresistenz steigt und ihr Wurzelsystem zumindest in gewissem Umfang vor Pathogenen (Schädlingen) geschützt wird. 

Mykorrhiza-Pilze sind ein Wunder der Natur, mit dem zu beschäftigen sich unbedingt lohnt. Mehr als achtzig Prozent aller Landpflanzen leben in Symbiose mit ihnen. In entsprechend lebendigen Weinbergs-Böden versorgen sie z. B. den Rebstock mit lebenswichtiger Feuchtigkeit und stellen seinen Beeren die für einen reibungslosen, natürlich spontanen Gärverlauf notwendigen Nährstoffe zur Verfügung, allen voran Stickstoff, sowie viele wichtige Spurenelemente. Eine problemlos bis zum Ende durchlaufende, natürlich spontane Vergärung der Moste ist ohne Mykorrhiza-Pilznetzwerk im Boden heute kaum noch möglich.

Man unterscheidet zwei verschiedene Arten von Mykorrhiza-Pilzen


Bei den sogenannten Endo-Mykorrhiza (endo = innen) dringen die feinen unterirdischen Fäden des Pilznetzwerkes, »Hyphen« genannt, in die pflanzlichen Zellen der Wurzeln ein und bilden dort ein lockeres Netzwerk, um Nährstoffe und Wasser zu liefern und im Austausch dafür Kohlenhydrate als Nahrung zu erhalten. Beide Symbiose-Partner profitieren also von dem Tauschhandel.

Als Ekto-Mykorrhiza (ekto = außen) versteht man eine Form der Symbiose zwischen Pflanzen und Pilznetzwerk, bei der die feinen unterirdischen Pilzfäden (Hyphen) zwar in die Wurzelrinde, nicht aber in die Zellen eindringen. Sie bilden einen dichten Hyphenmantel auf den dicken, langsam wachsenden Enden der pflanzlichen Kurzwurzeln, verdrängen dort die Wurzelhaare und die Pilzhyphen übernehmen deren Wirkung, tauschen dort also Nährstoffe und Wasser im Gegenzug für Kohlenhydrate Auch hier profitieren beide Partner der Symbiose.

Nährstoff- und Wasseraufnahme und der Transport-Mechanismus in der Pflanze


Die Wurzeln einer Pflanze sind durch ein komplexes Leitungssystem mit der Sprossachse und den Blättern verbunden. Dieses Leitungssystem besteht aus sogenannten »Leitbündeln«, die die gesamte Pflanze durchziehen. Das sind langgestreckte, tote Zellen, die zur Verstärkung mit einem speziellen Stoff (Lignin) ausgekleidet sind. Die Trennwände zwischen den einzelnen Zellen sind aufgelöst, so dass ein zusammenhängendes Leitungssystem entsteht. Am oberen Ende dieser Leitungsbahnen befinden sich die Blätter. Sie haben kleine Öffnungen, die sie »nach Bedarf« öffnen und schließen können. Über diese »Stomata« genannten Öffnungen findet ein Gasaustausch statt: Kohlendioxid diffundiert in die Pflanze, wichtig für die Photosynthese, Wasserdampf diffundiert hinaus, u. a. wichtig für die Kühlung der Blätter. Dabei kann Wasser auch in Form von Tropfen abgegeben werden. Das oben in den Blättern entweichende Wasser erzeugt einen Sog, der Wasser aus dem Stamm der Pflanze nach oben zieht. Damit entsteht in der Pflanze und auch in der Wurzel ein Unterdruck, wodurch Wasser über die Wurzeln aus dem Boden in die Pflanze »gezogen« wird.

Mit dem Wasser kommen auch gelöste Nährstoffe in die Wurzelzellen, von wo sie weiter in die Pflanze transportiert werden. Um möglichst viele Nährstoffe aus der Umgebung mitzubekommen, geben dabei die Feinwurzeln Protonen (Ionen des Wasserstoffs, einfach positiv geladen) in das Bodenwasser ab, es kommt zu einer Ansäuerung. Dabei verdrängen die Protonen zunehmend Nährstoffe wie z. B. Stickstoff in Form von Ammonium (NH3) oder Nitrat (NO3-), von Kalzium (Ca2), Magnesium (Mg2), Phosphor in Form von Phosphat (PO4-), Kalium (K), Natrium (Na) und Schwefel (S2) aus den Tonmineralen oder Huminstoffen (Humus) des Bodens, wodurch die Nährstoffe in Lösung gehen können und mit dem Bodenwasser über die Leitbündel von der Pflanze aufgenommen werden. 
Ohne Mykorrhiza-Netzwerke stehen viele dieser Boden-Minerale, Nährstoffe und hier nicht genannten Spurenelemente auf natürliche Weise nicht zur Verfügung, es muß gedüngt werden, was in den Pflanzen aber zu einer Verarmung bzw. Verdünnung an bestimmten Nährstoffen, bzw. zu einem Überangebot an Stickstoff führt, der konventionell bewirtschaftete Pflanzen zwar besser wachsen läßt (primärer Stoffwechsel), jedoch weniger jener sekundären Pflanzenwirkstoffe einlagert, die die Pflanzen vor Krankheiten und Freßfeinden schützen und für uns Menschen als gesundheitsfördernd gelten.

Die Forschung zur Symbiose der Mykorrhiza-Pilze mit den Pflanzen steht noch am Anfang. Wegen ihrer Fähigkeit, Nährstoffe direkt an die Wurzeln von Nutzpflanzen zu liefern, untersucht man derzeit, ob sich Mykorrhiza-Pilze nicht als Ersatz für Mineraldünger einsetzen lassen, der sich als katastrophal bodenschädigend und dessen Phosphor-Gehalt sich als unsinnig, weil kaum pflanzenverfügbar, herausgestellt hat. Mykorrhiza-Kulturen könnten eine interessante Alternative sein. Das haben selbst die globalen Agrarchemie-Konzerne wie Monsanto & Co erkannt, sie forschen heftig an einem kommerziellen Einsatz der Pilze. Inzwischen deuten Erkenntnisse aus der aktuellen Mikrobiom-Forschung darauf hin, daß im natürlichen Mykorrhiza-Pilznetzwerk einer der wesentlichen Unterschiede zwischen konventionell agrarchemischer und regenerativer Bewirtschaftung zu liegen scheint - mit entsprechenden Konsequenzen für den Nährstoffgehalt von Lebensmitteln und das Mikrobiom des Darms. Die Ernährungsmedizin ist über die Mikrobiom-Forschung mit Hochdruck dabei, diese komplexen Zusammenhänge intradisziplinär zu erforschen. 
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